was gewinnen sie mit alle ihrer Arbeit? Karge Brokken, kärgliche Narung fristet ihr Leben, mergelt die Säfte aus, und öfnet schleichenden Seuchen Thür und Thor. -- Da liegt der Hausvater auf dem Krankenbette, kein Arzt steht ihm bei, kein Labetrunk erquikket die Le- bensgeister. Seine Hausfrau jammert laut, seine Kinder winseln um sein Bette. Auch die dürfen den armen kranken Mann nicht einmal pflegen, der Vogt ruft sie zum Frondienst, und reißt sie wol gar mit Flüchen und Schlägen vom Siechbette ihres Mannes und Vaters hinweg. Da liegt er nun allein, keine Seele kümmert sich um ihn, merkt auf ihn. Seine Haushaltung ist zerrüttet, sein Feld unbestellt, seine Frau und Kinder im äussersten Mangel. -- Das muß die stärkste Natur erschüttern, das muß den feste- sten Bau des Körpers untergraben. Euch dürfte das Loos nicht treffen, die ihr da viel von Em- pfindung und Gefühl plaudert, über den gefalle- nen Sperling weint, über das hingesunkne Veil- chen traurt, und gewiß kalt vor der Hütte des Elenden vorüber eilet.
Euer durch modische Erziehung erschlaffter -- durch erzwungene Empfindungen entnervter Kör-
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was gewinnen ſie mit alle ihrer Arbeit? Karge Brokken, kaͤrgliche Narung friſtet ihr Leben, mergelt die Saͤfte aus, und oͤfnet ſchleichenden Seuchen Thuͤr und Thor. — Da liegt der Hausvater auf dem Krankenbette, kein Arzt ſteht ihm bei, kein Labetrunk erquikket die Le- bensgeiſter. Seine Hausfrau jammert laut, ſeine Kinder winſeln um ſein Bette. Auch die duͤrfen den armen kranken Mann nicht einmal pflegen, der Vogt ruft ſie zum Frondienſt, und reißt ſie wol gar mit Fluͤchen und Schlaͤgen vom Siechbette ihres Mannes und Vaters hinweg. Da liegt er nun allein, keine Seele kuͤmmert ſich um ihn, merkt auf ihn. Seine Haushaltung iſt zerruͤttet, ſein Feld unbeſtellt, ſeine Frau und Kinder im aͤuſſerſten Mangel. — Das muß die ſtaͤrkſte Natur erſchuͤttern, das muß den feſte- ſten Bau des Koͤrpers untergraben. Euch duͤrfte das Loos nicht treffen, die ihr da viel von Em- pfindung und Gefuͤhl plaudert, uͤber den gefalle- nen Sperling weint, uͤber das hingeſunkne Veil- chen traurt, und gewiß kalt vor der Huͤtte des Elenden voruͤber eilet.
Euer durch modiſche Erziehung erſchlaffter — durch erzwungene Empfindungen entnervter Koͤr-
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was gewinnen ſie mit alle ihrer Arbeit? Karge
Brokken, kaͤrgliche Narung friſtet ihr Leben,
mergelt die Saͤfte aus, und oͤfnet ſchleichenden
Seuchen Thuͤr und Thor. — Da liegt der
Hausvater auf dem Krankenbette, kein Arzt
ſteht ihm bei, kein Labetrunk erquikket die Le-
bensgeiſter. Seine Hausfrau jammert laut,
ſeine Kinder winſeln um ſein Bette. Auch die
duͤrfen den armen kranken Mann nicht einmal
pflegen, der Vogt ruft ſie zum Frondienſt, und
reißt ſie wol gar mit Fluͤchen und Schlaͤgen vom
Siechbette ihres Mannes und Vaters hinweg.
Da liegt er nun allein, keine Seele kuͤmmert ſich
um ihn, merkt auf ihn. Seine Haushaltung
iſt zerruͤttet, ſein Feld unbeſtellt, ſeine Frau
und Kinder im aͤuſſerſten Mangel. — Das muß
die ſtaͤrkſte Natur erſchuͤttern, das muß den feſte-
ſten Bau des Koͤrpers untergraben. Euch duͤrfte
das Loos nicht treffen, die ihr da viel von Em-
pfindung und Gefuͤhl plaudert, uͤber den gefalle-
nen Sperling weint, uͤber das hingeſunkne Veil-
chen traurt, und gewiß kalt vor der Huͤtte des
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/168>, abgerufen am 26.11.2024.
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