Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.pko_035.001 pko_035.003 pko_035.010 3. Versschmuck. pko_035.011 A. Der Reim1) ist im Grunde Wortspiel, Spiel mit den Klangwerten pko_035.012 pko_035.030 1. Ob der Konsonantenreim, die sog. Alliteration, welche vor Einführung pko_035.031 1) pko_035.034
Das Wort "Reim" kommt her von rythmus, was im Mittellatein den nicht pko_035.035 quantitierenden, sondern alternierenden oder akzentuierenden (meist endreimenden) pko_035.036 Vers bezeichnet; daher hatte das mhd. reim zuerst die Bedeutung "Reim- pko_035.037 vers", die sich in Kehrreim (regelmäßig wiederkehrende Verszeile, Refrain) pko_035.038 bis heute erhalten hat. pko_035.001 pko_035.003 pko_035.010 3. Versschmuck. pko_035.011 A. Der Reim1) ist im Grunde Wortspiel, Spiel mit den Klangwerten pko_035.012 pko_035.030 1. Ob der Konsonantenreim, die sog. Alliteration, welche vor Einführung pko_035.031 1) pko_035.034
Das Wort „Reim“ kommt her von rythmus, was im Mittellatein den nicht pko_035.035 quantitierenden, sondern alternierenden oder akzentuierenden (meist endreimenden) pko_035.036 Vers bezeichnet; daher hatte das mhd. rîm zuerst die Bedeutung „Reim- pko_035.037 vers“, die sich in Kehrreim (regelmäßig wiederkehrende Verszeile, Refrain) pko_035.038 bis heute erhalten hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0039" n="35"/> <p><lb n="pko_035.001"/> Der Klassiker des Ghasels ist der Perser Hafis, deutsche Nachbildungen <lb n="pko_035.002"/> schufen Rückert, Platen, Leuthold u. a.</p> <p><lb n="pko_035.003"/> Die Einteilung und Benennung aller übrigen in deutscher Dichtung <lb n="pko_035.004"/> verwendeten Strophengebäude wird nicht nach ihren rhythmischen Verhältnissen <lb n="pko_035.005"/> vorgenommen, sondern ganz äußerlich nach der Zahl der <lb n="pko_035.006"/> zusammengefaßten Verse und der Art des sie bindenden Sprachschmucks <lb n="pko_035.007"/> (Reim, Assonanz, Alliteration). Die Fülle der Möglichkeiten ist da <lb n="pko_035.008"/> sehr groß; Annette von Droste-Hülshoff z. B. verwendet in rund 300 <lb n="pko_035.009"/> Gedichten mehr als 200 verschiedene Strophenformen.</p> </div> <div n="5"> <head> <hi rendition="#c"> <lb n="pko_035.010"/> <hi rendition="#i">3. Versschmuck.</hi> </hi> </head> <div n="6"> <lb n="pko_035.011"/> <head>A. <hi rendition="#i">Der Reim</hi><note xml:id="PKO_035_1" place="foot" n="1)"><lb n="pko_035.034"/> Das Wort „Reim“ kommt her von <hi rendition="#g">rythmus,</hi> was im Mittellatein den nicht <lb n="pko_035.035"/> quantitierenden, sondern alternierenden oder akzentuierenden (meist endreimenden) <lb n="pko_035.036"/> Vers bezeichnet; daher hatte das mhd. <hi rendition="#g">rîm</hi> zuerst die Bedeutung „Reim- <lb n="pko_035.037"/> <hi rendition="#g">vers</hi>“, die sich in <hi rendition="#g">Kehrreim</hi> (regelmäßig wiederkehrende Verszeile, Refrain) <lb n="pko_035.038"/> bis heute erhalten hat.</note></head> <p>ist im Grunde Wortspiel, Spiel mit den Klangwerten <lb n="pko_035.012"/> der Sprache; und zwar können zu diesem Spiel entweder bloße Einzellaute <lb n="pko_035.013"/> verwendet werden, Konsonanten (Alliteration) wie Vokale (Assonanz), <lb n="pko_035.014"/> oder die Verbindung von Konsonant und Vokal zu einer oder <lb n="pko_035.015"/> mehreren Silben (Silbenreim). Alle diese Klangspiele sind unrhythmische <lb n="pko_035.016"/> Größen und eigentlich erst aus Rhetorik und Stilistik in die <lb n="pko_035.017"/> Metrik gelangt. Die antike Verslehre kennt solchen Sprachschmuck überhaupt <lb n="pko_035.018"/> nicht, er wurde von den Alten nur in der Prosa, hauptsächlich <lb n="pko_035.019"/> zur Verzierung der <hi rendition="#i">Rede</hi> verwendet. Aus der gehobenen, rhetorischen <lb n="pko_035.020"/> Prosa, in der der Silben- oder Endreim eine immer mehr zunehmende <lb n="pko_035.021"/> Bedeutung erlangt hatte, vor allem aus der frühchristlichen Predigt, die <lb n="pko_035.022"/> mit psalmodierender (dem Gesang nahe kommender) Stimme vorgetragen <lb n="pko_035.023"/> wurde, kam er (seit etwa 600 n. Chr.) in die der Predigt verwandte <lb n="pko_035.024"/> mittellateinische Hymnenpoesie und von hier in die geistliche <lb n="pko_035.025"/> deutsche Dichtung; das erste größere Reimwerk unseres Schrifttums <lb n="pko_035.026"/> war Otfrids Evangelienharmonie (um 870). Der Endreim, das ohr- und <lb n="pko_035.027"/> augenfälligste Kennzeichen nahezu aller gebundenen deutschen Rede, <lb n="pko_035.028"/> nach der (unzutreffenden) Vulgärmeinung das wesentlichste Kennzeichen <lb n="pko_035.029"/> deutscher Dichtung überhaupt, ist also ein Geschenk der Kirche.