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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Fünfundzwanzigste Vorlesung.
ten Spalte von beiden Seiten zwei Wülste einander entgegen, welche,
indem sie dann unter einander verschmelzen, die Anlagen des klei-
nen Gehirns darstellen und die Gegend bezeichnen, die Hinterhirn
heisst. An der ersten Hirnblase ferner sieht man sehr früh die pri-
mitiven Augenblasen sich bilden, welche Anfangs an den vordern
Seitentheilen derselben ihre Lage haben. Nach und nach schnüren
sich diese Blasen ab, während zugleich der zwischen beiden Aus-
stülpungen gelegene Theil der ersten Hirnblase weiter nach vorn
und oben sich entwickelt, so dass die primitiven Augenblasen all-
mälig mehr nach unten und hinten zu liegen kommen. Der Theil der
ersten Hirnblase, mit welchem dieselben zusammenhängen, rückt so
ebenfalls immer mehr nach hinten und da derselbe auch nicht so
rasch sich entwickelt, wie der nach vorn sich anbildende Theil der-
selben, so lassen sich bald zwei Abtheilungen dieser Blase unter-
scheiden, von denen der erste das Vorderhirn und der mit den
Augenblasen verbundene das Zwischenhirn heisst.

Krümmungen des
Gehirns.
Das primitive Gehirn liegt anfänglich mit allen seinen Theilen
in einer Ebene, sehr bald aber beginnt dasselbe sich zu krümmen,
so dass es wie mehrmals beinahe rechtwinklig gebogen erscheint.
Betrachtet man ein Gehirn aus diesem oder aus späteren Stadien in
einer seitlichen Ansicht (Fig. 105), so findet man eine erste Krüm-
mung am Uebergange des Rückenmarks in die Medulla oblongata,
Nackenkrüm-
mung.
die Nackenkrümmung des Gehirns. Eine zweite noch be-
trächtlichere Biegung findet sich am Hinterhirn, da wo Hinterhirn
und Nachhirn in einander übergehen, und zwar genau in der Ge-
gend, wo später der Pons Varoli entsteht; ich heisse dieselbe die
Brückenkrüm-
mung.
Brückenkrümmung. Der vordere Schenkel dieser Krümmung
führt dann bis zum Mittelhirn, welches zu einer gewissen Zeit (s.
Fig. 60 und 62) den erhabensten Theil des ganzen Gehirns dar-
Scheitelkrüm-
mung.
stellt. Am Mittelhirn beginnt dann eine letzte oder die Scheitel-
krümmung
, indem Zwischenhirn und Vorderhirn wiederum un-
ter nahezu einem rechten Winkel zum Mittelhirn und Hinterhirn ge-
stellt und mit ihrer Längsaxe nach unten gerichtet sind. Die Figuren
60 und 106 zeigen Ihnen, dass diese Krümmungen einigermaassen
den Biegungen entsprechen, welche der Leib des jungen Embryo
macht, indem wenigstens der Nackenhöcker, an der Uebergangsstelle
von Rumpf und Kopf, und die vordere Kopfkrümmung, die auch der
Scheitelhöcker heisst (St. 116), auch am centralen Nervensysteme
sich bemerklich machen, allein dieses hat noch eine Biegung, von

Fünfundzwanzigste Vorlesung.
ten Spalte von beiden Seiten zwei Wülste einander entgegen, welche,
indem sie dann unter einander verschmelzen, die Anlagen des klei-
nen Gehirns darstellen und die Gegend bezeichnen, die Hinterhirn
heisst. An der ersten Hirnblase ferner sieht man sehr früh die pri-
mitiven Augenblasen sich bilden, welche Anfangs an den vordern
Seitentheilen derselben ihre Lage haben. Nach und nach schnüren
sich diese Blasen ab, während zugleich der zwischen beiden Aus-
stülpungen gelegene Theil der ersten Hirnblase weiter nach vorn
und oben sich entwickelt, so dass die primitiven Augenblasen all-
mälig mehr nach unten und hinten zu liegen kommen. Der Theil der
ersten Hirnblase, mit welchem dieselben zusammenhängen, rückt so
ebenfalls immer mehr nach hinten und da derselbe auch nicht so
rasch sich entwickelt, wie der nach vorn sich anbildende Theil der-
selben, so lassen sich bald zwei Abtheilungen dieser Blase unter-
scheiden, von denen der erste das Vorderhirn und der mit den
Augenblasen verbundene das Zwischenhirn heisst.

