mir danken, gerührt gen Himmel blikken -- und eine Träne des Mitleids auf das Blatt herab- fallen lassen. --
O, meine Caroline! mit Zittern ergreife ich die Feder, um Dir all' das traurige und unglükliche meiner jezigen Lage zu schildern, aber können das Worte? Jch werde ermatten und in langsamen Jammer dahin schmachten und sterben. Aber warum musten die, welche mir das Dasein gaben, auch mir dasselbe rauben? Warum musten sie mir diese Bürde aufladen, da ich zu schwach bin sie zu tragen? Vor vier Wochen gab ich meine Hand dem, den nicht mein Herz, sondern meine harte Aeltern für mich be- stimmt hatten. Wie zitterte ich, da der entscheidende Augenblik kam! Jch muß blaß wie der Tod ausgese- ben haben, und mein Ja am Altar war ein stottern- des ohnmächtiges Ja, von dem mein Herz nichts wußte. Nein es wußte nichts davon, da mein Mund den Bund versiegelte; dieser Mund log und redete die Unwarheit. Straf mich nicht, Gerechter! wenn ich treulos werde; ich kann den Mann nicht lieben, dem ich Liebe log. Mein Herz empört sich, es kann den Gedanken nicht entfalten, mit ihm verbunden zu sein. Mein Herz kann nicht geteilt werden, und
mir danken, geruͤhrt gen Himmel blikken — und eine Traͤne des Mitleids auf das Blatt herab- fallen laſſen. —
O, meine Caroline! mit Zittern ergreife ich die Feder, um Dir all’ das traurige und ungluͤkliche meiner jezigen Lage zu ſchildern, aber koͤnnen das Worte? Jch werde ermatten und in langſamen Jammer dahin ſchmachten und ſterben. Aber warum muſten die, welche mir das Daſein gaben, auch mir daſſelbe rauben? Warum muſten ſie mir dieſe Buͤrde aufladen, da ich zu ſchwach bin ſie zu tragen? Vor vier Wochen gab ich meine Hand dem, den nicht mein Herz, ſondern meine harte Aeltern fuͤr mich be- ſtimmt hatten. Wie zitterte ich, da der entſcheidende Augenblik kam! Jch muß blaß wie der Tod ausgeſe- ben haben, und mein Ja am Altar war ein ſtottern- des ohnmaͤchtiges Ja, von dem mein Herz nichts wußte. Nein es wußte nichts davon, da mein Mund den Bund verſiegelte; dieſer Mund log und redete die Unwarheit. Straf mich nicht, Gerechter! wenn ich treulos werde; ich kann den Mann nicht lieben, dem ich Liebe log. Mein Herz empoͤrt ſich, es kann den Gedanken nicht entfalten, mit ihm verbunden zu ſein. Mein Herz kann nicht geteilt werden, und
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mir danken, geruͤhrt gen Himmel blikken — und
eine Traͤne des Mitleids auf das Blatt herab-
fallen laſſen. —
O, meine Caroline! mit Zittern ergreife ich die
Feder, um Dir all’ das traurige und ungluͤkliche
meiner jezigen Lage zu ſchildern, aber koͤnnen das
Worte? Jch werde ermatten und in langſamen
Jammer dahin ſchmachten und ſterben. Aber warum
muſten die, welche mir das Daſein gaben, auch mir
daſſelbe rauben? Warum muſten ſie mir dieſe Buͤrde
aufladen, da ich zu ſchwach bin ſie zu tragen? Vor
vier Wochen gab ich meine Hand dem, den nicht
mein Herz, ſondern meine harte Aeltern fuͤr mich be-
ſtimmt hatten. Wie zitterte ich, da der entſcheidende
Augenblik kam! Jch muß blaß wie der Tod ausgeſe-
ben haben, und mein Ja am Altar war ein ſtottern-
des ohnmaͤchtiges Ja, von dem mein Herz nichts
wußte. Nein es wußte nichts davon, da mein Mund
den Bund verſiegelte; dieſer Mund log und redete
die Unwarheit. Straf mich nicht, Gerechter! wenn
ich treulos werde; ich kann den Mann nicht lieben,
dem ich Liebe log. Mein Herz empoͤrt ſich, es kann
den Gedanken nicht entfalten, mit ihm verbunden
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/96>, abgerufen am 23.11.2024.
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