term Mantel der Scheinheiligkeit, unter der Larve des Aberglaubens, die lauten Sünden ihrer Jugend verhüllen wollen. Man untersuche ihr geführtes Leben, und was war es für ein Leben? ein Gewebe von Stolz und Eitelkeit, von Bulerei und Unzucht. Den Früling ihrer Tage vertändelten sie an Toiletten, und bulten um Knaben, und Jünglinge. Den Sommer beugten sie sich unter das Joch der Ehe, um desto geheimer der Wollust reichliche Opfer spenden zu können, brachen beschworne Treue, und be- flekten das Bette ihres Gatten. Den Herbst widmeten sie dem Stolz und der Eitelkeit, glänz- ten an der Seite ihrer Töchter, formten sie zu Koketten, und bulten mit ihnen wechselsweise um den Weihrauch der Schmeichelei, den Stuz- zer und Gekken ausduften. Und nun den Win- ter ihres Lebens wollen sie der Religion weihen, die sie so lange als Pfaffenschimäre für den Pöbel und Duns betrachtet, wollen dir die Hefen brin- gen, Vater der Menschen! der du die Erstlinge forderst; glauben, daß alle Forderungen deiner Gesezze erfüllt sind, wenn sie deinen Tempel besuchen, äusserliche Zerimonien ihrer Kirche be- folgen, und Töne plappern, davon ihr Herz
term Mantel der Scheinheiligkeit, unter der Larve des Aberglaubens, die lauten Suͤnden ihrer Jugend verhuͤllen wollen. Man unterſuche ihr gefuͤhrtes Leben, und was war es fuͤr ein Leben? ein Gewebe von Stolz und Eitelkeit, von Bulerei und Unzucht. Den Fruͤling ihrer Tage vertaͤndelten ſie an Toiletten, und bulten um Knaben, und Juͤnglinge. Den Sommer beugten ſie ſich unter das Joch der Ehe, um deſto geheimer der Wolluſt reichliche Opfer ſpenden zu koͤnnen, brachen beſchworne Treue, und be- flekten das Bette ihres Gatten. Den Herbſt widmeten ſie dem Stolz und der Eitelkeit, glaͤnz- ten an der Seite ihrer Toͤchter, formten ſie zu Koketten, und bulten mit ihnen wechſelsweiſe um den Weihrauch der Schmeichelei, den Stuz- zer und Gekken ausduften. Und nun den Win- ter ihres Lebens wollen ſie der Religion weihen, die ſie ſo lange als Pfaffenſchimaͤre fuͤr den Poͤbel und Duns betrachtet, wollen dir die Hefen brin- gen, Vater der Menſchen! der du die Erſtlinge forderſt; glauben, daß alle Forderungen deiner Geſezze erfuͤllt ſind, wenn ſie deinen Tempel beſuchen, aͤuſſerliche Zerimonien ihrer Kirche be- folgen, und Toͤne plappern, davon ihr Herz
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ihrer Jugend verhuͤllen wollen. Man unterſuche
ihr gefuͤhrtes Leben, und was war es fuͤr ein
Leben? ein Gewebe von Stolz und Eitelkeit,
von Bulerei und Unzucht. Den Fruͤling ihrer
Tage vertaͤndelten ſie an Toiletten, und bulten
um Knaben, und Juͤnglinge. Den Sommer
beugten ſie ſich unter das Joch der Ehe, um deſto
geheimer der Wolluſt reichliche Opfer ſpenden zu
koͤnnen, brachen beſchworne Treue, und be-
flekten das Bette ihres Gatten. Den Herbſt
widmeten ſie dem Stolz und der Eitelkeit, glaͤnz-
ten an der Seite ihrer Toͤchter, formten ſie zu
Koketten, und bulten mit ihnen wechſelsweiſe
um den Weihrauch der Schmeichelei, den Stuz-
zer und Gekken ausduften. Und nun den Win-
ter ihres Lebens wollen ſie der Religion weihen,
die ſie ſo lange als Pfaffenſchimaͤre fuͤr den Poͤbel
und Duns betrachtet, wollen dir die Hefen brin-
gen, Vater der Menſchen! der du die Erſtlinge
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/211>, abgerufen am 23.11.2024.
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