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Koch, Konrad: Das Fußballspiel im Jahre 1899. In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele. 9. Jahrgang. Leipzig, 1900. S. 219-224.

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Sehr wichtig ist die frühe Gewöhnung der Jugend an unbedingte
Rücksichtnahme auf den Gegner. Deshalb erscheint es um so erfreu-
licher, daß die Turnvereinigung Berliner Lehrer sich in
diesem Jahre für eine eifrige Pflege des Spiels nicht nur an den
höheren Schulen, sondern auch an den Volksschulen ausgesprochen hat.
In früheren Jahren hatten sich gerade manche Berliner Turner mit
viel Nachdruck gegen das Spiel ausgesprochen. Und so war denn die
Sorge für die Ausbildung des jugendlichen Nachwuchses fast aus-
schließlich den Sportvereinen selbst überlassen. Soll das Spiel,
wie der betr. Beschluß der Berliner Lehrer ausdrücklich
verlangt, in turnerischem Sinne betrieben werden, so
müssen eben die Turnlehrer sich seiner Pflege gründ-
lich annehmen.
Das wird allen wahren Freunden des Spiels im
höchsten Grade erwünscht sein, da es dadurch nur an Feinheit ge-
winnen kann und vor Ausartungen möglichst geschützt wird. Möge
der betreffende Beschluß der Berliner Lehrer von solchen segensreichen
Folgen begleitet sein, damit die Berliner Fußballvereine, die ihrem
Umfange nach sicherlich alle anderen deutschen übertreffen, sich auch
durch ihre Spielweise vorteilhaft auszeichnen!

Eine bekannte englische medizinische Zeitschrift, "The Lancet",
lieferte früher alljährlich einen Schauerbericht über die beim Fußball
vorgekommenen Unglücksfälle. Deutsche Blätter, die gelegentlich gern
ihren Lesern das Vergnügen des "Gruselns" machen, druckten stets
eifrig diesen Bericht nach und knüpften einige absprechende Bemerkungen
über das Spiel daran. In diesem Jahre hat sich die "Lancet" bekehrt;
sie bereut, daß sie früher gegen den Fußball gewesen sei wegen seiner
Gefährlichkeit, findet nun, daß ein heilsamer, kräftiger Sport nicht
ohne gewisse Gefahren möglich sei, daß deren Zahl beim Fußball ver-
hältnismäßig gering sei, und stellt schließlich fest, daß die Unglücks-
fälle jetzt viel seltener vorkommen. Zu ihrer Belehrung hat sehr viel
das großartige Wettspiel beigetragen, das am 15. April im Krystall-
pallast in London vor einer Zuschauermenge von 80 000 Mann statt-
gefunden hat. Die ersten englischen Staatsmänner, Lord Roseberry
und Balfour, verteilten die Preise. Die Spieler waren die besten,
die England stellen konnte. Jeder gute Spieler, schreibt die "Lancet",
vermied streng alle unschönen und unrichtigen Mittel. So viel erhellt
jedenfalls auch aus dieser Thatsache, daß Fußball durch Roheit ver-
liert und geradezu entartet, daß dagegen feines Spiel nichts als ge-
fährlich anzusehen ist.

Die Geschichte des Fußballspiels in Deutschland hat

Sehr wichtig ist die frühe Gewöhnung der Jugend an unbedingte
Rücksichtnahme auf den Gegner. Deshalb erscheint es um so erfreu-
licher, daß die Turnvereinigung Berliner Lehrer sich in
diesem Jahre für eine eifrige Pflege des Spiels nicht nur an den
höheren Schulen, sondern auch an den Volksschulen ausgesprochen hat.
In früheren Jahren hatten sich gerade manche Berliner Turner mit
viel Nachdruck gegen das Spiel ausgesprochen. Und so war denn die
Sorge für die Ausbildung des jugendlichen Nachwuchses fast aus-
schließlich den Sportvereinen selbst überlassen. Soll das Spiel,
wie der betr. Beschluß der Berliner Lehrer ausdrücklich
verlangt, in turnerischem Sinne betrieben werden, so
müssen eben die Turnlehrer sich seiner Pflege gründ-
lich annehmen.
Das wird allen wahren Freunden des Spiels im
höchsten Grade erwünscht sein, da es dadurch nur an Feinheit ge-
winnen kann und vor Ausartungen möglichst geschützt wird. Möge
der betreffende Beschluß der Berliner Lehrer von solchen segensreichen
Folgen begleitet sein, damit die Berliner Fußballvereine, die ihrem
Umfange nach sicherlich alle anderen deutschen übertreffen, sich auch
durch ihre Spielweise vorteilhaft auszeichnen!

