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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Dreizehnte Vorlesung.
hat, dass aber die ursprünglichen Blutzellen im dunklen Fruchthofe
rascher sich vermehren und sich früher färben. Wäre dem nicht so,
so müsste man annehmen, dass die Gefässanlagen im hellen Hofe in
ihrer Totalität und zwar unter Ausscheidung von Plasma allein zu
wirklichen Gefässen sich umbilden, was zwar nicht unmöglich, aber
doch gerade nicht wahrscheinlich ist.

Zeitverhältnisse
der Gefässbil-
dung.
Bemerkenswerth ist die Zeitfolge, in der nach Remak die Ent-
wicklung der verschiedenen Blutbehälter eintritt. Die primitiven
Blutgefässe im Fruchthofe bilden sich, wie erwähnt, alle gleichzeitig
am Ende des ersten Tages der Bebrütung, und auch die Färbung der
Blutzellen hat schon begonnen, bevor noch eine Spur des Herzens
sich zeigt. Aber die Entwicklung dieses Organes, die im Anfange
des zweiten Tages beginnt, geht so rasch von Statten, dass bald
eine regelrechte Circulation in Gang kommt. Reichert ist in dieser
Beziehung mit Remak nicht einverstanden und erklärt in seiner neue-
sten Arbeit, dass Herz und Gefässe zu gleicher Zeit sich anlegen.

Erste Blutzellen.Die ersten Blutzellen des Hühnchens sind, wie Sie aus dem
bisher Angegebenen schon hinreichend haben entnehmen können,
nichts anderes als die centralen Zellen der Anlagen der Gefässe und
des Herzens, und stimmen dessnahen in allen wesentlichen Merk-
malen mit den Bildungszellen der jungen Embryonen überein. Spä-
ter färben sich dieselben, verlieren ihren körnigen Inhalt und gehen
aus der mehr runden in die elliptische Form über. Wie diese eigent-
lichen Blutzellen weiter sich verhalten und sich vermehren, soll
später im Zusammenhange mit den weiteren Gestaltungen des Ge-
fässsystems des Näheren betrachtet werden.

Bildung der
ersten Gefässe
bei Säugern.
Die erste Gefäss- und Blutbildung im Hühnerembryo, obschon
noch nicht vollständig aufgehellt, ist doch im Ganzen wohl erforscht
im Vergleich zu dem, was wir von den Säugethierembryonen wis-
sen. Bei diesen kennt man bis jetzt weder die erste Bildung des
Herzens noch die der Gefässe. Da jedoch das Herz ursprünglich
eine einfache zellige Wandung besitzt, wie Bischoff beim Kaninchen-
embryo sah, und da nach demselben Autor die ersten Blutzellen des
Kaninchens farblose, den Bildungszellen ganz gleiche runde Zellen sind,
so erschliessen wir der Analogie nach, dass auch hier die ersten
Bildungsverhältnisse in ähnlicher Weise ablaufen wie beim Hühnchen.

Gibt es ein be-
sonderes Gefäss-
blatt?
Noch haben wir die Frage genauer zu beantworten, in welchem
Theile des Embryo oder des Keimes denn eigentlich das Herz und die
ersten Gefässe sich entwickeln. Sie erinnern sich von den ersten

Dreizehnte Vorlesung.
hat, dass aber die ursprünglichen Blutzellen im dunklen Fruchthofe
rascher sich vermehren und sich früher färben. Wäre dem nicht so,
so müsste man annehmen, dass die Gefässanlagen im hellen Hofe in
ihrer Totalität und zwar unter Ausscheidung von Plasma allein zu
wirklichen Gefässen sich umbilden, was zwar nicht unmöglich, aber
doch gerade nicht wahrscheinlich ist.

Zeitverhältnisse
der Gefässbil-
dung.
Bemerkenswerth ist die Zeitfolge, in der nach Remak die Ent-
wicklung der verschiedenen Blutbehälter eintritt. Die primitiven
Blutgefässe im Fruchthofe bilden sich, wie erwähnt, alle gleichzeitig
am Ende des ersten Tages der Bebrütung, und auch die Färbung der
Blutzellen hat schon begonnen, bevor noch eine Spur des Herzens
sich zeigt. Aber die Entwicklung dieses Organes, die im Anfange
des zweiten Tages beginnt, geht so rasch von Statten, dass bald
eine regelrechte Circulation in Gang kommt. Reichert ist in dieser
Beziehung mit Remak nicht einverstanden und erklärt in seiner neue-
sten Arbeit, dass Herz und Gefässe zu gleicher Zeit sich anlegen.

