Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.oder zu seiner Mutter oder zu seiner Schwester sagt: ich kenn' dich nicht, ich weiß nichts von dir, so müßt Ihr darauf antworten: ja, ja, das kann Gott verlangen; sagen müßt Ihr ihm: wenn dein Vater oder deine Mutter oder deine Schwester Gott nicht mehr kennen wollen, wenn Eines hingeht und sich und Gott und die ganze Welt verräth, das ist die böse Art, von der geschrieben steht, daß sie von Gott abgefallen ist, das sind die Schandflecken, und zu einem solchen Vater oder Bruder oder Schwester muß man sagen: ich kenn' dich nicht, ich weiß nichts von dir; aber mit Euren Flausen müßt Ihr einem jüdischen Kind nicht kommen. So hab' ich mir den Satz erklärt, und da beißt Ihr mir mit Euren Geistlichen und mit Eurer Philosophie nicht ein Brösele herunter. Erinnerte sich der Lehrer erst jetzt der Geschichte dieses Hauses, die durch Josseph's Rede eine so eigenthümliche Färbung erhielt? Oder fühlte er sich verletzt durch die harten Worte des "gemeinen" Mannes, dem zu entgegnen seine "Bildung" nicht gestattete? Er schwieg und nach einer Weile sagte er zu dem Knaben: Weiter. Fischele las: Herr, segne sein Vermögen und laß dir gefallen die Werke seiner Hände; zerschlage die Rücken derer, die sich wider ihn auflehnen, und derer, die ihn hassen, daß sie nicht auskommen. oder zu seiner Mutter oder zu seiner Schwester sagt: ich kenn' dich nicht, ich weiß nichts von dir, so müßt Ihr darauf antworten: ja, ja, das kann Gott verlangen; sagen müßt Ihr ihm: wenn dein Vater oder deine Mutter oder deine Schwester Gott nicht mehr kennen wollen, wenn Eines hingeht und sich und Gott und die ganze Welt verräth, das ist die böse Art, von der geschrieben steht, daß sie von Gott abgefallen ist, das sind die Schandflecken, und zu einem solchen Vater oder Bruder oder Schwester muß man sagen: ich kenn' dich nicht, ich weiß nichts von dir; aber mit Euren Flausen müßt Ihr einem jüdischen Kind nicht kommen. So hab' ich mir den Satz erklärt, und da beißt Ihr mir mit Euren Geistlichen und mit Eurer Philosophie nicht ein Brösele herunter. Erinnerte sich der Lehrer erst jetzt der Geschichte dieses Hauses, die durch Josseph's Rede eine so eigenthümliche Färbung erhielt? Oder fühlte er sich verletzt durch die harten Worte des „gemeinen“ Mannes, dem zu entgegnen seine „Bildung“ nicht gestattete? Er schwieg und nach einer Weile sagte er zu dem Knaben: Weiter. Fischele las: Herr, segne sein Vermögen und laß dir gefallen die Werke seiner Hände; zerschlage die Rücken derer, die sich wider ihn auflehnen, und derer, die ihn hassen, daß sie nicht auskommen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <p><pb facs="#f0113"/> oder zu seiner Mutter oder zu seiner Schwester sagt: ich kenn' dich nicht, ich weiß nichts von dir, so müßt Ihr darauf antworten: ja, ja, das kann Gott verlangen; sagen müßt Ihr ihm: wenn dein Vater oder deine Mutter oder deine Schwester Gott nicht mehr kennen wollen, wenn Eines hingeht und sich und Gott und die ganze Welt verräth, das ist die böse Art, von der geschrieben steht, daß sie von Gott abgefallen ist, das sind die Schandflecken, und zu einem solchen Vater oder Bruder oder Schwester muß man sagen: ich kenn' dich nicht, ich weiß nichts von dir; aber mit Euren Flausen müßt Ihr einem jüdischen Kind nicht kommen. So hab' ich mir den Satz erklärt, und da beißt Ihr mir mit Euren Geistlichen und mit Eurer Philosophie nicht ein Brösele herunter.</p><lb/> <p>Erinnerte sich der Lehrer erst jetzt der Geschichte dieses Hauses, die durch Josseph's Rede eine so eigenthümliche Färbung erhielt? Oder fühlte er sich verletzt durch die harten Worte des „gemeinen“ Mannes, dem zu entgegnen seine „Bildung“ nicht gestattete? Er schwieg und nach einer Weile sagte er zu dem Knaben:</p><lb/> <p>Weiter.</p><lb/> <p>Fischele las:</p><lb/> <p>Herr, segne sein Vermögen und laß dir gefallen die Werke seiner Hände; zerschlage die Rücken derer, die sich wider ihn auflehnen, und derer, die ihn hassen, daß sie nicht auskommen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
oder zu seiner Mutter oder zu seiner Schwester sagt: ich kenn' dich nicht, ich weiß nichts von dir, so müßt Ihr darauf antworten: ja, ja, das kann Gott verlangen; sagen müßt Ihr ihm: wenn dein Vater oder deine Mutter oder deine Schwester Gott nicht mehr kennen wollen, wenn Eines hingeht und sich und Gott und die ganze Welt verräth, das ist die böse Art, von der geschrieben steht, daß sie von Gott abgefallen ist, das sind die Schandflecken, und zu einem solchen Vater oder Bruder oder Schwester muß man sagen: ich kenn' dich nicht, ich weiß nichts von dir; aber mit Euren Flausen müßt Ihr einem jüdischen Kind nicht kommen. So hab' ich mir den Satz erklärt, und da beißt Ihr mir mit Euren Geistlichen und mit Eurer Philosophie nicht ein Brösele herunter.
Erinnerte sich der Lehrer erst jetzt der Geschichte dieses Hauses, die durch Josseph's Rede eine so eigenthümliche Färbung erhielt? Oder fühlte er sich verletzt durch die harten Worte des „gemeinen“ Mannes, dem zu entgegnen seine „Bildung“ nicht gestattete? Er schwieg und nach einer Weile sagte er zu dem Knaben:
Weiter.
Fischele las:
Herr, segne sein Vermögen und laß dir gefallen die Werke seiner Hände; zerschlage die Rücken derer, die sich wider ihn auflehnen, und derer, die ihn hassen, daß sie nicht auskommen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |