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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Nervensystems.
Nerven in dieser Weise entstehen, indem wenn auch die höheren
Sinnesorgane aus dem Gehirne sich bilden, so doch die Bauch- und
Rückenplatten, d. h. die Theile, in denen die Spinalnerven sich aus-
breiten, unabhängig vom Rückenmarke entstehen. V. Baer erklärt,
es sei ihm ebenso unwahrscheinlich, dass die Nerven aus den Mus-
keln oder den anderen Organen in den Centraltheil hinein wachsen,
als das Entgegengesetzte und spricht sich dahin aus (vergl. auch
II. St. 102), dass die Nerven durch histologische Sonderung da sich
bilden, wo sie sich finden und gleich von Anfang an mit Ursprung
und Ende angelegt werden, so dass keine Verwachsung ursprüng-
lich getrennter Theile irgendwo sich finde. Zu dieser zweiten Auf-
stellung, welcher bald die Mehrzahl der Forscher huldigte und die
auch in den Handbüchern ihre Vertretung fand (S. Bischoff, Entw.
St. 197), gesellte sich nun nach und nach eine dritte, die in ihren
Anfängen auf Serres zurückgeht, nach welcher die peripherischen
Nerven ganz selbständig sich bilden und erst in zweiter Linie mit
Hirn und Mark verwachsen sollen (Anat. comp. du cerveau, Paris
1824. I. pag. 249 u. flgde., 346 u. flgde., 503). Die Gründe, die
Serres vorbrachte, waren jedoch so mangelhaft, dass es begreiflich
ist, dass seine Hypothese nicht den geringsten Anklang fand und
schon von Tiedemann als irrig und keiner Widerlegung werth erklärt
wurde. Und doch liegt, was jedoch Serres keineswegs als Verdienst
angerechnet werden kann, in derselben etwas ganz Wahres und
hätte Tiedemann offenbar besser gethan, sich etwas vorsichtiger zu
äussern, um so mehr, da er selbst nach seinen Erfahrungen (l. c.
St. 25) für eine selbständige Entstehung des Sympathicus sich aus-
spricht. In der That haben die neuesten Untersuchungen unerwar-
teter Weise nun wirklich Thatsachen ans Licht gefördert, die zeigen,
dass das Nervensystem weder in allen seinen Theilen selbständig,
wie v. Baer glaubte, noch einzig und allein vom Gehirn und Mark
aus sich entwickelt. Remak war der Erste, der an der Hand seiner
embryologischen Untersuchungen beim Hühnchen zeigte, dass so-
wohl die Ganglien gewisser Kopfnerven (des V. VII. VIII. IX. und
X. Paares) als auch diejenigen aller Spinalnerven ganz selbständig
entstehen und ursprünglich ohne alle Verbindung mit dem Central-
nervensysteme sind, und ferner wahrscheinlich machte, dass auch
gewisse Theile des Sympathicus unabhängig von den anderen peri-
pherischen Nerven sich entwickeln (Ueber ein selbst. Darmnerven-
system, Berlin 1847. St. 23 u. flgde., und Untersuchung. z. Entw.

Entwicklung des Nervensystems.
Nerven in dieser Weise entstehen, indem wenn auch die höheren
Sinnesorgane aus dem Gehirne sich bilden, so doch die Bauch- und
Rückenplatten, d. h. die Theile, in denen die Spinalnerven sich aus-
breiten, unabhängig vom Rückenmarke entstehen. V. Baer erklärt,
es sei ihm ebenso unwahrscheinlich, dass die Nerven aus den Mus-
keln oder den anderen Organen in den Centraltheil hinein wachsen,
als das Entgegengesetzte und spricht sich dahin aus (vergl. auch
II. St. 102), dass die Nerven durch histologische Sonderung da sich
bilden, wo sie sich finden und gleich von Anfang an mit Ursprung
und Ende angelegt werden, so dass keine Verwachsung ursprüng-
lich getrennter Theile irgendwo sich finde. Zu dieser zweiten Auf-
stellung, welcher bald die Mehrzahl der Forscher huldigte und die
auch in den Handbüchern ihre Vertretung fand (S. Bischoff, Entw.
St. 197), gesellte sich nun nach und nach eine dritte, die in ihren
Anfängen auf Serres zurückgeht, nach welcher die peripherischen
Nerven ganz selbständig sich bilden und erst in zweiter Linie mit
Hirn und Mark verwachsen sollen (Anat. comp. du cerveau, Paris
1824. I. pag. 249 u. flgde., 346 u. flgde., 503). Die Gründe, die
Serres vorbrachte, waren jedoch so mangelhaft, dass es begreiflich
ist, dass seine Hypothese nicht den geringsten Anklang fand und
schon von Tiedemann als irrig und keiner Widerlegung werth erklärt
wurde. Und doch liegt, was jedoch Serres keineswegs als Verdienst
angerechnet werden kann, in derselben etwas ganz Wahres und
hätte Tiedemann offenbar besser gethan, sich etwas vorsichtiger zu
äussern, um so mehr, da er selbst nach seinen Erfahrungen (l. c.
