lezt sterben; im Gegenteil, Lelye ward erst achtzehn Tage nachher verurteilt, und erst den 3ten Jan: 1780 dem Henker übergeben. Man schildere sich das Entsezzen der Richter, und stelle sich die verschiedenen Gefühle der Zu- schauer vor, als man diesen Elenden, beim Moment der Hinrichtung, von Gewissensbissen gemartert, die Gottheit, das Gericht, und seinen Freund, um Verzeihung bitten sah, daß er diesen letztern durch seine falsche Angabe ge- tödtet, so wie er seinen Bruder ermordet hätte. Diesem entsezlichen Geständnisse fügte er alle dem Unglüklichen zur Rechtfertigung gereichende Umstände hinzu, dessen Blut noch den Richt- plaz färbt. Mehr erschrokken als beschämt, mehr in Bestürzung, als mit einem gebesserten Her- zen, führen die Richter das Ungeheuer an die Stelle, wo das Verbrechen verübt worden, da zeigt er die Unmöglichkeit einen Mitverbrecher gehabt haben zu können, sezt dadurch die Un- schuld des Püre ans Licht, und nötigt das Ge- richt, sich selbst desjenigen Verbrechens schuldig zu erkennen, welches es an ihm eben bestrafen will.
IX.
lezt ſterben; im Gegenteil, Lelye ward erſt achtzehn Tage nachher verurteilt, und erſt den 3ten Jan: 1780 dem Henker uͤbergeben. Man ſchildere ſich das Entſezzen der Richter, und ſtelle ſich die verſchiedenen Gefuͤhle der Zu- ſchauer vor, als man dieſen Elenden, beim Moment der Hinrichtung, von Gewiſſensbiſſen gemartert, die Gottheit, das Gericht, und ſeinen Freund, um Verzeihung bitten ſah, daß er dieſen letztern durch ſeine falſche Angabe ge- toͤdtet, ſo wie er ſeinen Bruder ermordet haͤtte. Dieſem entſezlichen Geſtaͤndniſſe fuͤgte er alle dem Ungluͤklichen zur Rechtfertigung gereichende Umſtaͤnde hinzu, deſſen Blut noch den Richt- plaz faͤrbt. Mehr erſchrokken als beſchaͤmt, mehr in Beſtuͤrzung, als mit einem gebeſſerten Her- zen, fuͤhren die Richter das Ungeheuer an die Stelle, wo das Verbrechen veruͤbt worden, da zeigt er die Unmoͤglichkeit einen Mitverbrecher gehabt haben zu koͤnnen, ſezt dadurch die Un- ſchuld des Puͤre ans Licht, und noͤtigt das Ge- richt, ſich ſelbſt desjenigen Verbrechens ſchuldig zu erkennen, welches es an ihm eben beſtrafen will.
IX.
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lezt ſterben; im Gegenteil, Lelye ward erſt
achtzehn Tage nachher verurteilt, und erſt den
3ten Jan: 1780 dem Henker uͤbergeben.
Man ſchildere ſich das Entſezzen der Richter,
und ſtelle ſich die verſchiedenen Gefuͤhle der Zu-
ſchauer vor, als man dieſen Elenden, beim
Moment der Hinrichtung, von Gewiſſensbiſſen
gemartert, die Gottheit, das Gericht, und
ſeinen Freund, um Verzeihung bitten ſah, daß
er dieſen letztern durch ſeine falſche Angabe ge-
toͤdtet, ſo wie er ſeinen Bruder ermordet haͤtte.
Dieſem entſezlichen Geſtaͤndniſſe fuͤgte er alle
dem Ungluͤklichen zur Rechtfertigung gereichende
Umſtaͤnde hinzu, deſſen Blut noch den Richt-
plaz faͤrbt. Mehr erſchrokken als beſchaͤmt, mehr
in Beſtuͤrzung, als mit einem gebeſſerten Her-
zen, fuͤhren die Richter das Ungeheuer an die
Stelle, wo das Verbrechen veruͤbt worden, da
zeigt er die Unmoͤglichkeit einen Mitverbrecher
gehabt haben zu koͤnnen, ſezt dadurch die Un-
ſchuld des Puͤre ans Licht, und noͤtigt das Ge-
richt, ſich ſelbſt desjenigen Verbrechens
ſchuldig zu erkennen, welches es an ihm
eben beſtrafen will.
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/200>, abgerufen am 23.11.2024.
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