Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. bis jetzt vorliegenden Beobachtungen über die Bakterien der Wund¬infectionskrankheiten in den meisten Fällen nicht. Gewöhnlich wird von erheblicheren Mikrokokkenanhäufungen auf der Wund¬ oberfläche berichtet, die indessen nur bei grösseren Wunden in Betracht kommen können; während in inneren Organen nichts weiter als miliare Bakteriencolonien, oft in geringer Zahl gefunden wurden. Das steht doch in gar keinem Verhältniss zu der kaum glaublichen Menge von Bacillen im Milzbrandblut. Es können deswegen auch nur solche Befunde als ausreichend zur Erklärung des Krankheitsprocesses gelten, welche eine bedeutende Menge von Bakterien nachgewiesen haben. Nun gibt es allerdings An¬ gaben über massenhaftes Auftreten von Mikrokokken im Blute oder in den Geweben, das sind aber leider gerade diejenigen, die aus den früher angegebenen Gründen am wenigsten zuverlässig sind. Ein dritter Punkt muss noch gegen die Beweiskraft der Bak¬ Jedem, der die Bakterienliteratur durchgeht, muss es sofort Diese Bedenken sind auch schon mehrfach geäussert. So z. B. von Birch-Hirschfeld.1) Derselbe sagt: Die mor¬ 1) 1. c. S.
3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. bis jetzt vorliegenden Beobachtungen über die Bakterien der Wund¬infectionskrankheiten in den meisten Fällen nicht. Gewöhnlich wird von erheblicheren Mikrokokkenanhäufungen auf der Wund¬ oberfläche berichtet, die indessen nur bei grösseren Wunden in Betracht kommen können; während in inneren Organen nichts weiter als miliare Bakteriencolonien, oft in geringer Zahl gefunden wurden. Das steht doch in gar keinem Verhältniss zu der kaum glaublichen Menge von Bacillen im Milzbrandblut. Es können deswegen auch nur solche Befunde als ausreichend zur Erklärung des Krankheitsprocesses gelten, welche eine bedeutende Menge von Bakterien nachgewiesen haben. Nun gibt es allerdings An¬ gaben über massenhaftes Auftreten von Mikrokokken im Blute oder in den Geweben, das sind aber leider gerade diejenigen, die aus den früher angegebenen Gründen am wenigsten zuverlässig sind. Ein dritter Punkt muss noch gegen die Beweiskraft der Bak¬ Jedem, der die Bakterienliteratur durchgeht, muss es sofort Diese Bedenken sind auch schon mehrfach geäussert. So z. B. von Birch-Hirschfeld.1) Derselbe sagt: Die mor¬ 1) 1. c. S.
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3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen.
bis jetzt vorliegenden Beobachtungen über die Bakterien der Wund¬
infectionskrankheiten in den meisten Fällen nicht. Gewöhnlich
wird von erheblicheren Mikrokokkenanhäufungen auf der Wund¬
oberfläche berichtet, die indessen nur bei grösseren Wunden in
Betracht kommen können; während in inneren Organen nichts
weiter als miliare Bakteriencolonien, oft in geringer Zahl gefunden
wurden. Das steht doch in gar keinem Verhältniss zu der kaum
glaublichen Menge von Bacillen im Milzbrandblut. Es können
deswegen auch nur solche Befunde als ausreichend zur Erklärung
des Krankheitsprocesses gelten, welche eine bedeutende Menge
von Bakterien nachgewiesen haben. Nun gibt es allerdings An¬
gaben über massenhaftes Auftreten von Mikrokokken im Blute
oder in den Geweben, das sind aber leider gerade diejenigen, die
aus den früher angegebenen Gründen am wenigsten zuverlässig sind.
Ein dritter Punkt muss noch gegen die Beweiskraft der Bak¬
terienfunde geltend gemacht werden. Es ist das die gleiche mor¬
phologische Beschaffenheit der bei den verschiedensten Wundin¬
fectionskrankheiten und selbst noch bei anderen gar nicht damit
verwandten Infectionskrankheiten angetroffenen Bakterien.
Jedem, der die Bakterienliteratur durchgeht, muss es sofort
auffallen, dass die beiden am besten bekannten Bakterienkrank¬
heiten, der Milzbrand und der Typhus recurrens sich durch die
wohl charakterisirte und leicht erkennbare Form ihrer Parasiten
auszeichnen, dass aber bei fast allen übrigen Infectionskrankheiten,
welche anscheinend mit Mikroorganismen in Beziehung stehen,
eine merkwürdige Uebereinstimmung in Gestalt, Grösse, Anord¬
nung, theilweise sogar in der Färbung der beobachteten Bakterien
herrscht. Gerade weil beim Typhus recurrens und Milzbrand so
bedeutende Unterschiede in dieser Beziehung bestehen, muss die
Gleichmässigkeit der übrigen pathogenen Bakterien Misstrauen
gegen die Richtigkeit der Beobachtung und gegen die Annahme
erwecken, dass Krankheiten, welche theilweise ebenso wenig mit¬
einander verwandt zu sein scheinen als jene, dennoch durch die¬
selben Organismen veranlasst werden sollten.
Diese Bedenken sind auch schon mehrfach geäussert.
So z. B. von Birch-Hirschfeld. 1) Derselbe sagt: Die mor¬
phologischen Charaktere der bei der Pyämie, der Diphtheritis,
den Pocken, der Cholera gefundenen Bakterien sind so gleich¬
1) 1. c. S.
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