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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Sechsundzwanzigste Vorlesung.
dass der vierte Ventrikel an Embryonen des Menschen bis zum
Ende des dritten Monates durch eine Markhaut geschlossen sei,
welche später zerreisse und in ihren Resten die unteren Marksegel
und den Riegel (Obex) des Calamus scriptorius darstelle. Diese Be-
obachtung ist nun freilich bisanhin von Niemand bestätigt oder bes-
ser gesagt berücksichtigt worden mit Ausnahme von Girgensohn,
der im Wesentlichen dasselbe meldet wie Schönlein (Meck. Arch.
1827. St. 362. Tab. VI), und von Schmidt, der angibt, dass er diese
Markhaut nicht habe finden können, immerhin dienen zur Unter-
stützung derselben eine Reihe vergleichend-anatomischer Thatsachen.
Von Baer hat schon vor langer Zeit angegeben, dass beim vier Tage
alten Hühnchen der vierte Ventrikel eine Decke aus Nervenmasse
habe, die später spurlos schwinde (Ueb. Entw. d. Thiere I. St. 74)
eine Beobachtung, die in unseren Tagen von Remak bestätigt worden
ist (Entw. St. 33). Ferner meldet Rathke von den Embryonen der
Natter, dass die 4. Hirnhöhle derselben von einer Nervenplatte be-
deckt werde, die aufs innigste mit der Pia mater zusammenhänge,
und später bis auf einen kleinen Rest schwinde (Entw. d. Natter.
St. 16, 37, 81 und 133. Tab. VI. Fig. 17 und 18), und erinnert, dass
er eine ähnliche Decke auch von den Embryonen der Haifische be-
schrieben (Beitr. z. Geschichte d. Thierwelt. Th. 4. St. 14. Taf. I.
Fig. 6), sowie dass eine solche auch den erwachsenen Cyclostomen
und Batrachiern zukomme. Bei Säugethierembryonen konnte dagegen
Rathke nichts von einem nervösen Deckblatte finden, doch paralle-
lisirt er den Plexus chorioideus ventriculi IV. den bei den anderen
Wirbelthieren vorkommenden häutig-nervösen Blättern. Bei so be-
wandten Verhältnissen möchte es nun denn doch sehr wahrscheinlich
sein, dass auch beim Menschen der vierte Ventrikel von Anfang an
ganz oder grösstentheils durch eine aus der ursprünglichen Medullar-
platte hervorgegangene Decke geschlossen ist, in welchem Falle dann
die Membrana obturatoria aus dem hinteren Theile dieser Decke ab-
zuleiten wäre, das Cerebellum aber aus ihrem vorderen Theile. Das
in der Fig. 118 gezeichnete Verhalten wäre dann ein späterer Zu-
stand, der sich leicht erklären liesse, wenn man annähme, dass die
primitive Decke des vierten Ventrikels stellenweise nur ein Epithel,
an anderen Orten auch Nervenmasse liefert, wie diess auch beim
Rückenmark sich findet, von welchem ich Ihnen das Genauere spä-
ter noch angeben werde. An den ersteren Orten müsste dann natür-
lich später die Pia mater scheinbar unmittelbar den Ventrikel schlies-

