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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Josseph vermochte vor tiefer Bewegung nicht zu sprechen, er starrte nur die alte Frau an, die heute so eigentlich verständig sich geberdete.

Du schweigst noch immer? sagte sie nach einer Weile. Muß ich dich aufschließen, wie man eine versperrte Thür aufschließt? Dir geht im Kopf Madlena -- Dinah, will ich sagen, herum, die läßt dir keine Ruh', du hast Unrecht an ihr gethan, und jetzt weißt du nicht, wie du mit ihr fertig werden sollst. Und fertig möchtest du mit ihr gerne werden, du weißt nur nicht, wie du's anfangen sollst. Hab' ich's errathen?

Das ist's auch, Mamme, entgegnete er hoch aufathmend; zehn Centner schwer wenn man auf mich legen möcht', die könnten mich nicht so drücken.

Nu, siehst du, daß deine alte Mutter auch Augen im Kopf hat? sagte Marjim.

Eine verschlossene Quelle schien plötzlich des Steines, der kalt und finster auf ihr gelegen, entledigt zu sein, als Josseph nun zu reden begann. Rasch schloß sich jetzt Wort an Wort; mit kurzen Worten schilderte er der Mutter seine Qualen; wie er sich berechtigt halte zu seinem Hasse gegen Madlena. Sie habe den Vater in die Erde gebracht, und wenn die Mutter, was Gott behüte, weil es doch sein müsse, aus dem Hause werde getragen werden, sei nur ein Sohn und keine Tochter da, der um sie sieben Tage Trauer sitzen würde. Daran sei Madlena allein schuld, er trage diesen Kummer schon zehn Jahre mit sich herum. Er

Josseph vermochte vor tiefer Bewegung nicht zu sprechen, er starrte nur die alte Frau an, die heute so eigentlich verständig sich geberdete.

Du schweigst noch immer? sagte sie nach einer Weile. Muß ich dich aufschließen, wie man eine versperrte Thür aufschließt? Dir geht im Kopf Madlena — Dinah, will ich sagen, herum, die läßt dir keine Ruh', du hast Unrecht an ihr gethan, und jetzt weißt du nicht, wie du mit ihr fertig werden sollst. Und fertig möchtest du mit ihr gerne werden, du weißt nur nicht, wie du's anfangen sollst. Hab' ich's errathen?

Das ist's auch, Mamme, entgegnete er hoch aufathmend; zehn Centner schwer wenn man auf mich legen möcht', die könnten mich nicht so drücken.

Nu, siehst du, daß deine alte Mutter auch Augen im Kopf hat? sagte Marjim.

Eine verschlossene Quelle schien plötzlich des Steines, der kalt und finster auf ihr gelegen, entledigt zu sein, als Josseph nun zu reden begann. Rasch schloß sich jetzt Wort an Wort; mit kurzen Worten schilderte er der Mutter seine Qualen; wie er sich berechtigt halte zu seinem Hasse gegen Madlena. Sie habe den Vater in die Erde gebracht, und wenn die Mutter, was Gott behüte, weil es doch sein müsse, aus dem Hause werde getragen werden, sei nur ein Sohn und keine Tochter da, der um sie sieben Tage Trauer sitzen würde. Daran sei Madlena allein schuld, er trage diesen Kummer schon zehn Jahre mit sich herum. Er

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[0177] Josseph vermochte vor tiefer Bewegung nicht zu sprechen, er starrte nur die alte Frau an, die heute so eigentlich verständig sich geberdete. Du schweigst noch immer? sagte sie nach einer Weile. Muß ich dich aufschließen, wie man eine versperrte Thür aufschließt? Dir geht im Kopf Madlena — Dinah, will ich sagen, herum, die läßt dir keine Ruh', du hast Unrecht an ihr gethan, und jetzt weißt du nicht, wie du mit ihr fertig werden sollst. Und fertig möchtest du mit ihr gerne werden, du weißt nur nicht, wie du's anfangen sollst. Hab' ich's errathen? Das ist's auch, Mamme, entgegnete er hoch aufathmend; zehn Centner schwer wenn man auf mich legen möcht', die könnten mich nicht so drücken. Nu, siehst du, daß deine alte Mutter auch Augen im Kopf hat? sagte Marjim. Eine verschlossene Quelle schien plötzlich des Steines, der kalt und finster auf ihr gelegen, entledigt zu sein, als Josseph nun zu reden begann. Rasch schloß sich jetzt Wort an Wort; mit kurzen Worten schilderte er der Mutter seine Qualen; wie er sich berechtigt halte zu seinem Hasse gegen Madlena. Sie habe den Vater in die Erde gebracht, und wenn die Mutter, was Gott behüte, weil es doch sein müsse, aus dem Hause werde getragen werden, sei nur ein Sohn und keine Tochter da, der um sie sieben Tage Trauer sitzen würde. Daran sei Madlena allein schuld, er trage diesen Kummer schon zehn Jahre mit sich herum. Er

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/177>, abgerufen am 23.11.2024.