Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Wettgesang der Lerchen, dich glüklicher fühlen, als
der Beherrscher zalloser Völker!

Die Wege der Natur sind Friede, und wo sie
wandelt, da spriessen Blumen; wol dem, der sie
pflükt, keine auf dem Wege seiner kurzen Wallfart
zertritt, sondern alles nimmt, was er abreichen
kann! wol dem, der sie noch flükken kann, dem sie
nicht bloß von jenem Gestade winken, ohne daß er
sie erreichen kann. --



So ist es denn wahr, was ich nicht wagte, mir
selbst zu gestehen, daß ich liebe? und das so warm,
so glühend, daß Worte zu arm sind, es zu fassen.
Armes Herz! so bist du nicht mehr mein, wirst
vielleicht eine Klippe, an der Glük und Ruhe schei-
tert! Jch gehe oder stehe, schlafe oder| wache, so
steht ihr Bild vor mir, so hehr und groß, wie es die
Fantasie ausfüllen kann. Jn allen meinen Adern
rinnt kein Blutstropfen, der nicht ihr entgegen
wallte, in meinem Kopfe schwebt keine Empfin-
dung, die sich nicht zu ihr erhübe. Ach! wie ist
mein Herz so beklemmt und traurig! meine zitternde
Lippe wagts Töne zu stammeln, aber sie sind wie
der schwache Hauch eines Zephirs, den ein kühler
Herbstmorgen verscheucht. Wie es tobt in meinem
Jnnern mit wütenden Schlägen, als wollt es meine
Brust zersprengen, ich schmachte und lechze, und

Wettgeſang der Lerchen, dich gluͤklicher fuͤhlen, als
der Beherrſcher zalloſer Voͤlker!

Die Wege der Natur ſind Friede, und wo ſie
wandelt, da ſprieſſen Blumen; wol dem, der ſie
pfluͤkt, keine auf dem Wege ſeiner kurzen Wallfart
zertritt, ſondern alles nimmt, was er abreichen
kann! wol dem, der ſie noch fluͤkken kann, dem ſie
nicht bloß von jenem Geſtade winken, ohne daß er
ſie erreichen kann. —



