Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wegen, ich bin nicht mehr sinnedig, -- daß der zu mir ist gekommen, das heißt so viel als: Marjim, laß dir dein Wanderbüchel geben, die Herberg ist aufgemacht; Zehrgeld hast du genug in der Tasche. Narrethei, nichts als Narrethei, fuhr Josseph auf, wegen einem leeren Traum machst du dir den Kopf voll. Heißt das ein Gelärm machen, versetzte Marjim eifrig, wenn so ein alt' Weib, wie ich eins bin, von der Welt soll! Ich bin vielleicht ein jung Madel, und die Jungen kommen zu mir noch auf die Beschau? Siebenzig Jahr, so steht's im Siderl, währt unser Leben, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig. Meinst du denn, der Mallech Hamowes (Todesengel) führt nicht sein gut Rechenbüchel? Babe, wie alt bist du denn schon? fragte Fischele. Mein Kind Leben, sagte sie schalkhaft, so auf einmal sagen kann ich's dir nicht. Aber darauf kannst du dich verlassen, wie mein klein Fingerl. Ohne sich dann an die Vorwürfe Josseph's zu kehren, der grollend über die Narrethei der Mutter in der Stube auf und ab schritt, sagte sie zu ihrem Enkel: Nach dem Anbeißen*) wirst du so gut sein und wirst mir das kleine Büchel mit dem ledernen Rücken vom Kasten herunterlangen. Es muß schon viel Staub darauf liegen, denn wie sie meinen guten Mann haben *) Frühstück.
wegen, ich bin nicht mehr sinnedig, — daß der zu mir ist gekommen, das heißt so viel als: Marjim, laß dir dein Wanderbüchel geben, die Herberg ist aufgemacht; Zehrgeld hast du genug in der Tasche. Narrethei, nichts als Narrethei, fuhr Josseph auf, wegen einem leeren Traum machst du dir den Kopf voll. Heißt das ein Gelärm machen, versetzte Marjim eifrig, wenn so ein alt' Weib, wie ich eins bin, von der Welt soll! Ich bin vielleicht ein jung Madel, und die Jungen kommen zu mir noch auf die Beschau? Siebenzig Jahr, so steht's im Siderl, währt unser Leben, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig. Meinst du denn, der Mallech Hamowes (Todesengel) führt nicht sein gut Rechenbüchel? Babe, wie alt bist du denn schon? fragte Fischele. Mein Kind Leben, sagte sie schalkhaft, so auf einmal sagen kann ich's dir nicht. Aber darauf kannst du dich verlassen, wie mein klein Fingerl. Ohne sich dann an die Vorwürfe Josseph's zu kehren, der grollend über die Narrethei der Mutter in der Stube auf und ab schritt, sagte sie zu ihrem Enkel: Nach dem Anbeißen*) wirst du so gut sein und wirst mir das kleine Büchel mit dem ledernen Rücken vom Kasten herunterlangen. Es muß schon viel Staub darauf liegen, denn wie sie meinen guten Mann haben *) Frühstück.
<TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <p><pb facs="#f0168"/> wegen, ich bin nicht mehr sinnedig, — daß der zu mir ist gekommen, das heißt so viel als: Marjim, laß dir dein Wanderbüchel geben, die Herberg ist aufgemacht; Zehrgeld hast du genug in der Tasche.</p><lb/> <p>Narrethei, nichts als Narrethei, fuhr Josseph auf, wegen einem leeren Traum machst du dir den Kopf voll.</p><lb/> <p>Heißt das ein Gelärm machen, versetzte Marjim eifrig, wenn so ein alt' Weib, wie ich eins bin, von der Welt soll! Ich bin vielleicht ein jung Madel, und die Jungen kommen zu mir noch auf die Beschau? Siebenzig Jahr, so steht's im Siderl, währt unser Leben, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig. Meinst du denn, der Mallech Hamowes (Todesengel) führt nicht sein gut Rechenbüchel?</p><lb/> <p>Babe, wie alt bist du denn schon? fragte Fischele.</p><lb/> <p>Mein Kind Leben, sagte sie schalkhaft, so auf einmal sagen kann ich's dir nicht. Aber darauf kannst du dich verlassen, wie mein klein Fingerl.</p><lb/> <p>Ohne sich dann an die Vorwürfe Josseph's zu kehren, der grollend über die Narrethei der Mutter in der Stube auf und ab schritt, sagte sie zu ihrem Enkel:</p><lb/> <p>Nach dem Anbeißen<note place="foot" n="*)">Frühstück.</note> wirst du so gut sein und wirst mir das kleine Büchel mit dem ledernen Rücken vom Kasten herunterlangen. Es muß schon viel Staub darauf liegen, denn wie sie meinen guten Mann haben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0168]
wegen, ich bin nicht mehr sinnedig, — daß der zu mir ist gekommen, das heißt so viel als: Marjim, laß dir dein Wanderbüchel geben, die Herberg ist aufgemacht; Zehrgeld hast du genug in der Tasche.
Narrethei, nichts als Narrethei, fuhr Josseph auf, wegen einem leeren Traum machst du dir den Kopf voll.
Heißt das ein Gelärm machen, versetzte Marjim eifrig, wenn so ein alt' Weib, wie ich eins bin, von der Welt soll! Ich bin vielleicht ein jung Madel, und die Jungen kommen zu mir noch auf die Beschau? Siebenzig Jahr, so steht's im Siderl, währt unser Leben, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig. Meinst du denn, der Mallech Hamowes (Todesengel) führt nicht sein gut Rechenbüchel?
Babe, wie alt bist du denn schon? fragte Fischele.
Mein Kind Leben, sagte sie schalkhaft, so auf einmal sagen kann ich's dir nicht. Aber darauf kannst du dich verlassen, wie mein klein Fingerl.
Ohne sich dann an die Vorwürfe Josseph's zu kehren, der grollend über die Narrethei der Mutter in der Stube auf und ab schritt, sagte sie zu ihrem Enkel:
Nach dem Anbeißen *) wirst du so gut sein und wirst mir das kleine Büchel mit dem ledernen Rücken vom Kasten herunterlangen. Es muß schon viel Staub darauf liegen, denn wie sie meinen guten Mann haben
*) Frühstück.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |