sen? diese findet man nur in Romanen und Schauspielen, und selten in der Natur. Sollte dies nicht ein treffendes Bild unsers Zeitalters sein? gewis, daran wird niemand zweifeln, der einen Blik in die Welt wirft, und häusliche Ver- fassungen beobachtet. Denn um den Menschen kennen zu lernen, seinen Karakter, seine Nei- gungen auszuspähen, muß man nicht blos bei Einer Situation seines Lebens stehen bleiben, nein, man muß ihn in seinem eigenen Hause aufsuchen, muß ihn da beobachten wo er gemeiniglich frei, ohne Maske handelt, wo man Tugenden antrift, die man haussen vergebens suchte, und Laster verübt sieht, die man nur bei dem rohesten Wil- den erwarten sollte.
Beobachtet einmal häusliche Verfassungen, und wie vieles Elend werdet ihr antreffen -- Elend, das ausser dem Bezirk der Menschheit liegt, und nur durch Menschen selbst erzeuget wird. So viele Romanen schildern uns dieses Elend mit lebhaften Farben, aber wir eilen darüber weg, in dem sichern Glauben, daß es nur Täu- schungen und keine würklichen Handlungen sind, und gewis es brauchts keiner Theaterßenen, euch den Spiegel eurer Handlungen darzustellen, wir
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ſen? dieſe findet man nur in Romanen und Schauſpielen, und ſelten in der Natur. Sollte dies nicht ein treffendes Bild unſers Zeitalters ſein? gewis, daran wird niemand zweifeln, der einen Blik in die Welt wirft, und haͤusliche Ver- faſſungen beobachtet. Denn um den Menſchen kennen zu lernen, ſeinen Karakter, ſeine Nei- gungen auszuſpaͤhen, muß man nicht blos bei Einer Situation ſeines Lebens ſtehen bleiben, nein, man muß ihn in ſeinem eigenen Hauſe aufſuchen, muß ihn da beobachten wo er gemeiniglich frei, ohne Maske handelt, wo man Tugenden antrift, die man hauſſen vergebens ſuchte, und Laſter veruͤbt ſieht, die man nur bei dem roheſten Wil- den erwarten ſollte.
Beobachtet einmal haͤusliche Verfaſſungen, und wie vieles Elend werdet ihr antreffen — Elend, das auſſer dem Bezirk der Menſchheit liegt, und nur durch Menſchen ſelbſt erzeuget wird. So viele Romanen ſchildern uns dieſes Elend mit lebhaften Farben, aber wir eilen daruͤber weg, in dem ſichern Glauben, daß es nur Taͤu- ſchungen und keine wuͤrklichen Handlungen ſind, und gewis es brauchts keiner Theaterſzenen, euch den Spiegel eurer Handlungen darzuſtellen, wir
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ſen? dieſe findet man nur in Romanen und
Schauſpielen, und ſelten in der Natur. Sollte
dies nicht ein treffendes Bild unſers Zeitalters
ſein? gewis, daran wird niemand zweifeln, der
einen Blik in die Welt wirft, und haͤusliche Ver-
faſſungen beobachtet. Denn um den Menſchen
kennen zu lernen, ſeinen Karakter, ſeine Nei-
gungen auszuſpaͤhen, muß man nicht blos bei
Einer Situation ſeines Lebens ſtehen bleiben, nein,
man muß ihn in ſeinem eigenen Hauſe aufſuchen,
muß ihn da beobachten wo er gemeiniglich frei,
ohne Maske handelt, wo man Tugenden antrift,
die man hauſſen vergebens ſuchte, und Laſter
veruͤbt ſieht, die man nur bei dem roheſten Wil-
den erwarten ſollte.
Beobachtet einmal haͤusliche Verfaſſungen,
und wie vieles Elend werdet ihr antreffen —
Elend, das auſſer dem Bezirk der Menſchheit liegt,
und nur durch Menſchen ſelbſt erzeuget wird.
So viele Romanen ſchildern uns dieſes Elend
mit lebhaften Farben, aber wir eilen daruͤber
weg, in dem ſichern Glauben, daß es nur Taͤu-
ſchungen und keine wuͤrklichen Handlungen ſind,
und gewis es brauchts keiner Theaterſzenen, euch
den Spiegel eurer Handlungen darzuſtellen, wir
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/81>, abgerufen am 12.12.2024.
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