Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.Entwicklung des Knochensystems. meisten Thieren dem Gewebe ausgebildeter Knorpel sehr wenigähnlich ist, und dass daher die schon vor langer Zeit von J. Müller (Osteol. der Myx. S. 438) und in unsern Tagen, gestützt auf die che- mische Beschaffenheit der Chorda, auch von Schlossberger in seiner vergl. Thierchemie geäusserte Ansicht, dass die Chorda kein Knor- pel sei, eine gewisse Berechtigung besitzt. Da jedoch nach meinen Erfahrungen die Chordasubstanz bei gewissen Fischen (Polypterus, Lepidosteus u. a.) stellenweise in ächten hyalinen Knorpel sich um- wandelt und bei einigen Gattungen auch theilweise verkalkt, da fer- ner unzweifelhafte Knorpel gewisser Geschöpfe, wie z. B. die soge- nannten weissen Knorpel der Myxinoiden, im Baue der Chorda sehr nahe stehen, so lässt sich, wie mir scheint, die Ansicht doch fest- halten, dass die Chorda dorsalis zum Knorpelgewebe gehört und zwar zu der Form, die ich zelligen Knorpel genannt habe. Die Chorda dorsalis ist, wie Sie wissen, der Vorläufer der Wir-Entstehung der Die Verknorpelung der Wirbelsäule beginnt beim MenschenVerknorpelung Entwicklung des Knochensystems. meisten Thieren dem Gewebe ausgebildeter Knorpel sehr wenigähnlich ist, und dass daher die schon vor langer Zeit von J. Müller (Osteol. der Myx. S. 438) und in unsern Tagen, gestützt auf die che- mische Beschaffenheit der Chorda, auch von Schlossberger in seiner vergl. Thierchemie geäusserte Ansicht, dass die Chorda kein Knor- pel sei, eine gewisse Berechtigung besitzt. Da jedoch nach meinen Erfahrungen die Chordasubstanz bei gewissen Fischen (Polypterus, Lepidosteus u. a.) stellenweise in ächten hyalinen Knorpel sich um- wandelt und bei einigen Gattungen auch theilweise verkalkt, da fer- ner unzweifelhafte Knorpel gewisser Geschöpfe, wie z. B. die soge- nannten weissen Knorpel der Myxinoiden, im Baue der Chorda sehr nahe stehen, so lässt sich, wie mir scheint, die Ansicht doch fest- halten, dass die Chorda dorsalis zum Knorpelgewebe gehört und zwar zu der Form, die ich zelligen Knorpel genannt habe. Die Chorda dorsalis ist, wie Sie wissen, der Vorläufer der Wir-Entstehung der Die Verknorpelung der Wirbelsäule beginnt beim MenschenVerknorpelung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0201" n="185"/><fw place="top" type="header">Entwicklung des Knochensystems.</fw><lb/> meisten Thieren dem Gewebe ausgebildeter Knorpel sehr wenig<lb/> ähnlich ist, und dass daher die schon vor langer Zeit von J. <hi rendition="#k">Müller</hi><lb/> (Osteol. der Myx. S. 438) und in unsern Tagen, gestützt auf die che-<lb/> mische Beschaffenheit der Chorda, auch von <hi rendition="#k">Schlossberger</hi> in seiner<lb/> vergl. Thierchemie geäusserte Ansicht, dass die Chorda kein Knor-<lb/> pel sei, eine gewisse Berechtigung besitzt. Da jedoch nach meinen<lb/> Erfahrungen die Chordasubstanz bei gewissen Fischen (<hi rendition="#i">Polypterus,<lb/> Lepidosteus</hi> u. a.) stellenweise in ächten hyalinen Knorpel sich um-<lb/> wandelt und bei einigen Gattungen auch theilweise verkalkt, da fer-<lb/> ner unzweifelhafte Knorpel gewisser Geschöpfe, wie z. B. die soge-<lb/> nannten weissen Knorpel der Myxinoiden, im Baue der Chorda sehr<lb/> nahe stehen, so lässt sich, wie mir scheint, die Ansicht doch fest-<lb/> halten, dass die <hi rendition="#i">Chorda dorsalis</hi> zum Knorpelgewebe gehört und<lb/> zwar zu der Form, die ich zelligen Knorpel genannt habe.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#i">Chorda dorsalis</hi> ist, wie Sie wissen, der Vorläufer der Wir-<note place="right">Entstehung der<lb/> häutigen Wirbel-<lb/> säule.</note><lb/> belsäule und bildet sich diese aus den zu beiden Seiten derselben<lb/> gelegenen Urwirbelplatten, die später in die einzelnen Urwirbel zer-<lb/> fallen, in einer Weise hervor, die wir in einer früheren Vorlesung<lb/> beim Hühnchen ausführlich dargestellt haben (zehnte Vorlesung).