zum Gebrauch ihrer Vernunft, man fragte sie über ihre begangene That, und sie wußte nicht das mindeste davon. Sie ward in ein finsteres Loch geworfen, wo eine stinkende faule Luft herrschte, man machte ihr den Prozes -- sie ge- stand ihre That, und der Richter bestimmte ihr das Todesloos.
Wie er's bestimmen konnte, mit welchen Gründen er sie des Todes schuldig fand, da sie im Wahnsinn eine That verübte, davon ihr Herz nichts wußte, will ich nicht untersuchen -- Ge- nug sie schmachtete zwei Jahre im Kerker, starb schon einen Tod durch die unmenschliche Be- handlung des Kerkermeisters -- durch die kärg- liche Nahrung -- durch die ungesunde faule Luft -- und dann durch die folternden Schmerzen ih- res Gewissens -- Nun sollte sie noch den zwei- ten Tod durch Henkersknechte sterben -- Sie starb ihn mit der Freudigkeit, mit dem Ergeben in den unveränderlichen Rathschluß der Vorsicht, das eine Würkung der Religion war, die sie nicht blos bekannt, sondern auch ausgeübt hatte. Jhren Fall bewürkte die Verräterei eines schlauen Bösewichts. Sie hatte lange gekämpft, aber der Taumel der alles hinreissenden Leiden-
zum Gebrauch ihrer Vernunft, man fragte ſie uͤber ihre begangene That, und ſie wußte nicht das mindeſte davon. Sie ward in ein finſteres Loch geworfen, wo eine ſtinkende faule Luft herrſchte, man machte ihr den Prozes — ſie ge- ſtand ihre That, und der Richter beſtimmte ihr das Todesloos.
Wie er’s beſtimmen konnte, mit welchen Gruͤnden er ſie des Todes ſchuldig fand, da ſie im Wahnſinn eine That veruͤbte, davon ihr Herz nichts wußte, will ich nicht unterſuchen — Ge- nug ſie ſchmachtete zwei Jahre im Kerker, ſtarb ſchon einen Tod durch die unmenſchliche Be- handlung des Kerkermeiſters — durch die kaͤrg- liche Nahrung — durch die ungeſunde faule Luft — und dann durch die folternden Schmerzen ih- res Gewiſſens — Nun ſollte ſie noch den zwei- ten Tod durch Henkersknechte ſterben — Sie ſtarb ihn mit der Freudigkeit, mit dem Ergeben in den unveraͤnderlichen Rathſchluß der Vorſicht, das eine Wuͤrkung der Religion war, die ſie nicht blos bekannt, ſondern auch ausgeuͤbt hatte. Jhren Fall bewuͤrkte die Verraͤterei eines ſchlauen Boͤſewichts. Sie hatte lange gekaͤmpft, aber der Taumel der alles hinreiſſenden Leiden-
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zum Gebrauch ihrer Vernunft, man fragte ſie
uͤber ihre begangene That, und ſie wußte nicht
das mindeſte davon. Sie ward in ein finſteres
Loch geworfen, wo eine ſtinkende faule Luft
herrſchte, man machte ihr den Prozes — ſie ge-
ſtand ihre That, und der Richter beſtimmte ihr
das Todesloos.
Wie er’s beſtimmen konnte, mit welchen
Gruͤnden er ſie des Todes ſchuldig fand, da ſie
im Wahnſinn eine That veruͤbte, davon ihr Herz
nichts wußte, will ich nicht unterſuchen — Ge-
nug ſie ſchmachtete zwei Jahre im Kerker, ſtarb
ſchon einen Tod durch die unmenſchliche Be-
handlung des Kerkermeiſters — durch die kaͤrg-
liche Nahrung — durch die ungeſunde faule Luft
— und dann durch die folternden Schmerzen ih-
res Gewiſſens — Nun ſollte ſie noch den zwei-
ten Tod durch Henkersknechte ſterben — Sie
ſtarb ihn mit der Freudigkeit, mit dem Ergeben
in den unveraͤnderlichen Rathſchluß der Vorſicht,
das eine Wuͤrkung der Religion war, die ſie nicht
blos bekannt, ſondern auch ausgeuͤbt hatte.
Jhren Fall bewuͤrkte die Verraͤterei eines
ſchlauen Boͤſewichts. Sie hatte lange gekaͤmpft,
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/74>, abgerufen am 23.11.2024.
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