Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.pko_049.001 pko_049.006 pko_049.025 pko_049.028 1. Tragödie1) und Trauerspiel lassen den dramatischen Kampf mit pko_049.029 1) pko_049.036
griech. "Bocksgesang", so genannt nach den im Kostüm bocksähnlicher Satyrn pko_049.037 auftretenden Chören des Dionysoskultes, aus dem das altgriechische Drama entstanden pko_049.038 ist. pko_049.001 pko_049.006 pko_049.025 pko_049.028 1. Tragödie1) und Trauerspiel lassen den dramatischen Kampf mit pko_049.029 1) pko_049.036
griech. „Bocksgesang“, so genannt nach den im Kostüm bocksähnlicher Satyrn pko_049.037 auftretenden Chören des Dionysoskultes, aus dem das altgriechische Drama entstanden pko_049.038 ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0053" n="49"/><lb n="pko_049.001"/> (idealen) Vorstellungs- in den (empirischen) Wahrnehmungsraum hinüberzuwechseln, <lb n="pko_049.002"/> aus dem Bereich der Dichtung in das der bildenden <lb n="pko_049.003"/> Kunst. Ein Drama reiner Wortkunst ist erst in unsern Tagen möglich <lb n="pko_049.004"/> und wirklich geworden durch die Erfindung des Rundfunks: es ist das <lb n="pko_049.005"/> <hi rendition="#i">Hörspiel,</hi> dem sich eine noch unbekannte Zukunft eröffnet.</p> <p><lb n="pko_049.006"/> Die Zielstrebigkeit der dramatischen Charaktere kann gerichtet sein <lb n="pko_049.007"/> auf ein zukünftiges Gelingen oder auf ein Vermeiden von Wirkungen <lb n="pko_049.008"/> schon in der Vergangenheit liegender Ursachen; danach unterscheidet <lb n="pko_049.009"/> man das (synthetische) Zieldrama (Schillers „Wallenstein“) vom (analytischen) <lb n="pko_049.010"/> Enthüllungsdrama (Sophokles: „König Oedipus“; Schiller: „Braut <lb n="pko_049.011"/> von Messina“; Kleist: „Der zerbrochene Krug“). Nur für das Zieldrama <lb n="pko_049.012"/> gilt das von Gustav Freytag aufgestellte pyramidenförmige Schema, <lb n="pko_049.013"/> welches die Handlung vom ersten (Situation und Atmosphäre exponierenden, <lb n="pko_049.014"/> den Konflikt im „erregenden Moment“ andeutenden) Akt über <lb n="pko_049.015"/> eine oder mehrere Stufen der Steigerung auf den Höhepunkt von Spannung <lb n="pko_049.016"/> und Konflikt und von da über den Umschwung (Peripetie) und <lb n="pko_049.017"/> eine oder mehrere Stufen des Abstiegs (fallende Handlung) zur schließenden <lb n="pko_049.018"/> Katastrophe begleitet; solcher Bau bedingt eine Teilung in 3 oder 5 <lb n="pko_049.019"/> Akte. Auf das Enthüllungsdrama ist Freytags Schema schon darum nicht <lb n="pko_049.020"/> anwendbar, weil hier wesentliche Teile der Vorfabel keineswegs in der <lb n="pko_049.021"/> Exposition, sondern erst in der Katastrophe dem Zuschauer bekannt <lb n="pko_049.022"/> werden und bekannt werden dürfen, weil ihre Kenntnis die Lösung <lb n="pko_049.023"/> bringt (Lessing: „Nathan der Weise“; Kleist: „Käthchen von Heilbronn“).</p> <lb n="pko_049.024"/> <p><lb n="pko_049.025"/> Nach dem Ergebnis des im Drama vorgeführten Kampfes werden <lb n="pko_049.026"/> unterschieden: die Tragödie oder das Trauerspiel, das Schauspiel und <lb n="pko_049.027"/> das Lustspiel.</p> <div n="5"> <lb n="pko_049.028"/> <head>1. <hi rendition="#i">Tragödie</hi><note xml:id="PKO_049_1" place="foot" n="1)"><lb n="pko_049.036"/> griech. „Bocksgesang“, so genannt nach den im Kostüm bocksähnlicher Satyrn <lb n="pko_049.037"/> auftretenden Chören des Dionysoskultes, aus dem das altgriechische Drama entstanden <lb n="pko_049.038"/> ist.