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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Erste Bildung der Gefässe.
Vorlesungen her, in denen ich die Geschichte der Embryologie be-
sprach, dass Pander neben seinem serösen Blatte und dem
Schleimblatte auch ein sogenanntes Gefässblatt annimmt,
in dem das Herz und die Gefässe sich ausbilden sollen. Diese Lehre,
der sich auch v. Baer im Wesentlichen angeschlossen, ist in späte-
rer Zeit vielfach missverstanden und dahin ausgelegt worden, dass
nach der Ansicht der genannten Autoren Alle Gefässe des Körpers
aus Einer besondern Keimschicht hervorgehen. Diess ist jedoch
durchaus nicht die Meinung v. Baer's, an dessen ausführlichere
Schilderungen wir uns vorzüglich zu halten haben, vielmehr be-
zieht sich die Aufstellung eines Gefässblattes nur auf die Gefässe
des ersten Kreislaufes und in dieser Auffassung ist diese Lehre auch
jetzt noch im Wesentlichen richtig. Auch die neuesten Untersuchun-
gen Remak's, die leicht zu constatiren sind, haben ergeben, dass
alle Gefässe des Fruchthofes in einer besondern Lamelle des mittle-
ren Keimblattes, der Darmfaserplatte, sich bilden; in derselben
Schicht entsteht auch das Herz so wie die grossen Venenstämme.
Was die primitiven Aorten anlangt, so ist ihre Entstehungsweise
allerdings noch nicht ganzklar. Sie haben aus den früheren Zeichnun-
gen entnehmen können (Figg. 24, 25), dass die Aorten anfänglich zwi-
schen dem Randtheile der Urwirbel und dem innern Rande der Darmfa-
serplatten, da, wo diese mit den Hautplatten zusammenhängen, ihre
Lage haben. Es ist nun bis jetzt noch nicht entschieden, aus wel-
chem Theile des mittleren Keimblattes die Aorten hervorgehen, ob
aus den innersten Zellen der Darmfaserplatten oder aus den Urwir-
beln. Die bestimmt nachgewiesene Betheiligung der Darmfaserplat-
ten an der Bildung des übrigen Gefässsystems lässt jedoch vermu-
then, dass auch die Aorten aus den innersten Theilen derselben
hervorgehen und würde in diesem Falle auch jetzt noch die Be-
nennung der Darmfaserplatten als "Gefässblatt" gestattet sein. Soll-
ten aber auch diese Gefässstämme oder gewisse Theile derselben
aus den Urwirbeln hervorgehen, so bliebe doch so viel bestehen,
dass beim Hühnchen und bei Säugethieren nur die innerste Schicht
des mittleren Keimblattes an der Bildung der ersten Gefässe bethei-
ligt ist. Diess wäre jedoch nicht so zu verstehen, als ob dieselbe
nur Gefässe lieferte, wie denn auch schon v. Baer aus der Gefäss-
schicht auch die Häute des Darmes z. Th., das Gekröse, die Wolff'-
schen Körper, die Geschlechtsorgane u. s. w. hervorgehen lässt.


Erste Bildung der Gefässe.
Vorlesungen her, in denen ich die Geschichte der Embryologie be-
sprach, dass Pander neben seinem serösen Blatte und dem
Schleimblatte auch ein sogenanntes Gefässblatt annimmt,
in dem das Herz und die Gefässe sich ausbilden sollen. Diese Lehre,
der sich auch v. Baer im Wesentlichen angeschlossen, ist in späte-
rer Zeit vielfach missverstanden und dahin ausgelegt worden, dass
nach der Ansicht der genannten Autoren Alle Gefässe des Körpers
aus Einer besondern Keimschicht hervorgehen. Diess ist jedoch
durchaus nicht die Meinung v. Baer’s, an dessen ausführlichere
Schilderungen wir uns vorzüglich zu halten haben, vielmehr be-
zieht sich die Aufstellung eines Gefässblattes nur auf die Gefässe
des ersten Kreislaufes und in dieser Auffassung ist diese Lehre auch
jetzt noch im Wesentlichen richtig. Auch die neuesten Untersuchun-
gen Remak’s, die leicht zu constatiren sind, haben ergeben, dass
alle Gefässe des Fruchthofes in einer besondern Lamelle des mittle-
ren Keimblattes, der Darmfaserplatte, sich bilden; in derselben
Schicht entsteht auch das Herz so wie die grossen Venenstämme.
