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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Neunzehnte Vorlesung.
beide Deciduae künstlich von einander trennen. Das Gewebe der Deci-
dua anlangend, so zeigt dasselbe immer noch ungefähr das nämliche
Verhalten wie früher, nur ist es jetzt weiter ausgebildet und reicher
an spindelförmigen Zellen und den mannichfachsten Uebergängen der-
selben in wirkliches, ziemlich deutlich fibrilläres Bindegewebe. Gibt
es eine Stelle, wo man den Uebergang von Zellen in Bindegewebs-
fasern deutlich demonstriren kann, so ist es hier. Bemerkenswerth
ist ferner, dass die Vera mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft
immer gefässärmer wird und am Ende derselben verhältnissmässig
nur noch wenige Gefässe enthält. Was die Reflexa anlangt, so war
sie, wie Sie wissen, in dieser Beziehung die Vorläuferin der Vera.

Placenta.Die Placenta ist im ausgetragenen Eie 6--8" gross und 3/4--1"
dick. Ihr Bau ist immer noch derselbe wie früher, nur dass alle
ihre Theile und vor Allem die Chorionbäumchen an Mächtigkeit zu-
genommen haben und brauchen wir uns eigentlich nicht länger bei
Zuckerbildung
in der Placenta.
derselben aufzuhalten. Ich benutze jedoch diese Gelegenheit, um
einer Beobachtung zu gedenken, welche in unseren Tagen Bernard
in Paris an der Placenta einiger Geschöpfe gemacht, und in einer
kleinen Abhandlung unter dem Titel "Sur une nouvelle fonction du
Placenta
" veröffentlicht hat (Brown Sequard, Journal d. Phys. II, 31).
Bernard entdeckte nämlich, dass in der Placenta von Nagethieren
in gewissen epithelialen Elementen dieselbe glycogene Substanz sich
findet, die nach seinen und anderen Erfahrungen auch in den Zellen
der Leber vorkömmt; er glaubte hiermit eine sehr wichtige und spe-
zifische Function der Placenta gefunden zu haben, wie er das von
der Leber demonstrirt hatte, und stellte die Hypothese auf, dass in
der ersten Fötalperiode die Placenta,
in der zweiten
dagegen, ebenso wie in der nachembryonalen Zeit, die Leber ein
zuckerbildendes Organ
sei.

Die Wiederkäuer schienen jedoch diesem Satze sich nicht fügen
zu wollen, wenigstens liess sich in den Cotyledonen der Placenta
derselben nichts Aehnliches finden, allein es zeigte sich, dass die-
selben, wenn auch nicht im Chorion, so doch im Amnios viele "Or-
ganes hepatiques
" besitzen, indem es Bernard gelang, nachzuweisen,
dass die längst bekannten Epithelialzotten des Amnios dieser Thiere
ebenfalls glycogene Substanz enthalten. Ebenso fand er beim
Hühnchen in den Wandungen des Dottersackes Zellen mit glycoge-
ner Materie, musste dagegen zugleich erklären, dass mit Bezug auf
den Menschen seine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien.

Neunzehnte Vorlesung.
beide Deciduae künstlich von einander trennen. Das Gewebe der Deci-
dua anlangend, so zeigt dasselbe immer noch ungefähr das nämliche
Verhalten wie früher, nur ist es jetzt weiter ausgebildet und reicher
an spindelförmigen Zellen und den mannichfachsten Uebergängen der-
selben in wirkliches, ziemlich deutlich fibrilläres Bindegewebe. Gibt
es eine Stelle, wo man den Uebergang von Zellen in Bindegewebs-
fasern deutlich demonstriren kann, so ist es hier. Bemerkenswerth
ist ferner, dass die Vera mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft
immer gefässärmer wird und am Ende derselben verhältnissmässig
nur noch wenige Gefässe enthält. Was die Reflexa anlangt, so war
sie, wie Sie wissen, in dieser Beziehung die Vorläuferin der Vera.