</p> <div n="7"> <lb n="pko_035.030"/> <head>1.</head> <p> Ob der Konsonantenreim, die sog. <hi rendition="#i">Alliteration,</hi> welche vor Einführung <lb n="pko_035.031"/> des Endreims im deutschen Vers (und im altgermanischen überhaupt) <lb n="pko_035.032"/> das einzige Bindungsmittel ausmachte, selbständige (autochthone) <lb n="pko_035.033"/> Schöpfung war oder gleichfalls antikem Brauche nachgebildet wurde, ist </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0039]
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Der Klassiker des Ghasels ist der Perser Hafis, deutsche Nachbildungen pko_035.002
schufen Rückert, Platen, Leuthold u. a.
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Die Einteilung und Benennung aller übrigen in deutscher Dichtung pko_035.004
verwendeten Strophengebäude wird nicht nach ihren rhythmischen Verhältnissen pko_035.005
vorgenommen, sondern ganz äußerlich nach der Zahl der pko_035.006
zusammengefaßten Verse und der Art des sie bindenden Sprachschmucks pko_035.007
(Reim, Assonanz, Alliteration). Die Fülle der Möglichkeiten ist da pko_035.008
sehr groß; Annette von Droste-Hülshoff z. B. verwendet in rund 300 pko_035.009
Gedichten mehr als 200 verschiedene Strophenformen.
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3. Versschmuck. pko_035.011
A. Der Reim 1)ist im Grunde Wortspiel, Spiel mit den Klangwerten pko_035.012
der Sprache; und zwar können zu diesem Spiel entweder bloße Einzellaute pko_035.013
verwendet werden, Konsonanten (Alliteration) wie Vokale (Assonanz), pko_035.014
oder die Verbindung von Konsonant und Vokal zu einer oder pko_035.015
mehreren Silben (Silbenreim). Alle diese Klangspiele sind unrhythmische pko_035.016
Größen und eigentlich erst aus Rhetorik und Stilistik in die pko_035.017
Metrik gelangt. Die antike Verslehre kennt solchen Sprachschmuck überhaupt pko_035.018
nicht, er wurde von den Alten nur in der Prosa, hauptsächlich pko_035.019
zur Verzierung der Rede verwendet. Aus der gehobenen, rhetorischen pko_035.020
Prosa, in der der Silben- oder Endreim eine immer mehr zunehmende pko_035.021
Bedeutung erlangt hatte, vor allem aus der frühchristlichen Predigt, die pko_035.022
mit psalmodierender (dem Gesang nahe kommender) Stimme vorgetragen pko_035.023
wurde, kam er (seit etwa 600 n. Chr.) in die der Predigt verwandte pko_035.024
mittellateinische Hymnenpoesie und von hier in die geistliche pko_035.025
deutsche Dichtung; das erste größere Reimwerk unseres Schrifttums pko_035.026
war Otfrids Evangelienharmonie (um 870). Der Endreim, das ohr- und pko_035.027
augenfälligste Kennzeichen nahezu aller gebundenen deutschen Rede, pko_035.028
nach der (unzutreffenden) Vulgärmeinung das wesentlichste Kennzeichen pko_035.029
deutscher Dichtung überhaupt, ist also ein Geschenk der Kirche.
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1. Ob der Konsonantenreim, die sog. Alliteration, welche vor Einführung pko_035.031
des Endreims im deutschen Vers (und im altgermanischen überhaupt) pko_035.032
das einzige Bindungsmittel ausmachte, selbständige (autochthone) pko_035.033
Schöpfung war oder gleichfalls antikem Brauche nachgebildet wurde, ist
1) pko_035.034
Das Wort „Reim“ kommt her von rythmus, was im Mittellatein den nicht pko_035.035
quantitierenden, sondern alternierenden oder akzentuierenden (meist endreimenden) pko_035.036
Vers bezeichnet; daher hatte das mhd. rîm zuerst die Bedeutung „Reim- pko_035.037
vers“, die sich in Kehrreim (regelmäßig wiederkehrende Verszeile, Refrain) pko_035.038
bis heute erhalten hat.
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