Erste Blutzellen.Die ersten Blutzellen des Hühnchens sind, wie Sie aus dem
bisher Angegebenen schon hinreichend haben entnehmen können,
nichts anderes als die centralen Zellen der Anlagen der Gefässe und
des Herzens, und stimmen dessnahen in allen wesentlichen Merk-
malen mit den Bildungszellen der jungen Embryonen überein. Spä-
ter färben sich dieselben, verlieren ihren körnigen Inhalt und gehen
aus der mehr runden in die elliptische Form über. Wie diese eigent-
lichen Blutzellen weiter sich verhalten und sich vermehren, soll
später im Zusammenhange mit den weiteren Gestaltungen des Ge-
fässsystems des Näheren betrachtet werden.

Bildung der
ersten Gefässe
bei Säugern.
Die erste Gefäss- und Blutbildung im Hühnerembryo, obschon
noch nicht vollständig aufgehellt, ist doch im Ganzen wohl erforscht
im Vergleich zu dem, was wir von den Säugethierembryonen wis-
sen. Bei diesen kennt man bis jetzt weder die erste Bildung des
Herzens noch die der Gefässe. Da jedoch das Herz ursprünglich
eine einfache zellige Wandung besitzt, wie Bischoff beim Kaninchen-
embryo sah, und da nach demselben Autor die ersten Blutzellen des
Kaninchens farblose, den Bildungszellen ganz gleiche runde Zellen sind,
so erschliessen wir der Analogie nach, dass auch hier die ersten
Bildungsverhältnisse in ähnlicher Weise ablaufen wie beim Hühnchen.

Gibt es ein be-
sonderes Gefäss-
blatt?
Noch haben wir die Frage genauer zu beantworten, in welchem
Theile des Embryo oder des Keimes denn eigentlich das Herz und die
ersten Gefässe sich entwickeln. Sie erinnern sich von den ersten

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[90/0106] Dreizehnte Vorlesung. hat, dass aber die ursprünglichen Blutzellen im dunklen Fruchthofe rascher sich vermehren und sich früher färben. Wäre dem nicht so, so müsste man annehmen, dass die Gefässanlagen im hellen Hofe in ihrer Totalität und zwar unter Ausscheidung von Plasma allein zu wirklichen Gefässen sich umbilden, was zwar nicht unmöglich, aber doch gerade nicht wahrscheinlich ist. Bemerkenswerth ist die Zeitfolge, in der nach Remak die Ent- wicklung der verschiedenen Blutbehälter eintritt. Die primitiven Blutgefässe im Fruchthofe bilden sich, wie erwähnt, alle gleichzeitig am Ende des ersten Tages der Bebrütung, und auch die Färbung der Blutzellen hat schon begonnen, bevor noch eine Spur des Herzens sich zeigt. Aber die Entwicklung dieses Organes, die im Anfange des zweiten Tages beginnt, geht so rasch von Statten, dass bald eine regelrechte Circulation in Gang kommt. Reichert ist in dieser Beziehung mit Remak nicht einverstanden und erklärt in seiner neue- sten Arbeit, dass Herz und Gefässe zu gleicher Zeit sich anlegen. Zeitverhältnisse der Gefässbil- dung. Die ersten Blutzellen des Hühnchens sind, wie Sie aus dem bisher Angegebenen schon hinreichend haben entnehmen können, nichts anderes als die centralen Zellen der Anlagen der Gefässe und des Herzens, und stimmen dessnahen in allen wesentlichen Merk- malen mit den Bildungszellen der jungen Embryonen überein. Spä- ter färben sich dieselben, verlieren ihren körnigen Inhalt und gehen aus der mehr runden in die elliptische Form über. Wie diese eigent- lichen Blutzellen weiter sich verhalten und sich vermehren, soll später im Zusammenhange mit den weiteren Gestaltungen des Ge- fässsystems des Näheren betrachtet werden. Erste Blutzellen. Die erste Gefäss- und Blutbildung im Hühnerembryo, obschon noch nicht vollständig aufgehellt, ist doch im Ganzen wohl erforscht im Vergleich zu dem, was wir von den Säugethierembryonen wis- sen. Bei diesen kennt man bis jetzt weder die erste Bildung des Herzens noch die der Gefässe. Da jedoch das Herz ursprünglich eine einfache zellige Wandung besitzt, wie Bischoff beim Kaninchen- embryo sah, und da nach demselben Autor die ersten Blutzellen des Kaninchens farblose, den Bildungszellen ganz gleiche runde Zellen sind, so erschliessen wir der Analogie nach, dass auch hier die ersten Bildungsverhältnisse in ähnlicher Weise ablaufen wie beim Hühnchen. Bildung der ersten Gefässe bei Säugern. Noch haben wir die Frage genauer zu beantworten, in welchem Theile des Embryo oder des Keimes denn eigentlich das Herz und die ersten Gefässe sich entwickeln. Sie erinnern sich von den ersten Gibt es ein be- sonderes Gefäss- blatt?

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/106>, abgerufen am 24.11.2024.