Härte er seine Untergebene behandelte. Wenn nun der auf's äusserste gebrachte Mensch auch die Gefühle der Religion bei sich erstikket, wenn er den Gedanken entfaltet, auch du bist ein Mensch, begabt mit all' den Vorrechten der Menschheit, die der Barbar dir entreissen will -- Wenn seine Wangen vom heissen Gefühl erlitte- nen Unrechts glühen -- wenn seine Stirne dampft, sein Blut sich kreiset und Wellen wirft, und er nun das Messer in die Gurgel seines Hen- kers stößt, oder mit einer Kugel über die Tiran- nei seines Herrn sieget, sage, wirst du ihn nicht bedauern? Mensch! wirst du dein Angesicht von ihm, als von einem gewissenlosen Räuber weg- wenden und ihm fluchen?
O möchte dies keiner unter uns! denn einige Szenen anders verrükt in deinem Leben, und du wärest vielleicht eben das, eben der bedauerns- würdige Mensch, der einen Unmenschen erschlug, weil er ihm die Rechte der Menschheit entziehen wollte. Nicht zur Knechtschaft geboren -- nur durch Menschen ins Joch der Sklaverei geschmie- det, wer kann zürnen, wenn man die Ketten von sich wirft, und nach Freiheit ringet? Auch der zertretene Wurm krümmt sich unter den Füssen
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Haͤrte er ſeine Untergebene behandelte. Wenn nun der auf’s aͤuſſerſte gebrachte Menſch auch die Gefuͤhle der Religion bei ſich erſtikket, wenn er den Gedanken entfaltet, auch du biſt ein Menſch, begabt mit all’ den Vorrechten der Menſchheit, die der Barbar dir entreiſſen will — Wenn ſeine Wangen vom heiſſen Gefuͤhl erlitte- nen Unrechts gluͤhen — wenn ſeine Stirne dampft, ſein Blut ſich kreiſet und Wellen wirft, und er nun das Meſſer in die Gurgel ſeines Hen- kers ſtoͤßt, oder mit einer Kugel uͤber die Tiran- nei ſeines Herrn ſieget, ſage, wirſt du ihn nicht bedauern? Menſch! wirſt du dein Angeſicht von ihm, als von einem gewiſſenloſen Raͤuber weg- wenden und ihm fluchen?
O moͤchte dies keiner unter uns! denn einige Szenen anders verruͤkt in deinem Leben, und du waͤreſt vielleicht eben das, eben der bedauerns- wuͤrdige Menſch, der einen Unmenſchen erſchlug, weil er ihm die Rechte der Menſchheit entziehen wollte. Nicht zur Knechtſchaft geboren — nur durch Menſchen ins Joch der Sklaverei geſchmie- det, wer kann zuͤrnen, wenn man die Ketten von ſich wirft, und nach Freiheit ringet? Auch der zertretene Wurm kruͤmmt ſich unter den Fuͤſſen
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Haͤrte er ſeine Untergebene behandelte. Wenn
nun der auf’s aͤuſſerſte gebrachte Menſch auch
die Gefuͤhle der Religion bei ſich erſtikket, wenn
er den Gedanken entfaltet, auch du biſt ein
Menſch, begabt mit all’ den Vorrechten der
Menſchheit, die der Barbar dir entreiſſen will —
Wenn ſeine Wangen vom heiſſen Gefuͤhl erlitte-
nen Unrechts gluͤhen — wenn ſeine Stirne
dampft, ſein Blut ſich kreiſet und Wellen wirft,
und er nun das Meſſer in die Gurgel ſeines Hen-
kers ſtoͤßt, oder mit einer Kugel uͤber die Tiran-
nei ſeines Herrn ſieget, ſage, wirſt du ihn nicht
bedauern? Menſch! wirſt du dein Angeſicht von
ihm, als von einem gewiſſenloſen Raͤuber weg-
wenden und ihm fluchen?
O moͤchte dies keiner unter uns! denn einige
Szenen anders verruͤkt in deinem Leben, und du
waͤreſt vielleicht eben das, eben der bedauerns-
wuͤrdige Menſch, der einen Unmenſchen erſchlug,
weil er ihm die Rechte der Menſchheit entziehen
wollte. Nicht zur Knechtſchaft geboren — nur
durch Menſchen ins Joch der Sklaverei geſchmie-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/43>, abgerufen am 17.02.2025.
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