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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Siebenundzwanzigste Vorlesung.
Gefässe im Marke, doch lässt er es unentschieden, ob dieselben selb-
ständig in ihm entstehen, oder von aussen sich hereinbilden. --
Noch bemerke ich Ihnen, dass das Mark den Spinalkanal lange Zeit
hindurch ganz erfüllt und der Subarachnoidealraum eine spätere
Bildung ist.

Entwicklung der
peripherischen
Nerven.
Das peripherische Nervensystem, zu dessen Besprechung
wir schliesslich noch übergehen, ist mit Bezug auf seine morpholo-
gische Entwicklung noch äusserst wenig untersucht, immerhin
lassen sich schon jetzt folgende wichtigere allgemeine Sätze auf-
stellen:

Allgemeine
Bildungsgesetze.
1. Von allen Nerven sind nur zwei directe Productionen des cen-
tralen Nervensystems und zwar der Tractus olfactorius mit dem
Riechkolben und der Sehnerve mit der primitiven Augenblase,
welche Theile daher auch als Organe des Gehirns selbst aufgefasst
werden können, wie es beim Riechkolben in der That schon längst
geschieht.

2. Von den übrigen Abschnitten des peripherischen Nervensystems
entwickeln sich die Ganglien sowohl der Cerebrospinalnerven
und auch des Sympathicus unzweifelhaft ganz selbständig aus
dem mittleren Keimblatte und setzen sich erst in zweiter Linie
theils unter einander theils mit dem Rückenmarke in Verbindung.

3. Die motorischen Kopfnerven, sowie die motorischen Wurzeln der
Rückenmarksnerven scheinen direct aus dem Rückenmarke und
der Medulla oblongata hervorzuwuchern und entwickeln sich dann
centrifugal weiter unter Mitbetheiligung von Elementartheilen des
mittleren Keimblattes.

Zum besseren Verständnisse und zur näheren Begründung dieser
Sätze diene Ihnen folgender Blick auf die geschichtliche Entwicklung
dieser Frage.

Die älteren Anatomen gingen von der Ansicht aus, dass die
Bildung aller Nerven vom Gehirn und Rückenmarke aus erfolge und
dass dieselben dann ganz allmälig gegen die Peripherie des Körpers
fortwachsen, und findet sich dieselbe noch im Jahre 1827 von Tiede-
mann
vertreten (Zeitschr. f. Physiol. III. 1. St. 25). Zu dieser Auf-
stellung hatte wohl vor Allem das frühe Auftreten von Gehirn und
Mark und dann auch der Umstand Veranlassung gegeben, dass un-
streitig die höheren Sinnesnerven aus dem Gehirne sich hervorbilden.
Im Jahre 1828 bemerkte jedoch v. Baer (Entw. I. St. 110), dass aus
dem letzteren Umstande noch nicht folge, dass auch die anderen

Siebenundzwanzigste Vorlesung.
Gefässe im Marke, doch lässt er es unentschieden, ob dieselben selb-
ständig in ihm entstehen, oder von aussen sich hereinbilden. —
Noch bemerke ich Ihnen, dass das Mark den Spinalkanal lange Zeit
hindurch ganz erfüllt und der Subarachnoidealraum eine spätere
Bildung ist.

Entwicklung der
peripherischen
Nerven.
Das peripherische Nervensystem, zu dessen Besprechung
wir schliesslich noch übergehen, ist mit Bezug auf seine morpholo-
gische Entwicklung noch äusserst wenig untersucht, immerhin
lassen sich schon jetzt folgende wichtigere allgemeine Sätze auf-
stellen:

Allgemeine
Bildungsgesetze.
1. Von allen Nerven sind nur zwei directe Productionen des cen-
tralen Nervensystems und zwar der Tractus olfactorius mit dem
Riechkolben und der Sehnerve mit der primitiven Augenblase,
welche Theile daher auch als Organe des Gehirns selbst aufgefasst
werden können, wie es beim Riechkolben in der That schon längst
geschieht.

2. Von den übrigen Abschnitten des peripherischen Nervensystems
entwickeln sich die Ganglien sowohl der Cerebrospinalnerven
und auch des Sympathicus unzweifelhaft ganz selbständig aus
dem mittleren Keimblatte und setzen sich erst in zweiter Linie
theils unter einander theils mit dem Rückenmarke in Verbindung.