Sechsundzwanzigste Vorlesung.
dass der vierte Ventrikel an Embryonen des Menschen bis zum
Ende des dritten Monates durch eine Markhaut geschlossen sei,
welche später zerreisse und in ihren Resten die unteren Marksegel
und den Riegel (Obex) des Calamus scriptorius darstelle. Diese Be-
obachtung ist nun freilich bisanhin von Niemand bestätigt oder bes-
ser gesagt berücksichtigt worden mit Ausnahme von Girgensohn,
der im Wesentlichen dasselbe meldet wie Schönlein (Meck. Arch.
1827. St. 362. Tab. VI), und von Schmidt, der angibt, dass er diese
Markhaut nicht habe finden können, immerhin dienen zur Unter-
stützung derselben eine Reihe vergleichend-anatomischer Thatsachen.
Von Baer hat schon vor langer Zeit angegeben, dass beim vier Tage
alten Hühnchen der vierte Ventrikel eine Decke aus Nervenmasse
habe, die später spurlos schwinde (Ueb. Entw. d. Thiere I. St. 74)
eine Beobachtung, die in unseren Tagen von Remak bestätigt worden
ist (Entw. St. 33). Ferner meldet Rathke von den Embryonen der
Natter, dass die 4. Hirnhöhle derselben von einer Nervenplatte be-
deckt werde, die aufs innigste mit der Pia mater zusammenhänge,
und später bis auf einen kleinen Rest schwinde (Entw. d. Natter.
St. 16, 37, 81 und 133. Tab. VI. Fig. 17 und 18), und erinnert, dass
er eine ähnliche Decke auch von den Embryonen der Haifische be-
schrieben (Beitr. z. Geschichte d. Thierwelt. Th. 4. St. 14. Taf. I.
Fig. 6), sowie dass eine solche auch den erwachsenen Cyclostomen
und Batrachiern zukomme. Bei Säugethierembryonen konnte dagegen
Rathke nichts von einem nervösen Deckblatte finden, doch paralle-
lisirt er den Plexus chorioideus ventriculi IV. den bei den anderen
Wirbelthieren vorkommenden häutig-nervösen Blättern. Bei so be-
wandten Verhältnissen möchte es nun denn doch sehr wahrscheinlich
sein, dass auch beim Menschen der vierte Ventrikel von Anfang an
ganz oder grösstentheils durch eine aus der ursprünglichen Medullar-
platte hervorgegangene Decke geschlossen ist, in welchem Falle dann
die Membrana obturatoria aus dem hinteren Theile dieser Decke ab-
zuleiten wäre, das Cerebellum aber aus ihrem vorderen Theile. Das
in der Fig. 118 gezeichnete Verhalten wäre dann ein späterer Zu-
stand, der sich leicht erklären liesse, wenn man annähme, dass die
primitive Decke des vierten Ventrikels stellenweise nur ein Epithel,
an anderen Orten auch Nervenmasse liefert, wie diess auch beim
Rückenmark sich findet, von welchem ich Ihnen das Genauere spä-
ter noch angeben werde. An den ersteren Orten müsste dann natür-
lich später die Pia mater scheinbar unmittelbar den Ventrikel schlies-

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[246/0262] Sechsundzwanzigste Vorlesung. dass der vierte Ventrikel an Embryonen des Menschen bis zum Ende des dritten Monates durch eine Markhaut geschlossen sei, welche später zerreisse und in ihren Resten die unteren Marksegel und den Riegel (Obex) des Calamus scriptorius darstelle. Diese Be- obachtung ist nun freilich bisanhin von Niemand bestätigt oder bes- ser gesagt berücksichtigt worden mit Ausnahme von Girgensohn, der im Wesentlichen dasselbe meldet wie Schönlein (Meck. Arch. 1827. St. 362. Tab. VI), und von Schmidt, der angibt, dass er diese Markhaut nicht habe finden können, immerhin dienen zur Unter- stützung derselben eine Reihe vergleichend-anatomischer Thatsachen. Von Baer hat schon vor langer Zeit angegeben, dass beim vier Tage alten Hühnchen der vierte Ventrikel eine Decke aus Nervenmasse habe, die später spurlos schwinde (Ueb. Entw. d. Thiere I. St. 74) eine Beobachtung, die in unseren Tagen von Remak bestätigt worden ist (Entw. St. 33). Ferner meldet Rathke von den Embryonen der Natter, dass die 4. Hirnhöhle derselben von einer Nervenplatte be- deckt werde, die aufs innigste mit der Pia mater zusammenhänge, und später bis auf einen kleinen Rest schwinde (Entw. d. Natter. St. 16, 37, 81 und 133. Tab. VI. Fig. 17 und 18), und erinnert, dass er eine ähnliche Decke auch von den Embryonen der Haifische be- schrieben (Beitr. z. Geschichte d. Thierwelt. Th. 4. St. 14. Taf. I. Fig. 6), sowie dass eine solche auch den erwachsenen Cyclostomen und Batrachiern zukomme. Bei Säugethierembryonen konnte dagegen Rathke nichts von einem nervösen Deckblatte finden, doch paralle- lisirt er den Plexus chorioideus ventriculi IV. den bei den anderen Wirbelthieren vorkommenden häutig-nervösen Blättern. Bei so be- wandten Verhältnissen möchte es nun denn doch sehr wahrscheinlich sein, dass auch beim Menschen der vierte Ventrikel von Anfang an ganz oder grösstentheils durch eine aus der ursprünglichen Medullar- platte hervorgegangene Decke geschlossen ist, in welchem Falle dann die Membrana obturatoria aus dem hinteren Theile dieser Decke ab- zuleiten wäre, das Cerebellum aber aus ihrem vorderen Theile. Das in der Fig. 118 gezeichnete Verhalten wäre dann ein späterer Zu- stand, der sich leicht erklären liesse, wenn man annähme, dass die primitive Decke des vierten Ventrikels stellenweise nur ein Epithel, an anderen Orten auch Nervenmasse liefert, wie diess auch beim Rückenmark sich findet, von welchem ich Ihnen das Genauere spä- ter noch angeben werde. An den ersteren Orten müsste dann natür- lich später die Pia mater scheinbar unmittelbar den Ventrikel schlies-

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/262>, abgerufen am 24.11.2024.