Was die primitiven Aorten anlangt, so ist ihre Entstehungsweise
allerdings noch nicht ganzklar. Sie haben aus den früheren Zeichnun-
gen entnehmen können (Figg. 24, 25), dass die Aorten anfänglich zwi-
schen dem Randtheile der Urwirbel und dem innern Rande der Darmfa-
serplatten, da, wo diese mit den Hautplatten zusammenhängen, ihre
Lage haben. Es ist nun bis jetzt noch nicht entschieden, aus wel-
chem Theile des mittleren Keimblattes die Aorten hervorgehen, ob
aus den innersten Zellen der Darmfaserplatten oder aus den Urwir-
beln. Die bestimmt nachgewiesene Betheiligung der Darmfaserplat-
ten an der Bildung des übrigen Gefässsystems lässt jedoch vermu-
then, dass auch die Aorten aus den innersten Theilen derselben
hervorgehen und würde in diesem Falle auch jetzt noch die Be-
nennung der Darmfaserplatten als »Gefässblatt« gestattet sein. Soll-
ten aber auch diese Gefässstämme oder gewisse Theile derselben
aus den Urwirbeln hervorgehen, so bliebe doch so viel bestehen,
dass beim Hühnchen und bei Säugethieren nur die innerste Schicht
des mittleren Keimblattes an der Bildung der ersten Gefässe bethei-
ligt ist. Diess wäre jedoch nicht so zu verstehen, als ob dieselbe
nur Gefässe lieferte, wie denn auch schon v. Baer aus der Gefäss-
schicht auch die Häute des Darmes z. Th., das Gekröse, die Wolff’-
schen Körper, die Geschlechtsorgane u. s. w. hervorgehen lässt.


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[91/0107] Erste Bildung der Gefässe. Vorlesungen her, in denen ich die Geschichte der Embryologie be- sprach, dass Pander neben seinem serösen Blatte und dem Schleimblatte auch ein sogenanntes Gefässblatt annimmt, in dem das Herz und die Gefässe sich ausbilden sollen. Diese Lehre, der sich auch v. Baer im Wesentlichen angeschlossen, ist in späte- rer Zeit vielfach missverstanden und dahin ausgelegt worden, dass nach der Ansicht der genannten Autoren Alle Gefässe des Körpers aus Einer besondern Keimschicht hervorgehen. Diess ist jedoch durchaus nicht die Meinung v. Baer’s, an dessen ausführlichere Schilderungen wir uns vorzüglich zu halten haben, vielmehr be- zieht sich die Aufstellung eines Gefässblattes nur auf die Gefässe des ersten Kreislaufes und in dieser Auffassung ist diese Lehre auch jetzt noch im Wesentlichen richtig. Auch die neuesten Untersuchun- gen Remak’s, die leicht zu constatiren sind, haben ergeben, dass alle Gefässe des Fruchthofes in einer besondern Lamelle des mittle- ren Keimblattes, der Darmfaserplatte, sich bilden; in derselben Schicht entsteht auch das Herz so wie die grossen Venenstämme. Was die primitiven Aorten anlangt, so ist ihre Entstehungsweise allerdings noch nicht ganzklar. Sie haben aus den früheren Zeichnun- gen entnehmen können (Figg. 24, 25), dass die Aorten anfänglich zwi- schen dem Randtheile der Urwirbel und dem innern Rande der Darmfa- serplatten, da, wo diese mit den Hautplatten zusammenhängen, ihre Lage haben. Es ist nun bis jetzt noch nicht entschieden, aus wel- chem Theile des mittleren Keimblattes die Aorten hervorgehen, ob aus den innersten Zellen der Darmfaserplatten oder aus den Urwir- beln. Die bestimmt nachgewiesene Betheiligung der Darmfaserplat- ten an der Bildung des übrigen Gefässsystems lässt jedoch vermu- then, dass auch die Aorten aus den innersten Theilen derselben hervorgehen und würde in diesem Falle auch jetzt noch die Be- nennung der Darmfaserplatten als »Gefässblatt« gestattet sein. Soll- ten aber auch diese Gefässstämme oder gewisse Theile derselben aus den Urwirbeln hervorgehen, so bliebe doch so viel bestehen, dass beim Hühnchen und bei Säugethieren nur die innerste Schicht des mittleren Keimblattes an der Bildung der ersten Gefässe bethei- ligt ist. Diess wäre jedoch nicht so zu verstehen, als ob dieselbe nur Gefässe lieferte, wie denn auch schon v. Baer aus der Gefäss- schicht auch die Häute des Darmes z. Th., das Gekröse, die Wolff’- schen Körper, die Geschlechtsorgane u. s. w. hervorgehen lässt.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/107>, abgerufen am 25.11.2024.