Wolthaten auch keine eigennüzzige Absicht hegt, sondern den lautern Trieben seines Herzens folgt, andere wolzuthun, und glüklich zu machen, so kann er doch Ansprüche auf die Dankbarkeit des- sen machen, den er aus dem Nichts erhub, dar- in er versenkt lag. Und wie schmerzhaft muß es ihm sein, wenn er sich betrogen findet, und seine Wolthat an einen Nichtswürdigen verschwen- det hat, der sein gutes Herz misbraucht?
Dis war auch der Fall mit meinem Freunde. Er, der auf die Redlichkeit desjenigen, der ihm so vieles zu verdanken hatte, sicher baute, trug ihm auf, da er Umstände wegen voraus aus H -- abreisen muste, mit seinem Koffer und Effekten nach zu kommen. -- Er wartete lange vergebens, und sah sich betrogen. Er konnte lange diesem Ge- danken nicht Raum geben, bis er gewiß davon überzeugt wurde, sein vermeintlicher Freund sei zum Verräter geworden. Von der Zeit an artete seine Liebe gegen seine Brüder in Mistrauen aus, und er trauete seinem Herzen, das sich ein- mal schon so schändlich in seiner Wahl betrogen, in keinem Stükke. Das war dann auch die Ur- sache, daß er seine Leiden in seinem Busen ver- schloß, deren Uebermaas den Entschluß bei ihm
Wolthaten auch keine eigennuͤzzige Abſicht hegt, ſondern den lautern Trieben ſeines Herzens folgt, andere wolzuthun, und gluͤklich zu machen, ſo kann er doch Anſpruͤche auf die Dankbarkeit deſ- ſen machen, den er aus dem Nichts erhub, dar- in er verſenkt lag. Und wie ſchmerzhaft muß es ihm ſein, wenn er ſich betrogen findet, und ſeine Wolthat an einen Nichtswuͤrdigen verſchwen- det hat, der ſein gutes Herz misbraucht?
Dis war auch der Fall mit meinem Freunde. Er, der auf die Redlichkeit desjenigen, der ihm ſo vieles zu verdanken hatte, ſicher baute, trug ihm auf, da er Umſtaͤnde wegen voraus aus H — abreiſen muſte, mit ſeinem Koffer und Effekten nach zu kommen. — Er wartete lange vergebens, und ſah ſich betrogen. Er konnte lange dieſem Ge- danken nicht Raum geben, bis er gewiß davon uͤberzeugt wurde, ſein vermeintlicher Freund ſei zum Verraͤter geworden. Von der Zeit an artete ſeine Liebe gegen ſeine Bruͤder in Mistrauen aus, und er trauete ſeinem Herzen, das ſich ein- mal ſchon ſo ſchaͤndlich in ſeiner Wahl betrogen, in keinem Stuͤkke. Das war dann auch die Ur- ſache, daß er ſeine Leiden in ſeinem Buſen ver- ſchloß, deren Uebermaas den Entſchluß bei ihm
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Wolthaten auch keine eigennuͤzzige Abſicht hegt,
ſondern den lautern Trieben ſeines Herzens folgt,
andere wolzuthun, und gluͤklich zu machen, ſo
kann er doch Anſpruͤche auf die Dankbarkeit deſ-
ſen machen, den er aus dem Nichts erhub, dar-
in er verſenkt lag. Und wie ſchmerzhaft muß es
ihm ſein, wenn er ſich betrogen findet, und ſeine
Wolthat an einen Nichtswuͤrdigen verſchwen-
det hat, der ſein gutes Herz misbraucht?
Dis war auch der Fall mit meinem Freunde.
Er, der auf die Redlichkeit desjenigen, der ihm
ſo vieles zu verdanken hatte, ſicher baute, trug
ihm auf, da er Umſtaͤnde wegen voraus aus H —
abreiſen muſte, mit ſeinem Koffer und Effekten
nach zu kommen. — Er wartete lange vergebens,
und ſah ſich betrogen. Er konnte lange dieſem Ge-
danken nicht Raum geben, bis er gewiß davon
uͤberzeugt wurde, ſein vermeintlicher Freund ſei
zum Verraͤter geworden. Von der Zeit an artete
ſeine Liebe gegen ſeine Bruͤder in Mistrauen
aus, und er trauete ſeinem Herzen, das ſich ein-
mal ſchon ſo ſchaͤndlich in ſeiner Wahl betrogen,
in keinem Stuͤkke. Das war dann auch die Ur-
ſache, daß er ſeine Leiden in ſeinem Buſen ver-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/268>, abgerufen am 25.11.2024.
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