leider! wollte man in dieser Stadt auch alle Thorheiten von Paris im kleinen copiren), und nahm den deutschen Wildfang, der sein väterli- ches Erbe an Theaternimphen und Bulschwestern verschwendet hatte, mit Affenliebe auf. Jhm zu Ehren ward ein grosser Ball angestellt -- alles was artig, schön und reich war, muste dabei zugegen sein, auch Carolinens Mutter erschien an der Hand ihrer liebenswürdigen Tochter. Man drängte sich von allen Seiten hinzu, den deut- schen Baron zu sehen, aber der feine Wollüst- ling übersah mit schnellem Blik die ganze Ver- sammlung, und sein Auge blieb an Carolinen hängen; ihre ungekünstelten Reize waren mächtig genug, ihn vergessen zu lehren, daß noch mehr um seinen Beifall bulten. Er sah mit kaltem Lächeln auf die hohe Versammlung herab -- nur Caroline war das Ziel seiner Wünsche; erfah- ren in allen feinen Kunstgriffen der Verstellunng, wodurch man Herzen überlistet, ward es ihm nicht schwer sich die Gunst der eitlen Mutter zu erschleichen; es war süsse Nahrung für ihren Stolz, sich unter einer solchen Menge hervorge- sucht zu sehen. Caroline, dies unschuldige Mädchen, in deren Herzen kein Falsch war, war
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leider! wollte man in dieſer Stadt auch alle Thorheiten von Paris im kleinen copiren), und nahm den deutſchen Wildfang, der ſein vaͤterli- ches Erbe an Theaternimphen und Bulſchweſtern verſchwendet hatte, mit Affenliebe auf. Jhm zu Ehren ward ein groſſer Ball angeſtellt — alles was artig, ſchoͤn und reich war, muſte dabei zugegen ſein, auch Carolinens Mutter erſchien an der Hand ihrer liebenswuͤrdigen Tochter. Man draͤngte ſich von allen Seiten hinzu, den deut- ſchen Baron zu ſehen, aber der feine Wolluͤſt- ling uͤberſah mit ſchnellem Blik die ganze Ver- ſammlung, und ſein Auge blieb an Carolinen haͤngen; ihre ungekuͤnſtelten Reize waren maͤchtig genug, ihn vergeſſen zu lehren, daß noch mehr um ſeinen Beifall bulten. Er ſah mit kaltem Laͤcheln auf die hohe Verſammlung herab — nur Caroline war das Ziel ſeiner Wuͤnſche; erfah- ren in allen feinen Kunſtgriffen der Verſtellunng, wodurch man Herzen uͤberliſtet, ward es ihm nicht ſchwer ſich die Gunſt der eitlen Mutter zu erſchleichen; es war ſuͤſſe Nahrung fuͤr ihren Stolz, ſich unter einer ſolchen Menge hervorge- ſucht zu ſehen. Caroline, dies unſchuldige Maͤdchen, in deren Herzen kein Falſch war, war
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leider! wollte man in dieſer Stadt auch alle
Thorheiten von Paris im kleinen copiren), und
nahm den deutſchen Wildfang, der ſein vaͤterli-
ches Erbe an Theaternimphen und Bulſchweſtern
verſchwendet hatte, mit Affenliebe auf. Jhm zu
Ehren ward ein groſſer Ball angeſtellt — alles was
artig, ſchoͤn und reich war, muſte dabei zugegen
ſein, auch Carolinens Mutter erſchien an der
Hand ihrer liebenswuͤrdigen Tochter. Man
draͤngte ſich von allen Seiten hinzu, den deut-
ſchen Baron zu ſehen, aber der feine Wolluͤſt-
ling uͤberſah mit ſchnellem Blik die ganze Ver-
ſammlung, und ſein Auge blieb an Carolinen
haͤngen; ihre ungekuͤnſtelten Reize waren maͤchtig
genug, ihn vergeſſen zu lehren, daß noch mehr
um ſeinen Beifall bulten. Er ſah mit kaltem
Laͤcheln auf die hohe Verſammlung herab — nur
Caroline war das Ziel ſeiner Wuͤnſche; erfah-
ren in allen feinen Kunſtgriffen der Verſtellunng,
wodurch man Herzen uͤberliſtet, ward es ihm
nicht ſchwer ſich die Gunſt der eitlen Mutter zu
erſchleichen; es war ſuͤſſe Nahrung fuͤr ihren
Stolz, ſich unter einer ſolchen Menge hervorge-
ſucht zu ſehen. Caroline, dies unſchuldige
Maͤdchen, in deren Herzen kein Falſch war, war
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/65>, abgerufen am 23.11.2024.
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