Krümmungen des
Gehirns.
Das primitive Gehirn liegt anfänglich mit allen seinen Theilen
in einer Ebene, sehr bald aber beginnt dasselbe sich zu krümmen,
so dass es wie mehrmals beinahe rechtwinklig gebogen erscheint.
Betrachtet man ein Gehirn aus diesem oder aus späteren Stadien in
einer seitlichen Ansicht (Fig. 105), so findet man eine erste Krüm-
mung am Uebergange des Rückenmarks in die Medulla oblongata,
Nackenkrüm-
mung.
die Nackenkrümmung des Gehirns. Eine zweite noch be-
trächtlichere Biegung findet sich am Hinterhirn, da wo Hinterhirn
und Nachhirn in einander übergehen, und zwar genau in der Ge-
gend, wo später der Pons Varoli entsteht; ich heisse dieselbe die
Brückenkrüm-
mung.
Brückenkrümmung. Der vordere Schenkel dieser Krümmung
führt dann bis zum Mittelhirn, welches zu einer gewissen Zeit (s.
Fig. 60 und 62) den erhabensten Theil des ganzen Gehirns dar-
Scheitelkrüm-
mung.
stellt. Am Mittelhirn beginnt dann eine letzte oder die Scheitel-
krümmung
, indem Zwischenhirn und Vorderhirn wiederum un-
ter nahezu einem rechten Winkel zum Mittelhirn und Hinterhirn ge-
stellt und mit ihrer Längsaxe nach unten gerichtet sind. Die Figuren
60 und 106 zeigen Ihnen, dass diese Krümmungen einigermaassen
den Biegungen entsprechen, welche der Leib des jungen Embryo
macht, indem wenigstens der Nackenhöcker, an der Uebergangsstelle
von Rumpf und Kopf, und die vordere Kopfkrümmung, die auch der
Scheitelhöcker heisst (St. 116), auch am centralen Nervensysteme
sich bemerklich machen, allein dieses hat noch eine Biegung, von

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[228/0244] Fünfundzwanzigste Vorlesung. ten Spalte von beiden Seiten zwei Wülste einander entgegen, welche, indem sie dann unter einander verschmelzen, die Anlagen des klei- nen Gehirns darstellen und die Gegend bezeichnen, die Hinterhirn heisst. An der ersten Hirnblase ferner sieht man sehr früh die pri- mitiven Augenblasen sich bilden, welche Anfangs an den vordern Seitentheilen derselben ihre Lage haben. Nach und nach schnüren sich diese Blasen ab, während zugleich der zwischen beiden Aus- stülpungen gelegene Theil der ersten Hirnblase weiter nach vorn und oben sich entwickelt, so dass die primitiven Augenblasen all- mälig mehr nach unten und hinten zu liegen kommen. Der Theil der ersten Hirnblase, mit welchem dieselben zusammenhängen, rückt so ebenfalls immer mehr nach hinten und da derselbe auch nicht so rasch sich entwickelt, wie der nach vorn sich anbildende Theil der- selben, so lassen sich bald zwei Abtheilungen dieser Blase unter- scheiden, von denen der erste das Vorderhirn und der mit den Augenblasen verbundene das Zwischenhirn heisst. Das primitive Gehirn liegt anfänglich mit allen seinen Theilen in einer Ebene, sehr bald aber beginnt dasselbe sich zu krümmen, so dass es wie mehrmals beinahe rechtwinklig gebogen erscheint. Betrachtet man ein Gehirn aus diesem oder aus späteren Stadien in einer seitlichen Ansicht (Fig. 105), so findet man eine erste Krüm- mung am Uebergange des Rückenmarks in die Medulla oblongata, die Nackenkrümmung des Gehirns. Eine zweite noch be- trächtlichere Biegung findet sich am Hinterhirn, da wo Hinterhirn und Nachhirn in einander übergehen, und zwar genau in der Ge- gend, wo später der Pons Varoli entsteht; ich heisse dieselbe die Brückenkrümmung. Der vordere Schenkel dieser Krümmung führt dann bis zum Mittelhirn, welches zu einer gewissen Zeit (s. Fig. 60 und 62) den erhabensten Theil des ganzen Gehirns dar- stellt. Am Mittelhirn beginnt dann eine letzte oder die Scheitel- krümmung, indem Zwischenhirn und Vorderhirn wiederum un- ter nahezu einem rechten Winkel zum Mittelhirn und Hinterhirn ge- stellt und mit ihrer Längsaxe nach unten gerichtet sind. Die Figuren 60 und 106 zeigen Ihnen, dass diese Krümmungen einigermaassen den Biegungen entsprechen, welche der Leib des jungen Embryo macht, indem wenigstens der Nackenhöcker, an der Uebergangsstelle von Rumpf und Kopf, und die vordere Kopfkrümmung, die auch der Scheitelhöcker heisst (St. 116), auch am centralen Nervensysteme sich bemerklich machen, allein dieses hat noch eine Biegung, von Krümmungen des Gehirns. Nackenkrüm- mung. Brückenkrüm- mung. Scheitelkrüm- mung.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/244>, abgerufen am 24.11.2024.