<lb/> Was die Säugethiere und den Menschen anlangt, so ist die allererste<lb/> Entwicklung der Wirbelsäule unbekannt, doch können darüber keine<lb/> Zweifel bestehen, dass der Vorgang im Wesentlichen derselbe ist<lb/> wie beim Hühnchen, indem eine <hi rendition="#i">Chorda dorsalis</hi> und Urwirbel auch<lb/> hier nicht fehlen und kann nur das in Frage kommen, ob die merk-<lb/> würdige, von <hi rendition="#k">Remak</hi> beim Hühnchen beobachtete Aenderung in der<lb/> Gliederung (s. S. 62) den Säugethieren auch zukommt oder nicht.<lb/> Wir nehmen daher auch für die Säugethiere einen ersten weichen<lb/> oder <hi rendition="#g">häutigen</hi> Zustand der Wirbelsäule an, in welchem dieselbe<lb/> schon Anlagen der Wirbelkörper zeigt, die die noch ganz zusam-<lb/> menhängende Chorda umschliessen und mit oberen Ausbreitungen,<lb/> den Anlagen der oberen Bogen oder der <hi rendition="#i">Membrana reuniens superior</hi>,<lb/> einen zusammenhängenden Canal für das Medullarrohr bildet.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Verknorpelung</hi> der Wirbelsäule beginnt beim Menschen<note place="right">Verknorpelung<lb/> der Wirbelsäule.</note><lb/> in der sechsten bis siebenten Woche und breitet sich rasch über die<lb/> Körper aus, so dass man schon in der achten Woche eine vollstän-<lb/> dige Säule von knorpeligen Körpern mit dünnen häutigen <hi rendition="#i">Ligamenta<lb/> intervertebralia</hi> findet. Hierbei bleibt die Chorda anfänglich noch<lb/> erhalten, beginnt jedoch schon im Innern der Wirbelkörper zu verkümmern,<lb/> während sie in den Zwischenbändern und den angren-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [185/0201]
Entwicklung des Knochensystems.
meisten Thieren dem Gewebe ausgebildeter Knorpel sehr wenig
ähnlich ist, und dass daher die schon vor langer Zeit von J. Müller
(Osteol. der Myx. S. 438) und in unsern Tagen, gestützt auf die che-
mische Beschaffenheit der Chorda, auch von Schlossberger in seiner
vergl. Thierchemie geäusserte Ansicht, dass die Chorda kein Knor-
pel sei, eine gewisse Berechtigung besitzt. Da jedoch nach meinen
Erfahrungen die Chordasubstanz bei gewissen Fischen (Polypterus,
Lepidosteus u. a.) stellenweise in ächten hyalinen Knorpel sich um-
wandelt und bei einigen Gattungen auch theilweise verkalkt, da fer-
ner unzweifelhafte Knorpel gewisser Geschöpfe, wie z. B. die soge-
nannten weissen Knorpel der Myxinoiden, im Baue der Chorda sehr
nahe stehen, so lässt sich, wie mir scheint, die Ansicht doch fest-
halten, dass die Chorda dorsalis zum Knorpelgewebe gehört und
zwar zu der Form, die ich zelligen Knorpel genannt habe.
Die Chorda dorsalis ist, wie Sie wissen, der Vorläufer der Wir-
belsäule und bildet sich diese aus den zu beiden Seiten derselben
gelegenen Urwirbelplatten, die später in die einzelnen Urwirbel zer-
fallen, in einer Weise hervor, die wir in einer früheren Vorlesung
beim Hühnchen ausführlich dargestellt haben (zehnte Vorlesung).
Was die Säugethiere und den Menschen anlangt, so ist die allererste
Entwicklung der Wirbelsäule unbekannt, doch können darüber keine
Zweifel bestehen, dass der Vorgang im Wesentlichen derselbe ist
wie beim Hühnchen, indem eine Chorda dorsalis und Urwirbel auch
hier nicht fehlen und kann nur das in Frage kommen, ob die merk-
würdige, von Remak beim Hühnchen beobachtete Aenderung in der
Gliederung (s. S. 62) den Säugethieren auch zukommt oder nicht.
Wir nehmen daher auch für die Säugethiere einen ersten weichen
oder häutigen Zustand der Wirbelsäule an, in welchem dieselbe
schon Anlagen der Wirbelkörper zeigt, die die noch ganz zusam-
menhängende Chorda umschliessen und mit oberen Ausbreitungen,
den Anlagen der oberen Bogen oder der Membrana reuniens superior,
einen zusammenhängenden Canal für das Medullarrohr bildet.
Entstehung der
häutigen Wirbel-
säule.
Die Verknorpelung der Wirbelsäule beginnt beim Menschen
in der sechsten bis siebenten Woche und breitet sich rasch über die
Körper aus, so dass man schon in der achten Woche eine vollstän-
dige Säule von knorpeligen Körpern mit dünnen häutigen Ligamenta
intervertebralia findet. Hierbei bleibt die Chorda anfänglich noch
erhalten, beginnt jedoch schon im Innern der Wirbelkörper zu verkümmern,
während sie in den Zwischenbändern und den angren-
Verknorpelung
der Wirbelsäule.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |