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Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

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Schlussfolgerungen.
kommt, für verschieden von einem anderen ebenso grossen halten,
der bei derselben Thierart, also unter denselben Lebensbedingun¬
gen, nur zerstreut gefunden wird. Ausserdem muss noch die ver¬
schiedene physiologische Wirkung berücksichtigt werden, wofür
ich kaum ein treffenderes Beispiel wüsste, als die nebeneinander
im Ohrzellgewebe einer Maus vegetirenden Bacillen und ketten¬
förmigen Mikrokokken, von denen die einen ins Blut übergehen
und in die weissen Blutkörperchen eindringen, die anderen lang¬
sam im Gewebe sich ausbreiten und alles um sich her zerstören;
dann die Septicämie- und Pyämiemikrokokken des Kaninchens
in ihrem verschiedenen Verhalten zum Blute, ferner die nur an
der Oberfläche des Ohrknorpels von Kaninchen sich ausbreiten¬
den Bacillen bei der erysipelasartigen Krankheit im Gegensatz zu
den ebenfalls am Kaninchenohr eingeimpften schnell ins Blut über¬
gehenden Milzbrandbacillen.

Wenn nun aber jeder der untersuchten Krankheiten eine durch
physiologische Wirkung, durch Wachsthumsverhältnisse, Grösse
und Gestalt genau charakterisirte Bakterienform entspricht, die,
so oft auch die Krankheit weiter verpflanzt wird, immer dieselbe
bleibt und niemals in andere Formen z. B. von der kugelförmigen
in eine stabförmige übergeht, dann bleibt nichts weiter übrig, als
dass diese verschiedenen Formen von pathogenen Bakterien vor¬
läufig als constante Arten anzusehen sind.

Dies ist allerdings eine Behauptung, welche vielfachen Wider¬
spruch namentlich bei Botanikern finden wird, vor deren Forum
diese Angelegenheit eigentlich gehört.

Zu denjenigen Botanikern, die sich gegen die Trennung der
Bakterien in Arten erklären, gehört beispielsweise Naegeli 1) in¬
dem er sagt "ich habe seit 10 Jahren wohl tausende von ver¬
schiedenen Spalthefeformen untersucht und ich könnte nicht be¬
haupten, dass auch nur zur Trennung in zwei specifische Formen
Nöthigung vorhanden sei."

Auch Brefeld 2) will nur dann specifische Formen, die zur
Aufstellung von Arten berechtigen, gelten lassen, wenn die ge¬
sammte Entwicklungsgeschichte im Wege der Cultur continuirlich
von Spore zu Spore in den verschiedensten Nährlösungen beob¬
achtet ist.

1) Die niederen Pilze. München 1877. S. 20.
2) Untersuchungen über die Spaltpilze. Sitzungsbericht der Gesellschaft
naturforschender Freunde in Berlin vom 19. Febr. 1878.

Schlussfolgerungen.
kommt, für verschieden von einem anderen ebenso grossen halten,
der bei derselben Thierart, also unter denselben Lebensbedingun¬
gen, nur zerstreut gefunden wird. Ausserdem muss noch die ver¬
schiedene physiologische Wirkung berücksichtigt werden, wofür
ich kaum ein treffenderes Beispiel wüsste, als die nebeneinander
im Ohrzellgewebe einer Maus vegetirenden Bacillen und ketten¬
förmigen Mikrokokken, von denen die einen ins Blut übergehen
und in die weissen Blutkörperchen eindringen, die anderen lang¬
sam im Gewebe sich ausbreiten und alles um sich her zerstören;
dann die Septicämie- und Pyämiemikrokokken des Kaninchens
in ihrem verschiedenen Verhalten zum Blute, ferner die nur an
der Oberfläche des Ohrknorpels von Kaninchen sich ausbreiten¬
den Bacillen bei der erysipelasartigen Krankheit im Gegensatz zu
den ebenfalls am Kaninchenohr eingeimpften schnell ins Blut über¬
gehenden Milzbrandbacillen.

Wenn nun aber jeder der untersuchten Krankheiten eine durch
physiologische Wirkung, durch Wachsthumsverhältnisse, Grösse
und Gestalt genau charakterisirte Bakterienform entspricht, die,
so oft auch die Krankheit weiter verpflanzt wird, immer dieselbe
bleibt und niemals in andere Formen z. B. von der kugelförmigen
in eine stabförmige übergeht, dann bleibt nichts weiter übrig, als
dass diese verschiedenen Formen von pathogenen Bakterien vor¬
läufig als constante Arten anzusehen sind.

Dies ist allerdings eine Behauptung, welche vielfachen Wider¬
spruch namentlich bei Botanikern finden wird, vor deren Forum
diese Angelegenheit eigentlich gehört.

Zu denjenigen Botanikern, die sich gegen die Trennung der
Bakterien in Arten erklären, gehört beispielsweise Naegeli 1) in¬
dem er sagt „ich habe seit 10 Jahren wohl tausende von ver¬
schiedenen Spalthefeformen untersucht und ich könnte nicht be¬
haupten, dass auch nur zur Trennung in zwei specifische Formen
Nöthigung vorhanden sei.“

Auch Brefeld 2) will nur dann specifische Formen, die zur
Aufstellung von Arten berechtigen, gelten lassen, wenn die ge¬
sammte Entwicklungsgeschichte im Wege der Cultur continuirlich
von Spore zu Spore in den verschiedensten Nährlösungen beob¬
achtet ist.

1) Die niederen Pilze. München 1877. S. 20.
2) Untersuchungen über die Spaltpilze. Sitzungsbericht der Gesellschaft
naturforschender Freunde in Berlin vom 19. Febr. 1878.
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[72/0082] Schlussfolgerungen. kommt, für verschieden von einem anderen ebenso grossen halten, der bei derselben Thierart, also unter denselben Lebensbedingun¬ gen, nur zerstreut gefunden wird. Ausserdem muss noch die ver¬ schiedene physiologische Wirkung berücksichtigt werden, wofür ich kaum ein treffenderes Beispiel wüsste, als die nebeneinander im Ohrzellgewebe einer Maus vegetirenden Bacillen und ketten¬ förmigen Mikrokokken, von denen die einen ins Blut übergehen und in die weissen Blutkörperchen eindringen, die anderen lang¬ sam im Gewebe sich ausbreiten und alles um sich her zerstören; dann die Septicämie- und Pyämiemikrokokken des Kaninchens in ihrem verschiedenen Verhalten zum Blute, ferner die nur an der Oberfläche des Ohrknorpels von Kaninchen sich ausbreiten¬ den Bacillen bei der erysipelasartigen Krankheit im Gegensatz zu den ebenfalls am Kaninchenohr eingeimpften schnell ins Blut über¬ gehenden Milzbrandbacillen. Wenn nun aber jeder der untersuchten Krankheiten eine durch physiologische Wirkung, durch Wachsthumsverhältnisse, Grösse und Gestalt genau charakterisirte Bakterienform entspricht, die, so oft auch die Krankheit weiter verpflanzt wird, immer dieselbe bleibt und niemals in andere Formen z. B. von der kugelförmigen in eine stabförmige übergeht, dann bleibt nichts weiter übrig, als dass diese verschiedenen Formen von pathogenen Bakterien vor¬ läufig als constante Arten anzusehen sind. Dies ist allerdings eine Behauptung, welche vielfachen Wider¬ spruch namentlich bei Botanikern finden wird, vor deren Forum diese Angelegenheit eigentlich gehört. Zu denjenigen Botanikern, die sich gegen die Trennung der Bakterien in Arten erklären, gehört beispielsweise Naegeli 1) in¬ dem er sagt „ich habe seit 10 Jahren wohl tausende von ver¬ schiedenen Spalthefeformen untersucht und ich könnte nicht be¬ haupten, dass auch nur zur Trennung in zwei specifische Formen Nöthigung vorhanden sei.“ Auch Brefeld 2) will nur dann specifische Formen, die zur Aufstellung von Arten berechtigen, gelten lassen, wenn die ge¬ sammte Entwicklungsgeschichte im Wege der Cultur continuirlich von Spore zu Spore in den verschiedensten Nährlösungen beob¬ achtet ist. 1) Die niederen Pilze. München 1877. S. 20. 2) Untersuchungen über die Spaltpilze. Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin vom 19. Febr. 1878.

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Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/82>, abgerufen am 22.11.2024.