3. Die motorischen Kopfnerven, sowie die motorischen Wurzeln der
Rückenmarksnerven scheinen direct aus dem Rückenmarke und
der Medulla oblongata hervorzuwuchern und entwickeln sich dann
centrifugal weiter unter Mitbetheiligung von Elementartheilen des
mittleren Keimblattes.

Zum besseren Verständnisse und zur näheren Begründung dieser
Sätze diene Ihnen folgender Blick auf die geschichtliche Entwicklung
dieser Frage.

Die älteren Anatomen gingen von der Ansicht aus, dass die
Bildung aller Nerven vom Gehirn und Rückenmarke aus erfolge und
dass dieselben dann ganz allmälig gegen die Peripherie des Körpers
fortwachsen, und findet sich dieselbe noch im Jahre 1827 von Tiede-
mann
vertreten (Zeitschr. f. Physiol. III. 1. St. 25). Zu dieser Auf-
stellung hatte wohl vor Allem das frühe Auftreten von Gehirn und
Mark und dann auch der Umstand Veranlassung gegeben, dass un-
streitig die höheren Sinnesnerven aus dem Gehirne sich hervorbilden.
Im Jahre 1828 bemerkte jedoch v. Baer (Entw. I. St. 110), dass aus
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[264/0280] Siebenundzwanzigste Vorlesung. Gefässe im Marke, doch lässt er es unentschieden, ob dieselben selb- ständig in ihm entstehen, oder von aussen sich hereinbilden. — Noch bemerke ich Ihnen, dass das Mark den Spinalkanal lange Zeit hindurch ganz erfüllt und der Subarachnoidealraum eine spätere Bildung ist. Das peripherische Nervensystem, zu dessen Besprechung wir schliesslich noch übergehen, ist mit Bezug auf seine morpholo- gische Entwicklung noch äusserst wenig untersucht, immerhin lassen sich schon jetzt folgende wichtigere allgemeine Sätze auf- stellen: Entwicklung der peripherischen Nerven. 1. Von allen Nerven sind nur zwei directe Productionen des cen- tralen Nervensystems und zwar der Tractus olfactorius mit dem Riechkolben und der Sehnerve mit der primitiven Augenblase, welche Theile daher auch als Organe des Gehirns selbst aufgefasst werden können, wie es beim Riechkolben in der That schon längst geschieht. Allgemeine Bildungsgesetze. 2. Von den übrigen Abschnitten des peripherischen Nervensystems entwickeln sich die Ganglien sowohl der Cerebrospinalnerven und auch des Sympathicus unzweifelhaft ganz selbständig aus dem mittleren Keimblatte und setzen sich erst in zweiter Linie theils unter einander theils mit dem Rückenmarke in Verbindung. 3. Die motorischen Kopfnerven, sowie die motorischen Wurzeln der Rückenmarksnerven scheinen direct aus dem Rückenmarke und der Medulla oblongata hervorzuwuchern und entwickeln sich dann centrifugal weiter unter Mitbetheiligung von Elementartheilen des mittleren Keimblattes. Zum besseren Verständnisse und zur näheren Begründung dieser Sätze diene Ihnen folgender Blick auf die geschichtliche Entwicklung dieser Frage. Die älteren Anatomen gingen von der Ansicht aus, dass die Bildung aller Nerven vom Gehirn und Rückenmarke aus erfolge und dass dieselben dann ganz allmälig gegen die Peripherie des Körpers fortwachsen, und findet sich dieselbe noch im Jahre 1827 von Tiede- mann vertreten (Zeitschr. f. Physiol. III. 1. St. 25). Zu dieser Auf- stellung hatte wohl vor Allem das frühe Auftreten von Gehirn und Mark und dann auch der Umstand Veranlassung gegeben, dass un- streitig die höheren Sinnesnerven aus dem Gehirne sich hervorbilden. Im Jahre 1828 bemerkte jedoch v. Baer (Entw. I. St. 110), dass aus dem letzteren Umstande noch nicht folge, dass auch die anderen

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/280>, abgerufen am 24.11.2024.