Placenta.Die Placenta ist im ausgetragenen Eie 6—8″ gross und ¾—1″
dick. Ihr Bau ist immer noch derselbe wie früher, nur dass alle
ihre Theile und vor Allem die Chorionbäumchen an Mächtigkeit zu-
genommen haben und brauchen wir uns eigentlich nicht länger bei
Zuckerbildung
in der Placenta.
derselben aufzuhalten. Ich benutze jedoch diese Gelegenheit, um
einer Beobachtung zu gedenken, welche in unseren Tagen Bernard
in Paris an der Placenta einiger Geschöpfe gemacht, und in einer
kleinen Abhandlung unter dem Titel »Sur une nouvelle fonction du
Placenta
« veröffentlicht hat (Brown Sequard, Journal d. Phys. II, 31).
Bernard entdeckte nämlich, dass in der Placenta von Nagethieren
in gewissen epithelialen Elementen dieselbe glycogene Substanz sich
findet, die nach seinen und anderen Erfahrungen auch in den Zellen
der Leber vorkömmt; er glaubte hiermit eine sehr wichtige und spe-
zifische Function der Placenta gefunden zu haben, wie er das von
der Leber demonstrirt hatte, und stellte die Hypothese auf, dass in
der ersten Fötalperiode die Placenta,
in der zweiten
dagegen, ebenso wie in der nachembryonalen Zeit, die Leber ein
zuckerbildendes Organ
sei.

Die Wiederkäuer schienen jedoch diesem Satze sich nicht fügen
zu wollen, wenigstens liess sich in den Cotyledonen der Placenta
derselben nichts Aehnliches finden, allein es zeigte sich, dass die-
selben, wenn auch nicht im Chorion, so doch im Amnios viele »Or-
ganes hepatiques
« besitzen, indem es Bernard gelang, nachzuweisen,
dass die längst bekannten Epithelialzotten des Amnios dieser Thiere
ebenfalls glycogene Substanz enthalten. Ebenso fand er beim
Hühnchen in den Wandungen des Dottersackes Zellen mit glycoge-
ner Materie, musste dagegen zugleich erklären, dass mit Bezug auf
den Menschen seine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien.

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[154/0170] Neunzehnte Vorlesung. beide Deciduae künstlich von einander trennen. Das Gewebe der Deci- dua anlangend, so zeigt dasselbe immer noch ungefähr das nämliche Verhalten wie früher, nur ist es jetzt weiter ausgebildet und reicher an spindelförmigen Zellen und den mannichfachsten Uebergängen der- selben in wirkliches, ziemlich deutlich fibrilläres Bindegewebe. Gibt es eine Stelle, wo man den Uebergang von Zellen in Bindegewebs- fasern deutlich demonstriren kann, so ist es hier. Bemerkenswerth ist ferner, dass die Vera mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft immer gefässärmer wird und am Ende derselben verhältnissmässig nur noch wenige Gefässe enthält. Was die Reflexa anlangt, so war sie, wie Sie wissen, in dieser Beziehung die Vorläuferin der Vera. Die Placenta ist im ausgetragenen Eie 6—8″ gross und ¾—1″ dick. Ihr Bau ist immer noch derselbe wie früher, nur dass alle ihre Theile und vor Allem die Chorionbäumchen an Mächtigkeit zu- genommen haben und brauchen wir uns eigentlich nicht länger bei derselben aufzuhalten. Ich benutze jedoch diese Gelegenheit, um einer Beobachtung zu gedenken, welche in unseren Tagen Bernard in Paris an der Placenta einiger Geschöpfe gemacht, und in einer kleinen Abhandlung unter dem Titel »Sur une nouvelle fonction du Placenta« veröffentlicht hat (Brown Sequard, Journal d. Phys. II, 31). Bernard entdeckte nämlich, dass in der Placenta von Nagethieren in gewissen epithelialen Elementen dieselbe glycogene Substanz sich findet, die nach seinen und anderen Erfahrungen auch in den Zellen der Leber vorkömmt; er glaubte hiermit eine sehr wichtige und spe- zifische Function der Placenta gefunden zu haben, wie er das von der Leber demonstrirt hatte, und stellte die Hypothese auf, dass in der ersten Fötalperiode die Placenta, in der zweiten dagegen, ebenso wie in der nachembryonalen Zeit, die Leber ein zuckerbildendes Organ sei. Placenta. Zuckerbildung in der Placenta. Die Wiederkäuer schienen jedoch diesem Satze sich nicht fügen zu wollen, wenigstens liess sich in den Cotyledonen der Placenta derselben nichts Aehnliches finden, allein es zeigte sich, dass die- selben, wenn auch nicht im Chorion, so doch im Amnios viele »Or- ganes hepatiques« besitzen, indem es Bernard gelang, nachzuweisen, dass die längst bekannten Epithelialzotten des Amnios dieser Thiere ebenfalls glycogene Substanz enthalten. Ebenso fand er beim Hühnchen in den Wandungen des Dottersackes Zellen mit glycoge- ner Materie, musste dagegen zugleich erklären, dass mit Bezug auf den Menschen seine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/170>, abgerufen am 28.11.2024.