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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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Haus umschliest seine Gebeine, er wird einge-
senkt in die tiefe Gruft, wo Ruh nach Arbeit
auf ihn wartet, und der Gutsherr fragt nicht
einmal: wen begrabt ihr da? Oft wird sein
Andenken beschimpft, sein Weib, seine Kinder
aus dem Akkerhofe gestossen, und nun geht ihr
armen Wichte
in die weite Gottes Welt, erbet-
telt euch Allmosen vor den Thüren, und sterbt
elend und verachtet. O! ihr braucht nicht erst in
Schauspielen über menschliches Elend zu wei-
nen, braucht nicht eure Gemälde von Hogarth
und Kranach tränenvoll anzublikken; -- hier
ist nicht nachgeahmtes, von der schaffenden Jdee
des Künstlers hingeworfenes, sondern wirk-
liches Elend!
Elend, bei dem auch einem Phi-
dias
der Pinsel entfallen würde *).

*) Wir sprechen so viel von Gefül und Empfin-
dung, und spotten dessen, der an dieser Mo-
deseuche nicht siech liegt. Da weint die
empfindelnde Schöne über ein verwelktes
Blümchen, über den erfrornen Sperling, be-
klagt sich über die Härte der Männer, ein Reh
zu erlegen, und den armen Hasen aufzulauren,
und -- spottet in eben dem Moment des Elen-
den und Siechen. Jch sah einst eine solche So-
phistin
in einem Trauerspiel, wo das mensch-
liche Elend geschildert ward, heftig weinen,

Haus umſchlieſt ſeine Gebeine, er wird einge-
ſenkt in die tiefe Gruft, wo Ruh nach Arbeit
auf ihn wartet, und der Gutsherr fragt nicht
einmal: wen begrabt ihr da? Oft wird ſein
Andenken beſchimpft, ſein Weib, ſeine Kinder
aus dem Akkerhofe geſtoſſen, und nun geht ihr
armen Wichte
in die weite Gottes Welt, erbet-
telt euch Allmoſen vor den Thuͤren, und ſterbt
elend und verachtet. O! ihr braucht nicht erſt in
Schauſpielen uͤber menſchliches Elend zu wei-
nen, braucht nicht eure Gemaͤlde von Hogarth
und Kranach traͤnenvoll anzublikken; — hier
iſt nicht nachgeahmtes, von der ſchaffenden Jdee
des Kuͤnſtlers hingeworfenes, ſondern wirk-
liches Elend!
Elend, bei dem auch einem Phi-
dias
der Pinſel entfallen wuͤrde *).

*) Wir ſprechen ſo viel von Gefuͤl und Empfin-
dung, und ſpotten deſſen, der an dieſer Mo-
deſeuche nicht ſiech liegt. Da weint die
empfindelnde Schoͤne uͤber ein verwelktes
Bluͤmchen, uͤber den erfrornen Sperling, be-
klagt ſich uͤber die Haͤrte der Maͤnner, ein Reh
zu erlegen, und den armen Haſen aufzulauren,
und — ſpottet in eben dem Moment des Elen-
den und Siechen. Jch ſah einſt eine ſolche So-
phiſtin
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[162/0170] Haus umſchlieſt ſeine Gebeine, er wird einge- ſenkt in die tiefe Gruft, wo Ruh nach Arbeit auf ihn wartet, und der Gutsherr fragt nicht einmal: wen begrabt ihr da? Oft wird ſein Andenken beſchimpft, ſein Weib, ſeine Kinder aus dem Akkerhofe geſtoſſen, und nun geht ihr armen Wichte in die weite Gottes Welt, erbet- telt euch Allmoſen vor den Thuͤren, und ſterbt elend und verachtet. O! ihr braucht nicht erſt in Schauſpielen uͤber menſchliches Elend zu wei- nen, braucht nicht eure Gemaͤlde von Hogarth und Kranach traͤnenvoll anzublikken; — hier iſt nicht nachgeahmtes, von der ſchaffenden Jdee des Kuͤnſtlers hingeworfenes, ſondern wirk- liches Elend! Elend, bei dem auch einem Phi- dias der Pinſel entfallen wuͤrde *). *) Wir ſprechen ſo viel von Gefuͤl und Empfin- dung, und ſpotten deſſen, der an dieſer Mo- deſeuche nicht ſiech liegt. Da weint die empfindelnde Schoͤne uͤber ein verwelktes Bluͤmchen, uͤber den erfrornen Sperling, be- klagt ſich uͤber die Haͤrte der Maͤnner, ein Reh zu erlegen, und den armen Haſen aufzulauren, und — ſpottet in eben dem Moment des Elen- den und Siechen. Jch ſah einſt eine ſolche So- phiſtin in einem Trauerſpiel, wo das menſch- liche Elend geſchildert ward, heftig weinen,

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/170>, abgerufen am 26.11.2024.