So iſt es denn wahr, was ich nicht wagte, mir
ſelbſt zu geſtehen, daß ich liebe? und das ſo warm,
ſo gluͤhend, daß Worte zu arm ſind, es zu faſſen.
Armes Herz! ſo biſt du nicht mehr mein, wirſt
vielleicht eine Klippe, an der Gluͤk und Ruhe ſchei-
tert! Jch gehe oder ſtehe, ſchlafe oder| wache, ſo
ſteht ihr Bild vor mir, ſo hehr und groß, wie es die
Fantaſie ausfuͤllen kann. Jn allen meinen Adern
rinnt kein Blutstropfen, der nicht ihr entgegen
wallte, in meinem Kopfe ſchwebt keine Empfin-
dung, die ſich nicht zu ihr erhuͤbe. Ach! wie iſt
mein Herz ſo beklemmt und traurig! meine zitternde
Lippe wagts Toͤne zu ſtammeln, aber ſie ſind wie
der ſchwache Hauch eines Zephirs, den ein kuͤhler
Herbſtmorgen verſcheucht. Wie es tobt in meinem
Jnnern mit wuͤtenden Schlaͤgen, als wollt es meine
Bruſt zerſprengen, ich ſchmachte und lechze, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0247" n="239"/>
Wettge&#x017F;ang der Lerchen, dich glu&#x0364;klicher fu&#x0364;hlen, als<lb/>
der Beherr&#x017F;cher zallo&#x017F;er Vo&#x0364;lker!</p><lb/>
        <p>Die Wege der Natur &#x017F;ind Friede, und wo &#x017F;ie<lb/>
wandelt, da &#x017F;prie&#x017F;&#x017F;en Blumen; wol dem, der &#x017F;ie<lb/>
pflu&#x0364;kt, keine auf dem Wege &#x017F;einer kurzen Wallfart<lb/>
zertritt, &#x017F;ondern alles nimmt, was er abreichen<lb/>
kann! wol dem, der &#x017F;ie noch flu&#x0364;kken kann, dem &#x017F;ie<lb/>
nicht bloß von jenem Ge&#x017F;tade winken, ohne daß er<lb/>
&#x017F;ie erreichen kann. &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>So i&#x017F;t es denn wahr, was ich nicht wagte, mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu ge&#x017F;tehen, daß ich liebe? und das &#x017F;o warm,<lb/>
&#x017F;o glu&#x0364;hend, daß Worte zu arm &#x017F;ind, es zu fa&#x017F;&#x017F;en.<lb/><hi rendition="#fr">Armes Herz!</hi> &#x017F;o bi&#x017F;t du nicht mehr <hi rendition="#fr">mein,</hi> wir&#x017F;t<lb/>
vielleicht eine Klippe, an der Glu&#x0364;k und Ruhe &#x017F;chei-<lb/>
tert! Jch gehe oder &#x017F;tehe, &#x017F;chlafe oder| wache, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;teht ihr Bild vor mir, &#x017F;o hehr und groß, wie es die<lb/>
Fanta&#x017F;ie ausfu&#x0364;llen kann. Jn allen meinen Adern<lb/>
rinnt kein Blutstropfen, der nicht ihr entgegen<lb/>
wallte, in meinem Kopfe &#x017F;chwebt keine Empfin-<lb/>
dung, die &#x017F;ich nicht zu ihr erhu&#x0364;be. Ach! wie i&#x017F;t<lb/>
mein Herz &#x017F;o beklemmt und traurig! meine zitternde<lb/>
Lippe wagts To&#x0364;ne zu &#x017F;tammeln, aber &#x017F;ie &#x017F;ind wie<lb/>
der &#x017F;chwache Hauch eines Zephirs, den ein ku&#x0364;hler<lb/>
Herb&#x017F;tmorgen ver&#x017F;cheucht. Wie es tobt in meinem<lb/>
Jnnern mit wu&#x0364;tenden Schla&#x0364;gen, als wollt es meine<lb/>
Bru&#x017F;t zer&#x017F;prengen, ich &#x017F;chmachte und lechze, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0247] Wettgeſang der Lerchen, dich gluͤklicher fuͤhlen, als der Beherrſcher zalloſer Voͤlker! Die Wege der Natur ſind Friede, und wo ſie wandelt, da ſprieſſen Blumen; wol dem, der ſie pfluͤkt, keine auf dem Wege ſeiner kurzen Wallfart zertritt, ſondern alles nimmt, was er abreichen kann! wol dem, der ſie noch fluͤkken kann, dem ſie nicht bloß von jenem Geſtade winken, ohne daß er ſie erreichen kann. — So iſt es denn wahr, was ich nicht wagte, mir ſelbſt zu geſtehen, daß ich liebe? und das ſo warm, ſo gluͤhend, daß Worte zu arm ſind, es zu faſſen. Armes Herz! ſo biſt du nicht mehr mein, wirſt vielleicht eine Klippe, an der Gluͤk und Ruhe ſchei- tert! Jch gehe oder ſtehe, ſchlafe oder| wache, ſo ſteht ihr Bild vor mir, ſo hehr und groß, wie es die Fantaſie ausfuͤllen kann. Jn allen meinen Adern rinnt kein Blutstropfen, der nicht ihr entgegen wallte, in meinem Kopfe ſchwebt keine Empfin- dung, die ſich nicht zu ihr erhuͤbe. Ach! wie iſt mein Herz ſo beklemmt und traurig! meine zitternde Lippe wagts Toͤne zu ſtammeln, aber ſie ſind wie der ſchwache Hauch eines Zephirs, den ein kuͤhler Herbſtmorgen verſcheucht. Wie es tobt in meinem Jnnern mit wuͤtenden Schlaͤgen, als wollt es meine Bruſt zerſprengen, ich ſchmachte und lechze, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/247
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/247>, abgerufen am 23.11.2024.