Eine bekannte englische medizinische Zeitschrift, „The Lancet“,
lieferte früher alljährlich einen Schauerbericht über die beim Fußball
vorgekommenen Unglücksfälle. Deutsche Blätter, die gelegentlich gern
ihren Lesern das Vergnügen des „Gruselns“ machen, druckten stets
eifrig diesen Bericht nach und knüpften einige absprechende Bemerkungen
über das Spiel daran. In diesem Jahre hat sich die „Lancet“ bekehrt;
sie bereut, daß sie früher gegen den Fußball gewesen sei wegen seiner
Gefährlichkeit, findet nun, daß ein heilsamer, kräftiger Sport nicht
ohne gewisse Gefahren möglich sei, daß deren Zahl beim Fußball ver-
hältnismäßig gering sei, und stellt schließlich fest, daß die Unglücks-
fälle jetzt viel seltener vorkommen. Zu ihrer Belehrung hat sehr viel
das großartige Wettspiel beigetragen, das am 15. April im Krystall-
pallast in London vor einer Zuschauermenge von 80 000 Mann statt-
gefunden hat. Die ersten englischen Staatsmänner, Lord Roseberry
und Balfour, verteilten die Preise. Die Spieler waren die besten,
die England stellen konnte. Jeder gute Spieler, schreibt die „Lancet“,
vermied streng alle unschönen und unrichtigen Mittel. So viel erhellt
jedenfalls auch aus dieser Thatsache, daß Fußball durch Roheit ver-
liert und geradezu entartet, daß dagegen feines Spiel nichts als ge-
fährlich anzusehen ist.

Die Geschichte des Fußballspiels in Deutschland hat

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[221/0004] Sehr wichtig ist die frühe Gewöhnung der Jugend an unbedingte Rücksichtnahme auf den Gegner. Deshalb erscheint es um so erfreu- licher, daß die Turnvereinigung Berliner Lehrer sich in diesem Jahre für eine eifrige Pflege des Spiels nicht nur an den höheren Schulen, sondern auch an den Volksschulen ausgesprochen hat. In früheren Jahren hatten sich gerade manche Berliner Turner mit viel Nachdruck gegen das Spiel ausgesprochen. Und so war denn die Sorge für die Ausbildung des jugendlichen Nachwuchses fast aus- schließlich den Sportvereinen selbst überlassen. Soll das Spiel, wie der betr. Beschluß der Berliner Lehrer ausdrücklich verlangt, in turnerischem Sinne betrieben werden, so müssen eben die Turnlehrer sich seiner Pflege gründ- lich annehmen. Das wird allen wahren Freunden des Spiels im höchsten Grade erwünscht sein, da es dadurch nur an Feinheit ge- winnen kann und vor Ausartungen möglichst geschützt wird. Möge der betreffende Beschluß der Berliner Lehrer von solchen segensreichen Folgen begleitet sein, damit die Berliner Fußballvereine, die ihrem Umfange nach sicherlich alle anderen deutschen übertreffen, sich auch durch ihre Spielweise vorteilhaft auszeichnen! Eine bekannte englische medizinische Zeitschrift, „The Lancet“, lieferte früher alljährlich einen Schauerbericht über die beim Fußball vorgekommenen Unglücksfälle. Deutsche Blätter, die gelegentlich gern ihren Lesern das Vergnügen des „Gruselns“ machen, druckten stets eifrig diesen Bericht nach und knüpften einige absprechende Bemerkungen über das Spiel daran. In diesem Jahre hat sich die „Lancet“ bekehrt; sie bereut, daß sie früher gegen den Fußball gewesen sei wegen seiner Gefährlichkeit, findet nun, daß ein heilsamer, kräftiger Sport nicht ohne gewisse Gefahren möglich sei, daß deren Zahl beim Fußball ver- hältnismäßig gering sei, und stellt schließlich fest, daß die Unglücks- fälle jetzt viel seltener vorkommen. Zu ihrer Belehrung hat sehr viel das großartige Wettspiel beigetragen, das am 15. April im Krystall- pallast in London vor einer Zuschauermenge von 80 000 Mann statt- gefunden hat. Die ersten englischen Staatsmänner, Lord Roseberry und Balfour, verteilten die Preise. Die Spieler waren die besten, die England stellen konnte. Jeder gute Spieler, schreibt die „Lancet“, vermied streng alle unschönen und unrichtigen Mittel. So viel erhellt jedenfalls auch aus dieser Thatsache, daß Fußball durch Roheit ver- liert und geradezu entartet, daß dagegen feines Spiel nichts als ge- fährlich anzusehen ist. Die Geschichte des Fußballspiels in Deutschland hat

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Zitationshilfe: Koch, Konrad: Das Fußballspiel im Jahre 1899. In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele. 9. Jahrgang. Leipzig, 1900. S. 219-224, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_fussballspiel1899_1900/4>, abgerufen am 22.11.2024.