Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.lassen, bis an ihren Tod, und selbst da hätt' ich mir die Augen ausgeweint, wenn ich gewußt hätte, was ich jetzt weiß. So aber ist Einer dazwischen gekommen, und jetzt ist Alles aus. Was weißt du jetzt? fragte Josseph. Daß Ihr kein Feind unserer Religion seid -- Das bin ich auch nicht, sagte Josseph mit dem vollen Bewußtsein einer glaubensstarken Seele, das bin ich auch wirklich nicht, setzte er wie bekräftigend hinzu. Wer weiß das besser als ich, entgegnete die Magd mit wunderbar feierlichem Ton, wer weiß das besser als ich? War ich nicht dabei, als Ihr den Vater von der Hölle gerettet habt? Der Vater hat seine Hand ausgestreckt gegen den Heiligen, und da habt Ihr sie zurückgehalten, und er hat's nicht ausführen können. Der Pfarrer hat immer gesagt: der Vater kommt in die Hölle, weil er an den Heiland und die Heiligen nicht glaubt, aber er wird doch nicht dahin kommen, denn er hat den Heiligen nicht berührt, und die Flammen werden ihn nicht verzehren. -- Aufmerksam hatte Josseph diesen leidenschaftlichen Ausbruch einer ihm fast fremden Seele vernommen. In leisen Umrissen dämmerte das Bewußtsein seiner vollbrachten That vor ihm auf, und fast glaubte er in diesem Augenblicke, er habe das wirklich gethan, was Anezka mit so feuriger Zunge als sein Werk ausgab. lassen, bis an ihren Tod, und selbst da hätt' ich mir die Augen ausgeweint, wenn ich gewußt hätte, was ich jetzt weiß. So aber ist Einer dazwischen gekommen, und jetzt ist Alles aus. Was weißt du jetzt? fragte Josseph. Daß Ihr kein Feind unserer Religion seid — Das bin ich auch nicht, sagte Josseph mit dem vollen Bewußtsein einer glaubensstarken Seele, das bin ich auch wirklich nicht, setzte er wie bekräftigend hinzu. Wer weiß das besser als ich, entgegnete die Magd mit wunderbar feierlichem Ton, wer weiß das besser als ich? War ich nicht dabei, als Ihr den Vater von der Hölle gerettet habt? Der Vater hat seine Hand ausgestreckt gegen den Heiligen, und da habt Ihr sie zurückgehalten, und er hat's nicht ausführen können. Der Pfarrer hat immer gesagt: der Vater kommt in die Hölle, weil er an den Heiland und die Heiligen nicht glaubt, aber er wird doch nicht dahin kommen, denn er hat den Heiligen nicht berührt, und die Flammen werden ihn nicht verzehren. — Aufmerksam hatte Josseph diesen leidenschaftlichen Ausbruch einer ihm fast fremden Seele vernommen. In leisen Umrissen dämmerte das Bewußtsein seiner vollbrachten That vor ihm auf, und fast glaubte er in diesem Augenblicke, er habe das wirklich gethan, was Anezka mit so feuriger Zunge als sein Werk ausgab. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="11"> <p><pb facs="#f0156"/> lassen, bis an ihren Tod, und selbst da hätt' ich mir die Augen ausgeweint, wenn ich gewußt hätte, was ich jetzt weiß. So aber ist Einer dazwischen gekommen, und jetzt ist Alles aus.</p><lb/> <p>Was weißt du jetzt? fragte Josseph.</p><lb/> <p>Daß Ihr kein Feind unserer Religion seid —</p><lb/> <p>Das bin ich auch nicht, sagte Josseph mit dem vollen Bewußtsein einer glaubensstarken Seele, das bin ich auch wirklich nicht, setzte er wie bekräftigend hinzu.</p><lb/> <p>Wer weiß das besser als ich, entgegnete die Magd mit wunderbar feierlichem Ton, wer weiß das besser als ich? War ich nicht dabei, als Ihr den Vater von der Hölle gerettet habt? Der Vater hat seine Hand ausgestreckt gegen den Heiligen, und da habt Ihr sie zurückgehalten, und er hat's nicht ausführen können. Der Pfarrer hat immer gesagt: der Vater kommt in die Hölle, weil er an den Heiland und die Heiligen nicht glaubt, aber er wird doch nicht dahin kommen, denn er hat den Heiligen nicht berührt, und die Flammen werden ihn nicht verzehren. —</p><lb/> <p>Aufmerksam hatte Josseph diesen leidenschaftlichen Ausbruch einer ihm fast fremden Seele vernommen. In leisen Umrissen dämmerte das Bewußtsein seiner vollbrachten That vor ihm auf, und fast glaubte er in diesem Augenblicke, er habe das wirklich gethan, was Anezka mit so feuriger Zunge als sein Werk ausgab.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0156]
lassen, bis an ihren Tod, und selbst da hätt' ich mir die Augen ausgeweint, wenn ich gewußt hätte, was ich jetzt weiß. So aber ist Einer dazwischen gekommen, und jetzt ist Alles aus.
Was weißt du jetzt? fragte Josseph.
Daß Ihr kein Feind unserer Religion seid —
Das bin ich auch nicht, sagte Josseph mit dem vollen Bewußtsein einer glaubensstarken Seele, das bin ich auch wirklich nicht, setzte er wie bekräftigend hinzu.
Wer weiß das besser als ich, entgegnete die Magd mit wunderbar feierlichem Ton, wer weiß das besser als ich? War ich nicht dabei, als Ihr den Vater von der Hölle gerettet habt? Der Vater hat seine Hand ausgestreckt gegen den Heiligen, und da habt Ihr sie zurückgehalten, und er hat's nicht ausführen können. Der Pfarrer hat immer gesagt: der Vater kommt in die Hölle, weil er an den Heiland und die Heiligen nicht glaubt, aber er wird doch nicht dahin kommen, denn er hat den Heiligen nicht berührt, und die Flammen werden ihn nicht verzehren. —
Aufmerksam hatte Josseph diesen leidenschaftlichen Ausbruch einer ihm fast fremden Seele vernommen. In leisen Umrissen dämmerte das Bewußtsein seiner vollbrachten That vor ihm auf, und fast glaubte er in diesem Augenblicke, er habe das wirklich gethan, was Anezka mit so feuriger Zunge als sein Werk ausgab.
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/156>, abgerufen am 17.02.2025. |