Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.pko_013.001 pko_013.003 "Und ich erwart' es, daß der Rache Stahl / Auch schon für meine Brust pko_013.009 geschliffen ist. / Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät, / Erfreuliches pko_013.010 zu ernten. Jede Untat / Trägt ihren eignen Racheengel schon / Die böse pko_013.011 Hoffnung, / unter ihrem Herzen" (Schiller: Wallensteins Tod). [Annotation] pko_013.012 4. Die Hyperbel (vom griech. hyperbole "Ueberschuß") ist ein übertreibender pko_013.013 pko_013.001 pko_013.003 „Und ich erwart' es, daß der Rache Stahl / Auch schon für meine Brust pko_013.009 geschliffen ist. / Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät, / Erfreuliches pko_013.010 zu ernten. Jede Untat / Trägt ihren eignen Racheengel schon / Die böse pko_013.011 Hoffnung, / unter ihrem Herzen“ (Schiller: Wallensteins Tod). [Annotation] pko_013.012 4. Die Hyperbel (vom griech. hyperbolé „Ueberschuß“) ist ein übertreibender pko_013.013 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0017" n="13"/><lb n="pko_013.001"/> denn, wenn alle Stricke gerissen sind?); „die <hi rendition="#i">baumlosen</hi> Straßen <lb n="pko_013.002"/> bilden die <hi rendition="#i">Schattenseite</hi> der Stadt“. <anchor xml:id="ko032"/> <note targetEnd="#ko032" type="metapher" ana="#m1-0-1-2" target="#ko031"/> </p> <p><lb n="pko_013.003"/><anchor xml:id="ko033"/> Bei Dichtern, denen es weniger auf Anschaulichkeit, als auf ausdrucksreiche <lb n="pko_013.004"/> Sprachgebärde ankommt (Andreas Gryphius, Schiller), stören <lb n="pko_013.005"/> auch die stärksten Katachresen nicht die pathetische Wirkung; die Bilder <lb n="pko_013.006"/> wirken dann eben als bloße Metaphern, und hinter ihrer figürlichen <lb n="pko_013.007"/> Bedeutung scheint die ursprüngliche sinnliche nicht mehr auf. <anchor xml:id="ko034"/> <note targetEnd="#ko034" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-2-5 #m1-3-2-0 #m1-7-2-2 #m1-9-2" target="#ko033"> Quelle/Personen: Name1: Andreas Gryphius; (Name2: Schiller); Katachrese kann hier als Unterkategorie der Metapher angesehen werden.</note> <anchor xml:id="ko035"/> Beispiel: <lb n="pko_013.008"/> „Und ich erwart' es, daß der Rache Stahl / Auch schon für <hi rendition="#i">meine</hi> Brust <lb n="pko_013.009"/> geschliffen ist. / Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät, / Erfreuliches <lb n="pko_013.010"/> zu ernten. Jede Untat / Trägt ihren eignen Racheengel schon / Die böse <lb n="pko_013.011"/> Hoffnung, / unter ihrem Herzen“ (Schiller: Wallensteins Tod). <anchor xml:id="ko036"/> <note targetEnd="#ko036" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-1-0 #m1-3-1-9 #m1-4-1-0 #m1-7-2-2 #m1-9-2" target="#ko035"> Quelle/Werk: Wallenstein</note> </p> </div> <div n="5"> <lb n="pko_013.012"/> <head>4. <hi rendition="#i">Die Hyperbel</hi></head> <p>(vom griech. hyperbolé „Ueberschuß“) ist ein übertreibender <lb n="pko_013.013"/> Vergleich; sie übertreibt die Wirklichkeit bald ins Erhabene <lb n="pko_013.014"/> durch Vergrößerung („himmelhochragende Felsen“), bald ins Humoristische <lb n="pko_013.015"/> durch Verkleinerung („der große Teich“ = atlantischer <lb n="pko_013.016"/> Ozean). Jedes Schimpfwort kann als Beispiel dienen; „Esel“ etwa ist <lb n="pko_013.017"/> hyperbolischer Ausdruck für einen hohen, unmenschlich scheinenden <lb n="pko_013.018"/> Grad von Dummheit und Störrigkeit. Die Hyperbel ist eine Lieblingsfigur <lb n="pko_013.019"/> pathetischer (Shakespeare, Schiller, Hebbel, V. Hugo) wie komischer <lb n="pko_013.020"/> Dichtung (Shakespeare, Jean Paul); zu viele und zu hochgesteigerte <lb n="pko_013.021"/> Hyperbeln machen den Stil schwülstig. Beispiele: „O ich möchte den <lb n="pko_013.022"/> Ozean vergiften, daß sie den Tod aus allen Quellen saufen! — — o daß <lb n="pko_013.023"/> ich durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs blasen könnte, Luft, <lb n="pko_013.024"/> Erde und Meer wider das Hyänengezücht in das Treffen zu führen!“ <lb n="pko_013.025"/> (Schiller: Räuber). „Ich will das Zauberwort einer günstigen Rezension <lb n="pko_013.026"/> einem knirschenden Werwolfe vorhalten: — sofort steht er als ein lekkendes <lb n="pko_013.027"/> Lamm mit quirlendem Schwänzchen vor mir“ (Jean Paul: <lb n="pko_013.028"/> Titan). Die Umkehrung der Hyperbel heißt <hi rendition="#i">Litotes</hi> (griech. „Geringfügigkeit“); <lb n="pko_013.029"/> sie bewirkt Nachdruck durch Anwendung eines scheinbar <lb n="pko_013.030"/> schwächeren Ausdrucks, sagt weniger, als gesagt werden müßte. Gewöhnlich <lb n="pko_013.031"/> wird das Gemeinte bezeichnet durch Verneinung seines Gegenteils: <lb n="pko_013.032"/> „nicht wenig“ = viel; „nicht gut“ = schlecht; „Die schlecht'sten Früchte <lb n="pko_013.033"/> sind es nicht, woran die Wespen nagen“ (Bürger); „Sie ist die erste <lb n="pko_013.034"/> nicht!“ (= sondern eine von vielen) (Goethe: Faust). — Schreitet die <lb n="pko_013.035"/> Litotes in der Abschwächung bis zum geraden Gegenteil dessen fort, <lb n="pko_013.036"/> was eigentlich zu sagen war, so entsteht <hi rendition="#i">Ironie</hi> (Sokrates, Deutsche Romantik); <lb n="pko_013.037"/> diese liegt allem Hänseln und Frotzeln der Alltagssprache </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0017]
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denn, wenn alle Stricke gerissen sind?); „die baumlosen Straßen pko_013.002
bilden die Schattenseite der Stadt“.
