Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite

Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.
Falle die körnigen Bestandteile des Blutes für Mikrokokken, im
anderen Falle etwa vorhandene Mikrokokken für die Reste zer¬
fallener weisser Blutkörperchen ansah. Normales Blut und nor¬
male Gewebe habe ich nun mit Hülfsmitteln, die das Uebersehen
von Bakterien und ihre Verwechslung mit gleich grossen körnigen
Massen nicht zulassen, vielfach untersucht und dabei nicht ein
einziges Mal Bakterien gefunden. Ich habe deswegen gleichfalls
die Ueberzeugung gewonnen, dass die Bakterien im Blut und in
den Geweben des gefunden thierischen sowohl als menschlichen Or¬
ganismus nicht vorkommen.

Dagegen scheinen mir folgende Einwendungen gegen die An¬
nahme, dass die Bakterien die Ursache der Wundinfectionskrank¬
heiten sind, berechtigt zu sein. Es muss, um einen vollgültigen
Beweis für diese Annahme zu gewinnen, verlangt werden, dass
die Bakterien ausnahmslos und in derartigen Verhältnissen betreffs
ihrer Menge und Vertheilung, nachgewiesen werden, dass die Sym¬
ptome der betreffenden Krankheit ihre vollständige Erklärung finden.

Denn wenn in einigen Fällen einer bestimmten Art von Wund¬
infectionskrankheiten Bakterien gefunden werden, in anderen
ebenso beschaffenen aber nicht, und wenn ferner die Bakterien
in so geringer Anzahl vorhanden sind, dass dadurch unmöglich
eine schwere Krankheit oder gar das tödtliche Ende bewirkt sein
kann, dann bleibt selbstverständlich nichts übrig, als das unbe¬
ständige Auftreten der Bakterien als ein vom Zufall abhängiges
und die geringe Menge derselben als einzige Ursache der betreffen¬
den Krankheit nicht ausreichend, also noch andere Ursachen da¬
neben anzunehmen. Diesen Anforderungen zu einem vollgültigen
Beweis entsprechen nun aber in der That die über das Vorkom¬
men der Bakterien bei Wundinfectionskrankheiten gemachten Be¬
obachtungen nicht.

Wegen der schon früher hervorgehobenen Schwierigkeit des
Nachweises von Bakterien im Blut und namentlich in den Geweben
sind viele der oben citirten Angaben auf erhebliche Zweifel ge¬
stossen, ob immer mit Recht, das muss dahingestellt bleiben; denn
die frühere Untersuchungsmethode ist eben in den meisten Fällen
ein Tappen im Finstern und die Resultate derselben konnten nur
sehr zweifelhaft ausfallen.

Aber auch abgesehen von dem unsicheren Ergebniss mancher
mühevollen Arbeit über die Bakterien der Wundinfectionskrank¬
heiten bringt die Literatur eine Menge von Angaben über das

Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.
Falle die körnigen Bestandteile des Blutes für Mikrokokken, im
anderen Falle etwa vorhandene Mikrokokken für die Reste zer¬
fallener weisser Blutkörperchen ansah. Normales Blut und nor¬
male Gewebe habe ich nun mit Hülfsmitteln, die das Uebersehen
von Bakterien und ihre Verwechslung mit gleich grossen körnigen
Massen nicht zulassen, vielfach untersucht und dabei nicht ein
einziges Mal Bakterien gefunden. Ich habe deswegen gleichfalls
die Ueberzeugung gewonnen, dass die Bakterien im Blut und in
den Geweben des gefunden thierischen sowohl als menschlichen Or¬
ganismus nicht vorkommen.

Dagegen scheinen mir folgende Einwendungen gegen die An¬
nahme, dass die Bakterien die Ursache der Wundinfectionskrank¬
heiten sind, berechtigt zu sein. Es muss, um einen vollgültigen
Beweis für diese Annahme zu gewinnen, verlangt werden, dass
die Bakterien ausnahmslos und in derartigen Verhältnissen betreffs
ihrer Menge und Vertheilung, nachgewiesen werden, dass die Sym¬
ptome der betreffenden Krankheit ihre vollständige Erklärung finden.