</note> und <hi rendition="#i">Trauerspiel</hi></head> <p> lassen den dramatischen Kampf mit <lb n="pko_049.029"/> dem — leiblichen (Schiller: „Wallenstein“) oder seelisch-sittlichen <lb n="pko_049.030"/> (Goethe: „Tasso“) — Untergang des Helden enden. Es kann aber auch <lb n="pko_049.031"/> mit der leiblichen Vernichtung ein seelisch-sittlicher Sieg zusammengehen; <lb n="pko_049.032"/> dies ist z. B. in allen Märtyrerdramen der Fall, wo die Trauer <lb n="pko_049.033"/> über den irdischen Untergang überstrahlt wird vom Glück des Eingangs <lb n="pko_049.034"/> in die überirdische Seligkeit, — aber auch in den meisten Dramen Schillers, <lb n="pko_049.035"/> in denen der christliche Himmel verweltlicht ist zur sittlichen Idee. </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0053]
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(idealen) Vorstellungs- in den (empirischen) Wahrnehmungsraum hinüberzuwechseln, pko_049.002
aus dem Bereich der Dichtung in das der bildenden pko_049.003
Kunst. Ein Drama reiner Wortkunst ist erst in unsern Tagen möglich pko_049.004
und wirklich geworden durch die Erfindung des Rundfunks: es ist das pko_049.005
Hörspiel, dem sich eine noch unbekannte Zukunft eröffnet.
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Die Zielstrebigkeit der dramatischen Charaktere kann gerichtet sein pko_049.007
auf ein zukünftiges Gelingen oder auf ein Vermeiden von Wirkungen pko_049.008
schon in der Vergangenheit liegender Ursachen; danach unterscheidet pko_049.009
man das (synthetische) Zieldrama (Schillers „Wallenstein“) vom (analytischen) pko_049.010
Enthüllungsdrama (Sophokles: „König Oedipus“; Schiller: „Braut pko_049.011
von Messina“; Kleist: „Der zerbrochene Krug“). Nur für das Zieldrama pko_049.012
gilt das von Gustav Freytag aufgestellte pyramidenförmige Schema, pko_049.013
welches die Handlung vom ersten (Situation und Atmosphäre exponierenden, pko_049.014
den Konflikt im „erregenden Moment“ andeutenden) Akt über pko_049.015
eine oder mehrere Stufen der Steigerung auf den Höhepunkt von Spannung pko_049.016
und Konflikt und von da über den Umschwung (Peripetie) und pko_049.017
eine oder mehrere Stufen des Abstiegs (fallende Handlung) zur schließenden pko_049.018
Katastrophe begleitet; solcher Bau bedingt eine Teilung in 3 oder 5 pko_049.019
Akte. Auf das Enthüllungsdrama ist Freytags Schema schon darum nicht pko_049.020
anwendbar, weil hier wesentliche Teile der Vorfabel keineswegs in der pko_049.021
Exposition, sondern erst in der Katastrophe dem Zuschauer bekannt pko_049.022
werden und bekannt werden dürfen, weil ihre Kenntnis die Lösung pko_049.023
bringt (Lessing: „Nathan der Weise“; Kleist: „Käthchen von Heilbronn“).
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Nach dem Ergebnis des im Drama vorgeführten Kampfes werden pko_049.026
unterschieden: die Tragödie oder das Trauerspiel, das Schauspiel und pko_049.027
das Lustspiel.
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1. Tragödie 1) und Trauerspiel lassen den dramatischen Kampf mit pko_049.029
dem — leiblichen (Schiller: „Wallenstein“) oder seelisch-sittlichen pko_049.030
(Goethe: „Tasso“) — Untergang des Helden enden. Es kann aber auch pko_049.031
mit der leiblichen Vernichtung ein seelisch-sittlicher Sieg zusammengehen; pko_049.032
dies ist z. B. in allen Märtyrerdramen der Fall, wo die Trauer pko_049.033
über den irdischen Untergang überstrahlt wird vom Glück des Eingangs pko_049.034
in die überirdische Seligkeit, — aber auch in den meisten Dramen Schillers, pko_049.035
in denen der christliche Himmel verweltlicht ist zur sittlichen Idee.
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griech. „Bocksgesang“, so genannt nach den im Kostüm bocksähnlicher Satyrn pko_049.037
auftretenden Chören des Dionysoskultes, aus dem das altgriechische Drama entstanden pko_049.038
ist.
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