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Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.

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II. PROSODIK.

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Die akustischen (klanglichen) Elemente der Sprache kommen in Vers pko_021.003
und Prosa gleichermaßen zur Geltung; das Unterscheidende liegt allein pko_021.004
darin, daß jene Elemente im Vers festen Gesetzen unterworfen werden pko_021.005
(gebundene Rede), während sie in der Prosa mehr oder weniger frei pko_021.006
bleiben (ungebundene Rede). Wenn jede systematische Gliederung sinnlich pko_021.007
wahrnehmbarer Vorgänge, die durch Abstufung der Schwere- pko_021.008
Elemente und Abstandszeiten sowie durch ordnende Zusammenfassung pko_021.009
der Glieder erfolgt, Rhythmus1) (griech. "gleichmäßige Bewegung") pko_021.010
genannt werden kann, so eignet er auch aller in künstlerischen Absichten pko_021.011
und Wirkungen sich ergehenden Prosa. Nur daß er hier minder bewußt, pko_021.012
minder willkürlich hervorgebracht wird als in der, vorgegebenen Gesetzen pko_021.013
gehorsamen, gebundenen Rede. Aber alle großen Prosa-Meister pko_021.014
kannten und wollten ihn; Goethe belehrte den Schauspieler Heinrich pko_021.015
Franke, daß "beim Lesen und erst recht beim Sprechen eines gut gebauten pko_021.016
schönen Satzes eine stille Melodie mitschwingt"; Flaubert berichtet pko_021.017
von sich, daß ihm der Rhythmus seiner Sätze bisweilen schon vorschwebte, pko_021.018
ehe er sich über ihren Inhalt im Klaren war2); Schleiermacher pko_021.019
baute die Prosa seiner "Monologen" eingestandenermaßen nach pko_021.020
rhythmischen Gesichtspunkten; Nietzsche wußte und erklärte, daß Prosa pko_021.021
sich nicht leichter, sondern eher schwerer schreibe als Verse, daß man pko_021.022
"an einer Seite Prosa wie an einer Bildsäule arbeiten" müsse, daß der pko_021.023
Takt des guten Prosaikers darin bestehe, "dicht an die Poesie heranzutreten, pko_021.024
aber niemals zu ihr überzutreten". Es mit Fachworten auszudrücken, pko_021.025
die umstehend ihre Erklärung finden sollen: es gilt, aus pko_021.026
dem Numerus nicht ins Metrum zu fallen.

1) pko_021.027
Der Ursprung des Rhythmus wird wohl in dem (symmetrischen) Bau und den pko_021.028
periodischen (Herz- und Atem-)Bewegungen des menschlichen Körpers zu suchen pko_021.029
sein; von hier geht die allgemeine Tendenz zur Rhythmisierung sämtlicher Bewegungen pko_021.030
und Tätigkeiten (Marsch, Tanz, Rudern, Schmieden, überhaupt aller pko_021.031
regelmäßigen Arbeitsverrichtungen) aus; wahrscheinlich ist das gesamte Dasein pko_021.032
und Universum rhythmisch organisiert (Ebbe und Flut, Tages- und Jahreszeiten, pko_021.033
Gestirnbewegung).
2) pko_021.034
Vgl. die ähnlichen Äußerungen Schillers über seine poetische Produktion: "Das pko_021.035
Musikalische eines Gedichtes schwebt mir weit öfter vor der Seele, wenn ich mich pko_021.036
hinsetze, es zu machen, als der klare Begriff von Inhalt" (an Körner 25. Mai pko_021.037
1792); "bei mir ist die Empfindung anfangs ohne bestimmten und klaren Gegenstand; pko_021.038
dieser bildet sich erst später. Eine gewisse musikalische Gemütsstimmung pko_021.039
geht vorher, und auf diese folgt bei mir erst die poetische Idee" (an Goethe pko_021.040
18. März 1796).
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Die akustischen (klanglichen) Elemente der Sprache kommen in Vers pko_021.003
und Prosa gleichermaßen zur Geltung; das Unterscheidende liegt allein pko_021.004
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genannt werden kann, so eignet er auch aller in künstlerischen Absichten pko_021.011
und Wirkungen sich ergehenden Prosa. Nur daß er hier minder bewußt, pko_021.012
minder willkürlich hervorgebracht wird als in der, vorgegebenen Gesetzen pko_021.013
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Franke, daß „beim Lesen und erst recht beim Sprechen eines gut gebauten pko_021.016
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baute die Prosa seiner „Monologen“ eingestandenermaßen nach pko_021.020
rhythmischen Gesichtspunkten; Nietzsche wußte und erklärte, daß Prosa pko_021.021
sich nicht leichter, sondern eher schwerer schreibe als Verse, daß man pko_021.022
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Takt des guten Prosaikers darin bestehe, „dicht an die Poesie heranzutreten, pko_021.024
aber niemals zu ihr überzutreten“. Es mit Fachworten auszudrücken, pko_021.025
die umstehend ihre Erklärung finden sollen: es gilt, aus pko_021.026
dem Numerus nicht ins Metrum zu fallen.

1) pko_021.027
Der Ursprung des Rhythmus wird wohl in dem (symmetrischen) Bau und den pko_021.028
periodischen (Herz- und Atem-)Bewegungen des menschlichen Körpers zu suchen pko_021.029
sein; von hier geht die allgemeine Tendenz zur Rhythmisierung sämtlicher Bewegungen pko_021.030
und Tätigkeiten (Marsch, Tanz, Rudern, Schmieden, überhaupt aller pko_021.031
regelmäßigen Arbeitsverrichtungen) aus; wahrscheinlich ist das gesamte Dasein pko_021.032
und Universum rhythmisch organisiert (Ebbe und Flut, Tages- und Jahreszeiten, pko_021.033
Gestirnbewegung).
2) pko_021.034
Vgl. die ähnlichen Äußerungen Schillers über seine poetische Produktion: „Das pko_021.035
Musikalische eines Gedichtes schwebt mir weit öfter vor der Seele, wenn ich mich pko_021.036
hinsetze, es zu machen, als der klare Begriff von Inhalt“ (an Körner 25. Mai pko_021.037
1792); „bei mir ist die Empfindung anfangs ohne bestimmten und klaren Gegenstand; pko_021.038
dieser bildet sich erst später. Eine gewisse musikalische Gemütsstimmung pko_021.039
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Zitationshilfe: Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koerner_poetik_1949/25>, abgerufen am 24.11.2024.