Denn wenn in einigen Fällen einer bestimmten Art von Wund¬
infectionskrankheiten Bakterien gefunden werden, in anderen
ebenso beschaffenen aber nicht, und wenn ferner die Bakterien
in so geringer Anzahl vorhanden sind, dass dadurch unmöglich
eine schwere Krankheit oder gar das tödtliche Ende bewirkt sein
kann, dann bleibt selbstverständlich nichts übrig, als das unbe¬
ständige Auftreten der Bakterien als ein vom Zufall abhängiges
und die geringe Menge derselben als einzige Ursache der betreffen¬
den Krankheit nicht ausreichend, also noch andere Ursachen da¬
neben anzunehmen. Diesen Anforderungen zu einem vollgültigen
Beweis entsprechen nun aber in der That die über das Vorkom¬
men der Bakterien bei Wundinfectionskrankheiten gemachten Be¬
obachtungen nicht.

Wegen der schon früher hervorgehobenen Schwierigkeit des
Nachweises von Bakterien im Blut und namentlich in den Geweben
sind viele der oben citirten Angaben auf erhebliche Zweifel ge¬
stossen, ob immer mit Recht, das muss dahingestellt bleiben; denn
die frühere Untersuchungsmethode ist eben in den meisten Fällen
ein Tappen im Finstern und die Resultate derselben konnten nur
sehr zweifelhaft ausfallen.

