grossen und edlen | Handlungen entspringen aus dieser Quelle, die so sanft, so lauter |durchs Thal des Lebens hinströmt, über Kiesel hinweg rau- schet, und durch tausend Krümmungen hindurch, zum Ziel des Glüks leitet. Aber wie oft versiegt dieser Born des Lebens, wird durch Menschen verstopfet, durch Menschen in seinem Lauf ge- hemmt! Da schleichen der ermatteten Pilger so viele am Ufer, suchen Blumen, und finden keine, suchen Schuz vor der Schwüle des Tages, und kein Strauch ladet sie zur Ruhe ein; schmachtend sehnen sie sich nach einem Tropfen aus dem Bach, und er plätschert nicht, sehnen sich nach Ruhe, und sie entflieht, und läßt sie trostlos in öder Wüste allein. Alles ist stumm und tod um sie her, kein gefiederter Sänger läßt sein Lied durch die Lüfte erschallen, nur die heisere Grille zirpt ihren einfachen Trauersang. Viele wandeln ohne Mitleid vorüber, und achten ihrer nicht; sie wagen es nicht, Hülfe von Menschen zu er- flehen, und wie könnten harte gefühllose Men- schen ihnen das wieder geben, was sie verloren, und was nie kann ersezt werden! Traurig schlei- chen ihre Tage unter Seufzer und Thränen geteilt dahin, bis der Tod sich ihrer Leiden erbärmet,
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groſſen und edlen | Handlungen entſpringen aus dieſer Quelle, die ſo ſanft, ſo lauter |durchs Thal des Lebens hinſtroͤmt, uͤber Kieſel hinweg rau- ſchet, und durch tauſend Kruͤmmungen hindurch, zum Ziel des Gluͤks leitet. Aber wie oft verſiegt dieſer Born des Lebens, wird durch Menſchen verſtopfet, durch Menſchen in ſeinem Lauf ge- hemmt! Da ſchleichen der ermatteten Pilger ſo viele am Ufer, ſuchen Blumen, und finden keine, ſuchen Schuz vor der Schwuͤle des Tages, und kein Strauch ladet ſie zur Ruhe ein; ſchmachtend ſehnen ſie ſich nach einem Tropfen aus dem Bach, und er plaͤtſchert nicht, ſehnen ſich nach Ruhe, und ſie entflieht, und laͤßt ſie troſtlos in oͤder Wuͤſte allein. Alles iſt ſtumm und tod um ſie her, kein gefiederter Saͤnger laͤßt ſein Lied durch die Luͤfte erſchallen, nur die heiſere Grille zirpt ihren einfachen Trauerſang. Viele wandeln ohne Mitleid voruͤber, und achten ihrer nicht; ſie wagen es nicht, Huͤlfe von Menſchen zu er- flehen, und wie koͤnnten harte gefuͤhlloſe Men- ſchen ihnen das wieder geben, was ſie verloren, und was nie kann erſezt werden! Traurig ſchlei- chen ihre Tage unter Seufzer und Thraͤnen geteilt dahin, bis der Tod ſich ihrer Leiden erbaͤrmet,
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groſſen und edlen | Handlungen entſpringen aus
dieſer Quelle, die ſo ſanft, ſo lauter |durchs Thal
des Lebens hinſtroͤmt, uͤber Kieſel hinweg rau-
ſchet, und durch tauſend Kruͤmmungen hindurch,
zum Ziel des Gluͤks leitet. Aber wie oft verſiegt
dieſer Born des Lebens, wird durch Menſchen
verſtopfet, durch Menſchen in ſeinem Lauf ge-
hemmt! Da ſchleichen der ermatteten Pilger ſo
viele am Ufer, ſuchen Blumen, und finden keine,
ſuchen Schuz vor der Schwuͤle des Tages, und
kein Strauch ladet ſie zur Ruhe ein; ſchmachtend
ſehnen ſie ſich nach einem Tropfen aus dem Bach,
und er plaͤtſchert nicht, ſehnen ſich nach Ruhe,
und ſie entflieht, und laͤßt ſie troſtlos in oͤder
Wuͤſte allein. Alles iſt ſtumm und tod um ſie
her, kein gefiederter Saͤnger laͤßt ſein Lied durch
die Luͤfte erſchallen, nur die heiſere Grille zirpt
ihren einfachen Trauerſang. Viele wandeln
ohne Mitleid voruͤber, und achten ihrer nicht;
ſie wagen es nicht, Huͤlfe von Menſchen zu er-
flehen, und wie koͤnnten harte gefuͤhlloſe Men-
ſchen ihnen das wieder geben, was ſie verloren,
und was nie kann erſezt werden! Traurig ſchlei-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/237>, abgerufen am 23.11.2024.
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