des Beispiel für junge Mädchen! -- Und was bewürkte sie? Ein Schauspiel für den Pöbel, der mit morddürstigen Blikken sich daran weidete -- eine Gelegenheit zur Unzucht -- zum Dieb- stal. Der Räuber der Unschuld hörte dadurch nicht auf, ein Räuber zu sein, und das Mädchen, konnte sie diese Bestrafung als eine Warnung an- sehen, da sie gewis nicht daran dachte, ein änli- ches Verbrechen zu begehen, ein Verbrecheu, das ausser der Natur, ausser ihrem Wür- kungskreise ist?
Einen Mord kann man begehen, wenn man zum Zorn gereizt wird -- wenn mancher durch den äussersten Mangel dahin gebracht wird, arme Reisende um einen Zehrpfenning niederzustossen -- wenn man auf einer Handlung ertapt wird, deren Bekanntmachung ewig brandmarken würde. Hier ist doch immer eine Triebfeder, darnach ich handele, die mich zu einem Verbrechen verleitet, aber der Mord einer Mutter an ihrem Kinde liegt ausser der Sphäre der Menschheit, es läßt sich gar keine Art der Beleidigung bei einem ohnmächtigen hülflofen Säugling denken. Schon einem jeden vernunftlosen Thier ist von der Na- tur der Jnstinkt eingepflanzt, seine Jungen zu
des Beiſpiel fuͤr junge Maͤdchen! — Und was bewuͤrkte ſie? Ein Schauſpiel fuͤr den Poͤbel, der mit mordduͤrſtigen Blikken ſich daran weidete — eine Gelegenheit zur Unzucht — zum Dieb- ſtal. Der Raͤuber der Unſchuld hoͤrte dadurch nicht auf, ein Raͤuber zu ſein, und das Maͤdchen, konnte ſie dieſe Beſtrafung als eine Warnung an- ſehen, da ſie gewis nicht daran dachte, ein aͤnli- ches Verbrechen zu begehen, ein Verbrecheu, das auſſer der Natur, auſſer ihrem Wuͤr- kungskreiſe iſt?
Einen Mord kann man begehen, wenn man zum Zorn gereizt wird — wenn mancher durch den aͤuſſerſten Mangel dahin gebracht wird, arme Reiſende um einen Zehrpfenning niederzuſtoſſen — wenn man auf einer Handlung ertapt wird, deren Bekanntmachung ewig brandmarken wuͤrde. Hier iſt doch immer eine Triebfeder, darnach ich handele, die mich zu einem Verbrechen verleitet, aber der Mord einer Mutter an ihrem Kinde liegt auſſer der Sphaͤre der Menſchheit, es laͤßt ſich gar keine Art der Beleidigung bei einem ohnmaͤchtigen huͤlflofen Saͤugling denken. Schon einem jeden vernunftloſen Thier iſt von der Na- tur der Jnſtinkt eingepflanzt, ſeine Jungen zu
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bewuͤrkte ſie? Ein Schauſpiel fuͤr den Poͤbel,
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— eine Gelegenheit zur Unzucht — zum Dieb-
ſtal. Der Raͤuber der Unſchuld hoͤrte dadurch
nicht auf, ein Raͤuber zu ſein, und das Maͤdchen,
konnte ſie dieſe Beſtrafung als eine Warnung an-
ſehen, da ſie gewis nicht daran dachte, ein aͤnli-
ches Verbrechen zu begehen, ein Verbrecheu,
das auſſer der Natur, auſſer ihrem Wuͤr-
kungskreiſe iſt?
Einen Mord kann man begehen, wenn man
zum Zorn gereizt wird — wenn mancher durch
den aͤuſſerſten Mangel dahin gebracht wird, arme
Reiſende um einen Zehrpfenning niederzuſtoſſen
— wenn man auf einer Handlung ertapt wird,
deren Bekanntmachung ewig brandmarken wuͤrde.
Hier iſt doch immer eine Triebfeder, darnach ich
handele, die mich zu einem Verbrechen verleitet,
aber der Mord einer Mutter an ihrem Kinde
liegt auſſer der Sphaͤre der Menſchheit, es laͤßt
ſich gar keine Art der Beleidigung bei einem
ohnmaͤchtigen huͤlflofen Saͤugling denken. Schon
einem jeden vernunftloſen Thier iſt von der Na-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/76>, abgerufen am 27.11.2024.
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