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Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.

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in Wortklängen symbolisiert, jene nicht nur begrifflich verstehbar, pko_006.002
sondern auch sinnlich vernehmbar. Dies erst macht menschliche Rede pko_006.003
zur Sprachkunst. Solche Sprachkunst erscheint natürlich nicht erst im pko_006.004
Schrifttum der Hochkulturen; sie ist gleichzeitig mit der Sprache überhaupt pko_006.005
entstanden, die sich erst spät, und niemals völlig, in Gebrauchs- pko_006.006
und Kunstsprache geschieden hat, sodaß diese Scheidung auch heute pko_006.007
nicht streng durchführbar ist. In jedem Sprachgebilde sind beide Sprachschichten pko_006.008
anzutreffen, nur ihr gegenseitiges Verhältnis wechselt.

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Das Doppelgesicht der Sprache, ihr Gebrauchscharakter einer- und pko_006.010
ihr Kunstcharakter andererseits, ist immer schon wahrgenommen oder pko_006.011
mindestens gefühlt worden, aber die Theorie hat sich lange vergeblich pko_006.012
bemüht, den Unterschied richtig zu erfassen. Irrtümlich vermengte man pko_006.013
die gegensätzlichen Wesensbegriffe Poesie und Nichtpoesie mit den pko_006.014
gegensätzlichen Formbegriffen Vers (gebundene Rede) und Prosa pko_006.015
(ungebundene Rede); freilich wurde, wie Cicero berichtet, schon von pko_006.016
einigen antiken Kennern die Prosa des Plato wegen ihres hinreißenden pko_006.017
Schwungs und der hell aufgesetzten Lichter der Sprache ("quod incitatius pko_006.018
feratur et clarissimis verborum luminibus utatur") für poetischer pko_006.019
gehalten als die Komödiendichter, welche trotz des Verses nur pko_006.020
die alltägliche Umgangssprache redeten. In Wahrheit sind als Poesie pko_006.021
alle (gebundenen wie ungebundenen) sprachlichen Gebilde anzusehen, die pko_006.022
zweckfreie künstlerische Wirkungen anstreben oder auslösen; zur Nichtpoesie pko_006.023
gehören sämtliche Sprachprodukte, die praktischen oder theoretischen pko_006.024
Zwecken dienen. Gereimte Merkverse zur leichteren Einprägung pko_006.025
grammatischer Regeln oder irgend einer hausbackenen Werk- und pko_006.026
Lebensweisheit1) haben demnach mit Poesie gar nichts zu tun, meisterliche pko_006.027
Prosasätze eines Stilkünstlers sind zur Gänze poetisch2). Jene teilen pko_006.028
eben nur einen Inhalt mit, diese bringen ein Erlebnis zum Ausdruck. In pko_006.029
solcher Weise haben die beiden größten Dichter der Deutschen das

1) pko_006.030
Was man nicht deklinieren kann, pko_006.031
Das sieht man als ein Neutrum an.
(Der kleine Lateiner.) pko_006.032
Schlechte und verdorbne Sachen pko_006.033
Sind durch Klugheit gut zu machen. pko_006.034
Hab ich nur immer gutes Brot, pko_006.035
Hat's mit dem Hunger keine Not
(Rudolf Zacharias Becker: Das Noth- und pko_006.036
Hilfsbüchlein, Gotha 1833).
2) pko_006.037
"Eines zu sein mit allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit wiederzukehren pko_006.038
ins All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden, pko_006.039
das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag pko_006.040
seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert, und das kochende pko_006.041
Meer der Woge des Kornfeldes gleicht" (Hölderlin: Hyperion).

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in Wortklängen symbolisiert, jene nicht nur begrifflich verstehbar, pko_006.002
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und Kunstsprache geschieden hat, sodaß diese Scheidung auch heute pko_006.007
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anzutreffen, nur ihr gegenseitiges Verhältnis wechselt.

pko_006.009
Das Doppelgesicht der Sprache, ihr Gebrauchscharakter einer- und pko_006.010
ihr Kunstcharakter andererseits, ist immer schon wahrgenommen oder pko_006.011
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Das sieht man als ein Neutrum an.
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Hat's mit dem Hunger keine Not
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Zitationshilfe: Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koerner_poetik_1949/10>, abgerufen am 27.11.2024.