Aber auch abgesehen von dem unsicheren Ergebniss mancher
mühevollen Arbeit über die Bakterien der Wundinfectionskrank¬
heiten bringt die Literatur eine Menge von Angaben über das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="22"/><fw place="top" type="header">Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.<lb/></fw>Falle die körnigen Bestandteile des Blutes für Mikrokokken, im<lb/>
anderen Falle etwa vorhandene Mikrokokken für die Reste zer¬<lb/>
fallener weisser Blutkörperchen ansah. Normales Blut und nor¬<lb/>
male Gewebe habe ich nun mit Hülfsmitteln, die das Uebersehen<lb/>
von Bakterien und ihre Verwechslung mit gleich grossen körnigen<lb/>
Massen nicht zulassen, vielfach untersucht und dabei nicht ein<lb/>
einziges Mal Bakterien gefunden. Ich habe deswegen gleichfalls<lb/>
die Ueberzeugung gewonnen, <hi rendition="#i">dass die Bakterien im Blut und in<lb/>
den Geweben des gefunden thierischen sowohl als menschlichen Or¬<lb/>
ganismus nicht vorkommen.</hi></p><lb/>
          <p>Dagegen scheinen mir folgende Einwendungen gegen die An¬<lb/>
nahme, dass die Bakterien die Ursache der Wundinfectionskrank¬<lb/>
heiten sind, berechtigt zu sein. Es muss, um einen vollgültigen<lb/>
Beweis für diese Annahme zu gewinnen, verlangt werden, <hi rendition="#i">dass<lb/>
die Bakterien ausnahmslos und in derartigen Verhältnissen betreffs<lb/>
ihrer Menge und Vertheilung, nachgewiesen werden, dass die Sym¬<lb/>
ptome der betreffenden Krankheit ihre vollständige Erklärung finden.</hi><lb/>
Denn wenn in einigen Fällen einer bestimmten Art von Wund¬<lb/>
infectionskrankheiten Bakterien gefunden werden, in anderen<lb/>
ebenso beschaffenen aber nicht, und wenn ferner die Bakterien<lb/>
in so geringer Anzahl vorhanden sind, dass dadurch unmöglich<lb/>
eine schwere Krankheit oder gar das tödtliche Ende bewirkt sein<lb/>
kann, dann bleibt selbstverständlich nichts übrig, als das unbe¬<lb/>
ständige Auftreten der Bakterien als ein vom Zufall abhängiges<lb/>
und die geringe Menge derselben als einzige Ursache der betreffen¬<lb/>
den Krankheit nicht ausreichend, also noch andere Ursachen da¬<lb/>
neben anzunehmen. Diesen Anforderungen zu einem vollgültigen<lb/>
Beweis entsprechen nun aber in der That die über das Vorkom¬<lb/>
men der Bakterien bei Wundinfectionskrankheiten gemachten Be¬<lb/>
obachtungen nicht.</p><lb/>
          <p>Wegen der schon früher hervorgehobenen Schwierigkeit des<lb/>
Nachweises von Bakterien im Blut und namentlich in den Geweben<lb/>
sind viele der oben citirten Angaben auf erhebliche Zweifel ge¬<lb/>
stossen, ob immer mit Recht, das muss dahingestellt bleiben; denn<lb/>
die frühere Untersuchungsmethode ist eben in den meisten Fällen<lb/>
ein Tappen im Finstern und die Resultate derselben konnten nur<lb/>
sehr zweifelhaft ausfallen.</p><lb/>
          <p>Aber auch abgesehen von dem unsicheren Ergebniss mancher<lb/>
mühevollen Arbeit über die Bakterien der Wundinfectionskrank¬<lb/>
heiten bringt die Literatur eine Menge von Angaben über das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0032] Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. Falle die körnigen Bestandteile des Blutes für Mikrokokken, im anderen Falle etwa vorhandene Mikrokokken für die Reste zer¬ fallener weisser Blutkörperchen ansah. Normales Blut und nor¬ male Gewebe habe ich nun mit Hülfsmitteln, die das Uebersehen von Bakterien und ihre Verwechslung mit gleich grossen körnigen Massen nicht zulassen, vielfach untersucht und dabei nicht ein einziges Mal Bakterien gefunden. Ich habe deswegen gleichfalls die Ueberzeugung gewonnen, dass die Bakterien im Blut und in den Geweben des gefunden thierischen sowohl als menschlichen Or¬ ganismus nicht vorkommen. Dagegen scheinen mir folgende Einwendungen gegen die An¬ nahme, dass die Bakterien die Ursache der Wundinfectionskrank¬ heiten sind, berechtigt zu sein. Es muss, um einen vollgültigen Beweis für diese Annahme zu gewinnen, verlangt werden, dass die Bakterien ausnahmslos und in derartigen Verhältnissen betreffs ihrer Menge und Vertheilung, nachgewiesen werden, dass die Sym¬ ptome der betreffenden Krankheit ihre vollständige Erklärung finden. Denn wenn in einigen Fällen einer bestimmten Art von Wund¬ infectionskrankheiten Bakterien gefunden werden, in anderen ebenso beschaffenen aber nicht, und wenn ferner die Bakterien in so geringer Anzahl vorhanden sind, dass dadurch unmöglich eine schwere Krankheit oder gar das tödtliche Ende bewirkt sein kann, dann bleibt selbstverständlich nichts übrig, als das unbe¬ ständige Auftreten der Bakterien als ein vom Zufall abhängiges und die geringe Menge derselben als einzige Ursache der betreffen¬ den Krankheit nicht ausreichend, also noch andere Ursachen da¬ neben anzunehmen. Diesen Anforderungen zu einem vollgültigen Beweis entsprechen nun aber in der That die über das Vorkom¬ men der Bakterien bei Wundinfectionskrankheiten gemachten Be¬ obachtungen nicht. Wegen der schon früher hervorgehobenen Schwierigkeit des Nachweises von Bakterien im Blut und namentlich in den Geweben sind viele der oben citirten Angaben auf erhebliche Zweifel ge¬ stossen, ob immer mit Recht, das muss dahingestellt bleiben; denn die frühere Untersuchungsmethode ist eben in den meisten Fällen ein Tappen im Finstern und die Resultate derselben konnten nur sehr zweifelhaft ausfallen. Aber auch abgesehen von dem unsicheren Ergebniss mancher mühevollen Arbeit über die Bakterien der Wundinfectionskrank¬ heiten bringt die Literatur eine Menge von Angaben über das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/32
Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/32>, abgerufen am 24.11.2024.