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Bei Dichtern, denen es weniger auf Anschaulichkeit, als auf ausdrucksreiche pko_013.004
Sprachgebärde ankommt (Andreas Gryphius, Schiller), stören pko_013.005
auch die stärksten Katachresen nicht die pathetische Wirkung; die Bilder pko_013.006
wirken dann eben als bloße Metaphern, und hinter ihrer figürlichen pko_013.007
Bedeutung scheint die ursprüngliche sinnliche nicht mehr auf. Quelle/Personen: Name1: Andreas Gryphius; (Name2: Schiller); Katachrese kann hier als Unterkategorie der Metapher angesehen werden. Beispiel: pko_013.008
„Und ich erwart' es, daß der Rache Stahl / Auch schon für meine Brust pko_013.009
geschliffen ist. / Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät, / Erfreuliches pko_013.010
zu ernten. Jede Untat / Trägt ihren eignen Racheengel schon / Die böse pko_013.011
Hoffnung, / unter ihrem Herzen“ (Schiller: Wallensteins Tod). Quelle/Werk: Wallenstein
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4. Die Hyperbel(vom griech. hyperbolé „Ueberschuß“) ist ein übertreibender pko_013.013
Vergleich; sie übertreibt die Wirklichkeit bald ins Erhabene pko_013.014
durch Vergrößerung („himmelhochragende Felsen“), bald ins Humoristische pko_013.015
durch Verkleinerung („der große Teich“ = atlantischer pko_013.016
Ozean). Jedes Schimpfwort kann als Beispiel dienen; „Esel“ etwa ist pko_013.017
hyperbolischer Ausdruck für einen hohen, unmenschlich scheinenden pko_013.018
Grad von Dummheit und Störrigkeit. Die Hyperbel ist eine Lieblingsfigur pko_013.019
pathetischer (Shakespeare, Schiller, Hebbel, V. Hugo) wie komischer pko_013.020
Dichtung (Shakespeare, Jean Paul); zu viele und zu hochgesteigerte pko_013.021
Hyperbeln machen den Stil schwülstig. Beispiele: „O ich möchte den pko_013.022
Ozean vergiften, daß sie den Tod aus allen Quellen saufen! — — o daß pko_013.023
ich durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs blasen könnte, Luft, pko_013.024
Erde und Meer wider das Hyänengezücht in das Treffen zu führen!“ pko_013.025
(Schiller: Räuber). „Ich will das Zauberwort einer günstigen Rezension pko_013.026
einem knirschenden Werwolfe vorhalten: — sofort steht er als ein lekkendes pko_013.027
Lamm mit quirlendem Schwänzchen vor mir“ (Jean Paul: pko_013.028
Titan). Die Umkehrung der Hyperbel heißt Litotes (griech. „Geringfügigkeit“); pko_013.029
sie bewirkt Nachdruck durch Anwendung eines scheinbar pko_013.030
schwächeren Ausdrucks, sagt weniger, als gesagt werden müßte. Gewöhnlich pko_013.031
wird das Gemeinte bezeichnet durch Verneinung seines Gegenteils: pko_013.032
„nicht wenig“ = viel; „nicht gut“ = schlecht; „Die schlecht'sten Früchte pko_013.033
sind es nicht, woran die Wespen nagen“ (Bürger); „Sie ist die erste pko_013.034
nicht!“ (= sondern eine von vielen) (Goethe: Faust). — Schreitet die pko_013.035
Litotes in der Abschwächung bis zum geraden Gegenteil dessen fort, pko_013.036
was eigentlich zu sagen war, so entsteht Ironie (Sokrates, Deutsche Romantik); pko_013.037
diese liegt allem Hänseln und Frotzeln der Alltagssprache
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