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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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lieben und zu schüzzen: wie vielmehr dem Men-
schen, der nicht nach eingepflanztem Jnstinkt,
sondern nach der Vernunft handelt? So weit
kann aber die menschliche Natur nicht ausarten,
daß eine Mutter, beim völligen Gebrauch ihres
Verstandes, ihr Kind, das sie so lange im
Schoos getragen, das sie mit Schmerzen gebo-
ren hat, mutwillig würgt, und könnte sie's, nun
dann, so werde sie ausgelöscht aus dem Buche des
Lebens! Aber selten, höchst selten ist gewis ein
solches Beispiel, und muß es auch, zur Ehre
der Menschheit sein, denn der Mensch fällt ja
dadurch in die unterste Stufe, und sinkt unter
der Würde des vernunftlosen Thiers. Es sind
fast immer unwiderstehliche Anfälle, die das Herz
einer Mutter erschüttern -- es sind Leidenschaf-
ten, die die Vernunft übertäuben, und die
Schranken der Menschheit überschreiten, und
wenn diese erst das Herz gewinnen, da schweigt
die Vernunft, da verstummt das Lallen der Ge-
sezze, da kann eine Mutter im Wahnsinn das
winselnde Kind tödten, und seine zarten Gebeine
zersplittern. Ja, hat man nicht sogar Beispiele
daß diese That aus Liebe zur Reife kam? daß der
Gedanke, sieh, dein Kind ist ein Bastart, auf

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lieben und zu ſchuͤzzen: wie vielmehr dem Men-
ſchen, der nicht nach eingepflanztem Jnſtinkt,
ſondern nach der Vernunft handelt? So weit
kann aber die menſchliche Natur nicht ausarten,
daß eine Mutter, beim voͤlligen Gebrauch ihres
Verſtandes, ihr Kind, das ſie ſo lange im
Schoos getragen, das ſie mit Schmerzen gebo-
ren hat, mutwillig wuͤrgt, und koͤnnte ſie’s, nun
dann, ſo werde ſie ausgeloͤſcht aus dem Buche des
Lebens! Aber ſelten, hoͤchſt ſelten iſt gewis ein
ſolches Beiſpiel, und muß es auch, zur Ehre
der Menſchheit ſein, denn der Menſch faͤllt ja
dadurch in die unterſte Stufe, und ſinkt unter
der Wuͤrde des vernunftloſen Thiers. Es ſind
faſt immer unwiderſtehliche Anfaͤlle, die das Herz
einer Mutter erſchuͤttern — es ſind Leidenſchaf-
ten, die die Vernunft uͤbertaͤuben, und die
Schranken der Menſchheit uͤberſchreiten, und
wenn dieſe erſt das Herz gewinnen, da ſchweigt
die Vernunft, da verſtummt das Lallen der Ge-
ſezze, da kann eine Mutter im Wahnſinn das
winſelnde Kind toͤdten, und ſeine zarten Gebeine
zerſplittern. Ja, hat man nicht ſogar Beiſpiele
daß dieſe That aus Liebe zur Reife kam? daß der
Gedanke, ſieh, dein Kind iſt ein Baſtart, auf

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[69/0077] lieben und zu ſchuͤzzen: wie vielmehr dem Men- ſchen, der nicht nach eingepflanztem Jnſtinkt, ſondern nach der Vernunft handelt? So weit kann aber die menſchliche Natur nicht ausarten, daß eine Mutter, beim voͤlligen Gebrauch ihres Verſtandes, ihr Kind, das ſie ſo lange im Schoos getragen, das ſie mit Schmerzen gebo- ren hat, mutwillig wuͤrgt, und koͤnnte ſie’s, nun dann, ſo werde ſie ausgeloͤſcht aus dem Buche des Lebens! Aber ſelten, hoͤchſt ſelten iſt gewis ein ſolches Beiſpiel, und muß es auch, zur Ehre der Menſchheit ſein, denn der Menſch faͤllt ja dadurch in die unterſte Stufe, und ſinkt unter der Wuͤrde des vernunftloſen Thiers. Es ſind faſt immer unwiderſtehliche Anfaͤlle, die das Herz einer Mutter erſchuͤttern — es ſind Leidenſchaf- ten, die die Vernunft uͤbertaͤuben, und die Schranken der Menſchheit uͤberſchreiten, und wenn dieſe erſt das Herz gewinnen, da ſchweigt die Vernunft, da verſtummt das Lallen der Ge- ſezze, da kann eine Mutter im Wahnſinn das winſelnde Kind toͤdten, und ſeine zarten Gebeine zerſplittern. Ja, hat man nicht ſogar Beiſpiele daß dieſe That aus Liebe zur Reife kam? daß der Gedanke, ſieh, dein Kind iſt ein Baſtart, auf E 3

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/77>, abgerufen am 23.11.2024.