Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Fluch und Segen wie eine Handhabe an ein Gefäß paßte; was gingen sie ihn an? Nach dem Bibellesen sagte Josseph zu seiner Mutter, fast, als ob heute noch kein schneidender Vorwurf zwischen Beiden gefallen wäre: Mamme, was meinst du, mit wem ich diese Woche, wie ich aufs Dorf bin gegangen, auf offener Straße bin zusammen gegangen? Vielleicht gar mit ihr? fragte die alte Marjim mit freudigem Ausdrucke. Josseph's Stirne verfinsterte sich wieder. Mit der, sagte er finster, mit der nicht! Aber mit ihrem Schwär (Schwiegervater) bin ich zusammengetroffen. Nu? forschte die Mutter, indem sie ihrem Sohn lauschend ins Gesicht sah. Wollte er der alten Mutter keine freudige Stunde gönnen, daß sie aufjauchze aus tiefstem Herzen, daß der Trost mit seinem lindernden Athem um diese Seele fächle, die seit zehn Jahren so viel gerungen und gelitten hatte, daß kein Lichtstrahl auf ein in zehnjähriges Dunkel gehülltes Wehe falle, wenn er ihr die Erzählung von seinem Zusammentreffen mit dem Bauer Waczlaw Smetana vorenthielt? Woher sonst der scharfe, zugespitzte Ton, mit dem er, nachdem die Mutter auf eine Antwort so forschend gelauscht, zu ihr sagte: Gegangen sind wir wohl selband, haben auch Mancherlei zusammen gesprochen, der Bauer hat mir Fluch und Segen wie eine Handhabe an ein Gefäß paßte; was gingen sie ihn an? Nach dem Bibellesen sagte Josseph zu seiner Mutter, fast, als ob heute noch kein schneidender Vorwurf zwischen Beiden gefallen wäre: Mamme, was meinst du, mit wem ich diese Woche, wie ich aufs Dorf bin gegangen, auf offener Straße bin zusammen gegangen? Vielleicht gar mit ihr? fragte die alte Marjim mit freudigem Ausdrucke. Josseph's Stirne verfinsterte sich wieder. Mit der, sagte er finster, mit der nicht! Aber mit ihrem Schwär (Schwiegervater) bin ich zusammengetroffen. Nu? forschte die Mutter, indem sie ihrem Sohn lauschend ins Gesicht sah. Wollte er der alten Mutter keine freudige Stunde gönnen, daß sie aufjauchze aus tiefstem Herzen, daß der Trost mit seinem lindernden Athem um diese Seele fächle, die seit zehn Jahren so viel gerungen und gelitten hatte, daß kein Lichtstrahl auf ein in zehnjähriges Dunkel gehülltes Wehe falle, wenn er ihr die Erzählung von seinem Zusammentreffen mit dem Bauer Waczlaw Smetana vorenthielt? Woher sonst der scharfe, zugespitzte Ton, mit dem er, nachdem die Mutter auf eine Antwort so forschend gelauscht, zu ihr sagte: Gegangen sind wir wohl selband, haben auch Mancherlei zusammen gesprochen, der Bauer hat mir <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="9"> <p><pb facs="#f0128"/> Fluch und Segen wie eine Handhabe an ein Gefäß paßte; was gingen sie ihn an?</p><lb/> <p>Nach dem Bibellesen sagte Josseph zu seiner Mutter, fast, als ob heute noch kein schneidender Vorwurf zwischen Beiden gefallen wäre:</p><lb/> <p>Mamme, was meinst du, mit wem ich diese Woche, wie ich aufs Dorf bin gegangen, auf offener Straße bin zusammen gegangen?</p><lb/> <p>Vielleicht gar mit ihr? fragte die alte Marjim mit freudigem Ausdrucke.</p><lb/> <p>Josseph's Stirne verfinsterte sich wieder.</p><lb/> <p>Mit der, sagte er finster, mit der nicht! Aber mit ihrem Schwär (Schwiegervater) bin ich zusammengetroffen.</p><lb/> <p>Nu? forschte die Mutter, indem sie ihrem Sohn lauschend ins Gesicht sah.</p><lb/> <p>Wollte er der alten Mutter keine freudige Stunde gönnen, daß sie aufjauchze aus tiefstem Herzen, daß der Trost mit seinem lindernden Athem um diese Seele fächle, die seit zehn Jahren so viel gerungen und gelitten hatte, daß kein Lichtstrahl auf ein in zehnjähriges Dunkel gehülltes Wehe falle, wenn er ihr die Erzählung von seinem Zusammentreffen mit dem Bauer Waczlaw Smetana vorenthielt? Woher sonst der scharfe, zugespitzte Ton, mit dem er, nachdem die Mutter auf eine Antwort so forschend gelauscht, zu ihr sagte:</p><lb/> <p>Gegangen sind wir wohl selband, haben auch Mancherlei zusammen gesprochen, der Bauer hat mir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
Fluch und Segen wie eine Handhabe an ein Gefäß paßte; was gingen sie ihn an?
Nach dem Bibellesen sagte Josseph zu seiner Mutter, fast, als ob heute noch kein schneidender Vorwurf zwischen Beiden gefallen wäre:
Mamme, was meinst du, mit wem ich diese Woche, wie ich aufs Dorf bin gegangen, auf offener Straße bin zusammen gegangen?
Vielleicht gar mit ihr? fragte die alte Marjim mit freudigem Ausdrucke.
Josseph's Stirne verfinsterte sich wieder.
Mit der, sagte er finster, mit der nicht! Aber mit ihrem Schwär (Schwiegervater) bin ich zusammengetroffen.
Nu? forschte die Mutter, indem sie ihrem Sohn lauschend ins Gesicht sah.
Wollte er der alten Mutter keine freudige Stunde gönnen, daß sie aufjauchze aus tiefstem Herzen, daß der Trost mit seinem lindernden Athem um diese Seele fächle, die seit zehn Jahren so viel gerungen und gelitten hatte, daß kein Lichtstrahl auf ein in zehnjähriges Dunkel gehülltes Wehe falle, wenn er ihr die Erzählung von seinem Zusammentreffen mit dem Bauer Waczlaw Smetana vorenthielt? Woher sonst der scharfe, zugespitzte Ton, mit dem er, nachdem die Mutter auf eine Antwort so forschend gelauscht, zu ihr sagte:
Gegangen sind wir wohl selband, haben auch Mancherlei zusammen gesprochen, der Bauer hat mir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |