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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Knochensystems.
die Gaumenplatten unter einander von vorn nach hinten, so jedoch,
dass sie vorn auch mit dem untern breiten Rande der noch ganz kur-
zen Nasenscheidewand sich vereinen. In der 9. Woche ist der vordere
Theil des Gaumens, der dem späteren harten Gaumen entspricht,
schon vollkommen geschlossen, der weiche Gaumen dagegen noch
gespalten, doch bildet sich dieser von nun an rasch aus und zei-
[Abbildung] Fig. 97.
gen Embryonen der zweiten
Hälfte des 3. Monates das
Velum gebildet und auch
das Zäpfchen in der Bildung
begriffen, das übrigens schon
vor der Vereinigung der bei-
den Hälften des weichen
Gaumens als eine kleine Her-
vorragung an den hintern
Enden derselben zu erken-
nen ist (Fig 97).

Hier ist nun auch derGaumen- und
Lippenspalten.

Ort, Sie an gewisse Missbildungen des Gesichtes und Gaumens
zu erinnern, welche in den eben geschilderten Verhältnissen ihre
Erklärung finden und als ein Stehenbleiben auf normalen embryo-
nalen Stufen zu deuten sind, ich meine den Wolfsrachen, die
Hasenscharten und Lippenspalten in ihren verschiedenen
Formen. Bei der ausgeprägtesten Form dieser Missbildungen, dem
doppelten Wolfsrachen mit doppelter Hasenscharte, findet man nicht
nur Lippen und Kieferrand auf beiden Seiten gespalten, sondern
es fehlt auch der Gaumen ganz oder fast ganz und sind Mund und
Nasenhöhle in weiter Verbindung. Die Nasenscheidewand kann da-
bei ganz gut ausgebildet sein, ragt wie frei in die Mundhöhle hinein
und steht mit dem zwischen den beiden erstern Spalten oder Ha-
senscharten befindlichen Stücke in Verbindung, welches die Zwischen-
kiefer mit den Schneidezähnen enthält, während das Pflugschaar-
bein an der Nasenscheidewand aufsitzt. Bei geringeren Graden ist
entweder nur der Gaumen gespalten und die vordern Theile ver-

[Abbildung]

Fig. 97. Oberkiefer und Gaumen eines 9 Wochen alten Fötus, 9mal vergr.
a Lippen abgeschnitten, b Gaumen, c äusserer Zahnwall, d innerer Zahnwall,
e Papille des ersten Backzahnes. f Papille des Eckzahnes, g des zweiten, h des
ersten Schneidezahns, i Gaumenwülste, k Zwischenkiefergegend, l weicher
Gaumen, noch gespalten.

Entwicklung des Knochensystems.
die Gaumenplatten unter einander von vorn nach hinten, so jedoch,
dass sie vorn auch mit dem untern breiten Rande der noch ganz kur-
zen Nasenscheidewand sich vereinen. In der 9. Woche ist der vordere
Theil des Gaumens, der dem späteren harten Gaumen entspricht,
schon vollkommen geschlossen, der weiche Gaumen dagegen noch
gespalten, doch bildet sich dieser von nun an rasch aus und zei-
[Abbildung] Fig. 97.
gen Embryonen der zweiten
Hälfte des 3. Monates das
Velum gebildet und auch
das Zäpfchen in der Bildung
begriffen, das übrigens schon
vor der Vereinigung der bei-
den Hälften des weichen
Gaumens als eine kleine Her-
vorragung an den hintern
Enden derselben zu erken-
nen ist (Fig 97).

Hier ist nun auch derGaumen- und
Lippenspalten.