St. 25) für eine selbständige Entstehung des Sympathicus sich aus-
spricht. In der That haben die neuesten Untersuchungen unerwar-
teter Weise nun wirklich Thatsachen ans Licht gefördert, die zeigen,
dass das Nervensystem weder in allen seinen Theilen selbständig,
wie v. Baer glaubte, noch einzig und allein vom Gehirn und Mark
aus sich entwickelt. Remak war der Erste, der an der Hand seiner
embryologischen Untersuchungen beim Hühnchen zeigte, dass so-
wohl die Ganglien gewisser Kopfnerven (des V. VII. VIII. IX. und
X. Paares) als auch diejenigen aller Spinalnerven ganz selbständig
entstehen und ursprünglich ohne alle Verbindung mit dem Central-
nervensysteme sind, und ferner wahrscheinlich machte, dass auch
gewisse Theile des Sympathicus unabhängig von den anderen peri-
pherischen Nerven sich entwickeln (Ueber ein selbst. Darmnerven-
system, Berlin 1847. St. 23 u. flgde., und Untersuchung. z. Entw.

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[265/0281] Entwicklung des Nervensystems. Nerven in dieser Weise entstehen, indem wenn auch die höheren Sinnesorgane aus dem Gehirne sich bilden, so doch die Bauch- und Rückenplatten, d. h. die Theile, in denen die Spinalnerven sich aus- breiten, unabhängig vom Rückenmarke entstehen. V. Baer erklärt, es sei ihm ebenso unwahrscheinlich, dass die Nerven aus den Mus- keln oder den anderen Organen in den Centraltheil hinein wachsen, als das Entgegengesetzte und spricht sich dahin aus (vergl. auch II. St. 102), dass die Nerven durch histologische Sonderung da sich bilden, wo sie sich finden und gleich von Anfang an mit Ursprung und Ende angelegt werden, so dass keine Verwachsung ursprüng- lich getrennter Theile irgendwo sich finde. Zu dieser zweiten Auf- stellung, welcher bald die Mehrzahl der Forscher huldigte und die auch in den Handbüchern ihre Vertretung fand (S. Bischoff, Entw. St. 197), gesellte sich nun nach und nach eine dritte, die in ihren Anfängen auf Serres zurückgeht, nach welcher die peripherischen Nerven ganz selbständig sich bilden und erst in zweiter Linie mit Hirn und Mark verwachsen sollen (Anat. comp. du cerveau, Paris 1824. I. pag. 249 u. flgde., 346 u. flgde., 503). Die Gründe, die Serres vorbrachte, waren jedoch so mangelhaft, dass es begreiflich ist, dass seine Hypothese nicht den geringsten Anklang fand und schon von Tiedemann als irrig und keiner Widerlegung werth erklärt wurde. Und doch liegt, was jedoch Serres keineswegs als Verdienst angerechnet werden kann, in derselben etwas ganz Wahres und hätte Tiedemann offenbar besser gethan, sich etwas vorsichtiger zu äussern, um so mehr, da er selbst nach seinen Erfahrungen (l. c. St. 25) für eine selbständige Entstehung des Sympathicus sich aus- spricht. In der That haben die neuesten Untersuchungen unerwar- teter Weise nun wirklich Thatsachen ans Licht gefördert, die zeigen, dass das Nervensystem weder in allen seinen Theilen selbständig, wie v. Baer glaubte, noch einzig und allein vom Gehirn und Mark aus sich entwickelt. Remak war der Erste, der an der Hand seiner embryologischen Untersuchungen beim Hühnchen zeigte, dass so- wohl die Ganglien gewisser Kopfnerven (des V. VII. VIII. IX. und X. Paares) als auch diejenigen aller Spinalnerven ganz selbständig entstehen und ursprünglich ohne alle Verbindung mit dem Central- nervensysteme sind, und ferner wahrscheinlich machte, dass auch gewisse Theile des Sympathicus unabhängig von den anderen peri- pherischen Nerven sich entwickeln (Ueber ein selbst. Darmnerven- system, Berlin 1847. St. 23 u. flgde., und Untersuchung. z. Entw.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/281>, abgerufen am 24.11.2024.