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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane.

Wir kommen nun zur Schilderung der Entwicklung der Aus-Ausführungs-
gänge der
Geschlechts-
drüsen.

führungsgänge der Geschlechtsdrüsen und haben hier vor Allem von
einem Kanale zu handeln, der einige Zeit nach der Entstehung der
Urniere in der ganzen Länge neben dem Wolff'schen Gange entsteht
und gewöhnlich der Müller'sche Gang heisst. Dieser Kanal liegt, wennMüller'scher
Gang oder
Geschlechtsgang.

vollkommen ausgebildet, an der inneren vorderen Seite des Wolff'-
schen Ganges vor der Primordialniere und erstreckt sich wie dieser
bis ans obere Ende der Drüse, wo er leicht kolbig angeschwollen
endigt (Fig. 215, m'). Am unteren Ende der Primordialniere wenden
sich die Müller'schen oder Geschlechtsgänge, wie dieselben auch
heissen können, ganz an die innere und dann an die hintere Seite
der Wolff'schen Gänge, kommen hierbei dicht nebeneinander zu
liegen und münden dicht beisammen in das untere Ende der Harn-
blase ein, das von nun an den Namen Sinus urogenitalis führt. DieSinus
urogenitalis.

Entwicklung dieser Müller'schen Gänge, die, wenn sie ganz ausge-
bildet sind, wie die Wolff'schen Gänge in der Peritonealhülle der
Wolff'schen Körper drin liegen, ohne eine abgegrenzte Faserhaut
erkennen zu lassen und von einem cylindrischen einschichtigen Epi-
thel ausgekleidet sind, ist eine sehr eigenthümliche. Wie Rathke
zuerst angegeben (Meck. Arch. 1832. St. 382), entstehen dieselben
in der ganzen Länge der Wolff'schen Gänge auf einmal
und sind zuerst ohne Höhlung,
eine Bildungsweise, die bei
Drüsenausführungsgängen, denn die fraglichen Kanäle sind nichts
anderes, auf jeden Fall sehr auffallend ist. Sie werden sich jedoch
erinnern, dass diess doch nicht das erste Mal ist, dass bei Drüsen-
hohlräumen ein ähnlicher Bildungsvorgang uns entgegen tritt, denn
gerade von den Ausführungsgängen der Urnieren selbst waren wir
im Falle nachzuweisen (s. Vorl. XVI), dass dieselben weder von dem
Hornblatte noch von dem Darmdrüsenblatte abstammen, vielmehr
als anfänglich solide Zellenstränge aus Theilen des mittleren Keim-
blattes sich anlegen und erst in zweiter Linie eine Höhlung erhalten.
Wenn Sie dann ferner bedenken wollen, dass die Drüsen, zu denen
ja die Müller'schen Gänge recht eigentlich gehören, die Hoden und
Eierstöcke nämlich, ebenfalls in der Peritonealhülle der Urnieren
entstehen und ihre Drüsenkanäle und Drüsenblasen auch ganz unab-
hängig von den beiden epithelialen Blättern des Keimes erzeugen,
so wird Ihnen noch weniger auffallen, dass derselbe Bildungsmodus
auch hier sich findet. Es ist nämlich in der That nicht zu bezwei-
feln, dass die Müller'schen Gänge anfänglich solid sind, wie diess

Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane.

Wir kommen nun zur Schilderung der Entwicklung der Aus-Ausführungs-
gänge der
Geschlechts-
drüsen.

führungsgänge der Geschlechtsdrüsen und haben hier vor Allem von
einem Kanale zu handeln, der einige Zeit nach der Entstehung der
Urniere in der ganzen Länge neben dem Wolff’schen Gange entsteht
und gewöhnlich der Müller’sche Gang heisst. Dieser Kanal liegt, wennMüller’scher
Gang oder
Geschlechtsgang.

vollkommen ausgebildet, an der inneren vorderen Seite des Wolff’-
schen Ganges vor der Primordialniere und erstreckt sich wie dieser
bis ans obere Ende der Drüse, wo er leicht kolbig angeschwollen
endigt (Fig. 215, m′). Am unteren Ende der Primordialniere wenden
sich die Müller’schen oder Geschlechtsgänge, wie dieselben auch
heissen können, ganz an die innere und dann an die hintere Seite
der Wolff’schen Gänge, kommen hierbei dicht nebeneinander zu
liegen und münden dicht beisammen in das untere Ende der Harn-
blase ein, das von nun an den Namen Sinus urogenitalis führt. DieSinus
urogenitalis.