Ort, Sie an gewisse Missbildungen des Gesichtes und Gaumens
zu erinnern, welche in den eben geschilderten Verhältnissen ihre
Erklärung finden und als ein Stehenbleiben auf normalen embryo-
nalen Stufen zu deuten sind, ich meine den Wolfsrachen, die
Hasenscharten und Lippenspalten in ihren verschiedenen
Formen. Bei der ausgeprägtesten Form dieser Missbildungen, dem
doppelten Wolfsrachen mit doppelter Hasenscharte, findet man nicht
nur Lippen und Kieferrand auf beiden Seiten gespalten, sondern
es fehlt auch der Gaumen ganz oder fast ganz und sind Mund und
Nasenhöhle in weiter Verbindung. Die Nasenscheidewand kann da-
bei ganz gut ausgebildet sein, ragt wie frei in die Mundhöhle hinein
und steht mit dem zwischen den beiden erstern Spalten oder Ha-
senscharten befindlichen Stücke in Verbindung, welches die Zwischen-
kiefer mit den Schneidezähnen enthält, während das Pflugschaar-
bein an der Nasenscheidewand aufsitzt. Bei geringeren Graden ist
entweder nur der Gaumen gespalten und die vordern Theile ver-

[Abbildung]

Fig. 97. Oberkiefer und Gaumen eines 9 Wochen alten Fötus, 9mal vergr.
a Lippen abgeschnitten, b Gaumen, c äusserer Zahnwall, d innerer Zahnwall,
e Papille des ersten Backzahnes. f Papille des Eckzahnes, g des zweiten, h des
ersten Schneidezahns, i Gaumenwülste, k Zwischenkiefergegend, l weicher
Gaumen, noch gespalten.

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[213/0229] Entwicklung des Knochensystems. die Gaumenplatten unter einander von vorn nach hinten, so jedoch, dass sie vorn auch mit dem untern breiten Rande der noch ganz kur- zen Nasenscheidewand sich vereinen. In der 9. Woche ist der vordere Theil des Gaumens, der dem späteren harten Gaumen entspricht, schon vollkommen geschlossen, der weiche Gaumen dagegen noch gespalten, doch bildet sich dieser von nun an rasch aus und zei- [Abbildung Fig. 97.] gen Embryonen der zweiten Hälfte des 3. Monates das Velum gebildet und auch das Zäpfchen in der Bildung begriffen, das übrigens schon vor der Vereinigung der bei- den Hälften des weichen Gaumens als eine kleine Her- vorragung an den hintern Enden derselben zu erken- nen ist (Fig 97). Hier ist nun auch der Ort, Sie an gewisse Missbildungen des Gesichtes und Gaumens zu erinnern, welche in den eben geschilderten Verhältnissen ihre Erklärung finden und als ein Stehenbleiben auf normalen embryo- nalen Stufen zu deuten sind, ich meine den Wolfsrachen, die Hasenscharten und Lippenspalten in ihren verschiedenen Formen. Bei der ausgeprägtesten Form dieser Missbildungen, dem doppelten Wolfsrachen mit doppelter Hasenscharte, findet man nicht nur Lippen und Kieferrand auf beiden Seiten gespalten, sondern es fehlt auch der Gaumen ganz oder fast ganz und sind Mund und Nasenhöhle in weiter Verbindung. Die Nasenscheidewand kann da- bei ganz gut ausgebildet sein, ragt wie frei in die Mundhöhle hinein und steht mit dem zwischen den beiden erstern Spalten oder Ha- senscharten befindlichen Stücke in Verbindung, welches die Zwischen- kiefer mit den Schneidezähnen enthält, während das Pflugschaar- bein an der Nasenscheidewand aufsitzt. Bei geringeren Graden ist entweder nur der Gaumen gespalten und die vordern Theile ver- [Abbildung Fig. 97. Oberkiefer und Gaumen eines 9 Wochen alten Fötus, 9mal vergr. a Lippen abgeschnitten, b Gaumen, c äusserer Zahnwall, d innerer Zahnwall, e Papille des ersten Backzahnes. f Papille des Eckzahnes, g des zweiten, h des ersten Schneidezahns, i Gaumenwülste, k Zwischenkiefergegend, l weicher Gaumen, noch gespalten.] Gaumen- und Lippenspalten.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/229>, abgerufen am 24.11.2024.