Brüder gerührt gen Himmel blikkest, und dei- nen Schöpfer anflehest, "laß mich nicht sin- ken, leite mich durch Dornengefilde mei- nes Erdenwallens, und geus einen Tropfen der Rühe und des Trostes in meine matte Seele, wenn sie sich in der dürren Sandwüste vergebens nach Hülfe sehnet"! Für dich, Bruder- oder Schwesterseele! will ich eine Geschichte nieder- schreiben -- meine noch tröpfelnden Thränen sol- len sich mit den deinigen vermischen, und das welkende Gras auffrischen, das auf dem Hügel des Unglüklichen sproßt. --
Jch hatte einst einen Freund, nicht in dem Sinn, wie die Welt oft dis Wort nimmt, son- dern wie die wahre Freundschaft es heischet. -- Phanor mag er heissen, um seinen Namen nicht dem Spott der Fühllosen auszusezzen. Wir fanden -- und liebten uns; das simpathetische Band, jenes süsse Einverständnis zwoer Seelen, kettete uns so innig, so fest, daß mensch- liche Kräfte zu ohnmächtig waren, es aufzulösen. Wir hatten alle Empfindungen, alle Wünsche gemein, eben der Hang, der mich zu dieser und jener Wissenschaft hinzog, eben die Simptomen, die bei mir rege wurden, wann die Geschichte
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Bruͤder geruͤhrt gen Himmel blikkeſt, und dei- nen Schoͤpfer anfleheſt, „laß mich nicht ſin- ken, leite mich durch Dornengefilde mei- nes Erdenwallens, und geus einen Tropfen der Ruͤhe und des Troſtes in meine matte Seele, wenn ſie ſich in der duͤrren Sandwuͤſte vergebens nach Huͤlfe ſehnet‟! Fuͤr dich, Bruder- oder Schweſterſeele! will ich eine Geſchichte nieder- ſchreiben — meine noch troͤpfelnden Thraͤnen ſol- len ſich mit den deinigen vermiſchen, und das welkende Gras auffriſchen, das auf dem Huͤgel des Ungluͤklichen ſproßt. —
Jch hatte einſt einen Freund, nicht in dem Sinn, wie die Welt oft dis Wort nimmt, ſon- dern wie die wahre Freundſchaft es heiſchet. — Phanor mag er heiſſen, um ſeinen Namen nicht dem Spott der Fuͤhlloſen auszuſezzen. Wir fanden — und liebten uns; das ſimpathetiſche Band, jenes ſuͤſſe Einverſtaͤndnis zwoer Seelen, kettete uns ſo innig, ſo feſt, daß menſch- liche Kraͤfte zu ohnmaͤchtig waren, es aufzuloͤſen. Wir hatten alle Empfindungen, alle Wuͤnſche gemein, eben der Hang, der mich zu dieſer und jener Wiſſenſchaft hinzog, eben die Simptomen, die bei mir rege wurden, wann die Geſchichte
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Bruͤder geruͤhrt gen Himmel blikkeſt, und dei-
nen Schoͤpfer anfleheſt, „laß mich nicht ſin-
ken, leite mich durch Dornengefilde mei-
nes Erdenwallens, und geus einen Tropfen
der Ruͤhe und des Troſtes in meine matte Seele,
wenn ſie ſich in der duͤrren Sandwuͤſte vergebens
nach Huͤlfe ſehnet‟! Fuͤr dich, Bruder- oder
Schweſterſeele! will ich eine Geſchichte nieder-
ſchreiben — meine noch troͤpfelnden Thraͤnen ſol-
len ſich mit den deinigen vermiſchen, und das
welkende Gras auffriſchen, das auf dem Huͤgel
des Ungluͤklichen ſproßt. —
Jch hatte einſt einen Freund, nicht in dem
Sinn, wie die Welt oft dis Wort nimmt, ſon-
dern wie die wahre Freundſchaft es heiſchet. —
Phanor mag er heiſſen, um ſeinen Namen
nicht dem Spott der Fuͤhlloſen auszuſezzen. Wir
fanden — und liebten uns; das ſimpathetiſche
Band, jenes ſuͤſſe Einverſtaͤndnis zwoer
Seelen, kettete uns ſo innig, ſo feſt, daß menſch-
liche Kraͤfte zu ohnmaͤchtig waren, es aufzuloͤſen.
Wir hatten alle Empfindungen, alle Wuͤnſche
gemein, eben der Hang, der mich zu dieſer und
jener Wiſſenſchaft hinzog, eben die Simptomen,
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/239>, abgerufen am 26.07.2024.
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