Entwicklung dieser Müller’schen Gänge, die, wenn sie ganz ausge-
bildet sind, wie die Wolff’schen Gänge in der Peritonealhülle der
Wolff’schen Körper drin liegen, ohne eine abgegrenzte Faserhaut
erkennen zu lassen und von einem cylindrischen einschichtigen Epi-
thel ausgekleidet sind, ist eine sehr eigenthümliche. Wie Rathke
zuerst angegeben (Meck. Arch. 1832. St. 382), entstehen dieselben
in der ganzen Länge der Wolff’schen Gänge auf einmal
und sind zuerst ohne Höhlung,
eine Bildungsweise, die bei
Drüsenausführungsgängen, denn die fraglichen Kanäle sind nichts
anderes, auf jeden Fall sehr auffallend ist. Sie werden sich jedoch
erinnern, dass diess doch nicht das erste Mal ist, dass bei Drüsen-
hohlräumen ein ähnlicher Bildungsvorgang uns entgegen tritt, denn
gerade von den Ausführungsgängen der Urnieren selbst waren wir
im Falle nachzuweisen (s. Vorl. XVI), dass dieselben weder von dem
Hornblatte noch von dem Darmdrüsenblatte abstammen, vielmehr
als anfänglich solide Zellenstränge aus Theilen des mittleren Keim-
blattes sich anlegen und erst in zweiter Linie eine Höhlung erhalten.
Wenn Sie dann ferner bedenken wollen, dass die Drüsen, zu denen
ja die Müller’schen Gänge recht eigentlich gehören, die Hoden und
Eierstöcke nämlich, ebenfalls in der Peritonealhülle der Urnieren
entstehen und ihre Drüsenkanäle und Drüsenblasen auch ganz unab-
hängig von den beiden epithelialen Blättern des Keimes erzeugen,
so wird Ihnen noch weniger auffallen, dass derselbe Bildungsmodus
auch hier sich findet. Es ist nämlich in der That nicht zu bezwei-
feln, dass die Müller’schen Gänge anfänglich solid sind, wie diess

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[441/0457] Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. Wir kommen nun zur Schilderung der Entwicklung der Aus- führungsgänge der Geschlechtsdrüsen und haben hier vor Allem von einem Kanale zu handeln, der einige Zeit nach der Entstehung der Urniere in der ganzen Länge neben dem Wolff’schen Gange entsteht und gewöhnlich der Müller’sche Gang heisst. Dieser Kanal liegt, wenn vollkommen ausgebildet, an der inneren vorderen Seite des Wolff’- schen Ganges vor der Primordialniere und erstreckt sich wie dieser bis ans obere Ende der Drüse, wo er leicht kolbig angeschwollen endigt (Fig. 215, m′). Am unteren Ende der Primordialniere wenden sich die Müller’schen oder Geschlechtsgänge, wie dieselben auch heissen können, ganz an die innere und dann an die hintere Seite der Wolff’schen Gänge, kommen hierbei dicht nebeneinander zu liegen und münden dicht beisammen in das untere Ende der Harn- blase ein, das von nun an den Namen Sinus urogenitalis führt. Die Entwicklung dieser Müller’schen Gänge, die, wenn sie ganz ausge- bildet sind, wie die Wolff’schen Gänge in der Peritonealhülle der Wolff’schen Körper drin liegen, ohne eine abgegrenzte Faserhaut erkennen zu lassen und von einem cylindrischen einschichtigen Epi- thel ausgekleidet sind, ist eine sehr eigenthümliche. Wie Rathke zuerst angegeben (Meck. Arch. 1832. St. 382), entstehen dieselben in der ganzen Länge der Wolff’schen Gänge auf einmal und sind zuerst ohne Höhlung, eine Bildungsweise, die bei Drüsenausführungsgängen, denn die fraglichen Kanäle sind nichts anderes, auf jeden Fall sehr auffallend ist. Sie werden sich jedoch erinnern, dass diess doch nicht das erste Mal ist, dass bei Drüsen- hohlräumen ein ähnlicher Bildungsvorgang uns entgegen tritt, denn gerade von den Ausführungsgängen der Urnieren selbst waren wir im Falle nachzuweisen (s. Vorl. XVI), dass dieselben weder von dem Hornblatte noch von dem Darmdrüsenblatte abstammen, vielmehr als anfänglich solide Zellenstränge aus Theilen des mittleren Keim- blattes sich anlegen und erst in zweiter Linie eine Höhlung erhalten. Wenn Sie dann ferner bedenken wollen, dass die Drüsen, zu denen ja die Müller’schen Gänge recht eigentlich gehören, die Hoden und Eierstöcke nämlich, ebenfalls in der Peritonealhülle der Urnieren entstehen und ihre Drüsenkanäle und Drüsenblasen auch ganz unab- hängig von den beiden epithelialen Blättern des Keimes erzeugen, so wird Ihnen noch weniger auffallen, dass derselbe Bildungsmodus auch hier sich findet. Es ist nämlich in der That nicht zu bezwei- feln, dass die Müller’schen Gänge anfänglich solid sind, wie diess Ausführungs- gänge der Geschlechts- drüsen. Müller’scher Gang oder Geschlechtsgang. Sinus urogenitalis.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/457>, abgerufen am 27.11.2024.