Brüllen aus; es lechzt wie ein Thier, und ruft mit Wut und Verzweifelung nach Wasser. Er will sich durch seinen eigenen Urin laben. Desto schlimmer; ach! der Urin erhizt die Eingeweide noch mehr. Der Durst wird heftiger, das Blut kommt in Wallung, und der Gefangene erstikt in Konvulsionen, noch ehe zweimal vier und zwanzig Stunden vorüber waren. Sein Leich- nam war kohlschwarz, zum Zeichen des Brands, der ihn ergriffen hatte. Dis ist das Faktum felbst. Bekkers-Anderle war immer als ein unbe- scholtener und beliebter Mann in den Gemeinen berufen. Sein Weib hingegen hatte einen etwas zweideutigen Ruf, und lebte schon seit ge- raumer Zeit mit dem Verwalter Eibertsberger in einem Vertrauen, welches die Eifersucht der Haushälterinn, die die Honneurs seiner Tafel und seines Bettes machte, mehrmalen erregt hatte. Jn der That, wie liesse sich sonst eine solche Ge, walttätigkeit ohne zureichenden Grund begreifen. Um der Sache eine andere Wendung zu geben, behauptet der Verwalter, daß sich der Gefan- gene im Kerker selbst entleibt habe, und um kon- sequent zu sein, macht er deshalb dem Leichnam die ehrliche Grabstätte streitig; Bekkers-Anderle
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Bruͤllen aus; es lechzt wie ein Thier, und ruft mit Wut und Verzweifelung nach Waſſer. Er will ſich durch ſeinen eigenen Urin laben. Deſto ſchlimmer; ach! der Urin erhizt die Eingeweide noch mehr. Der Durſt wird heftiger, das Blut kommt in Wallung, und der Gefangene erſtikt in Konvulſionen, noch ehe zweimal vier und zwanzig Stunden voruͤber waren. Sein Leich- nam war kohlſchwarz, zum Zeichen des Brands, der ihn ergriffen hatte. Dis iſt das Faktum felbſt. Bekkers-Anderle war immer als ein unbe- ſcholtener und beliebter Mann in den Gemeinen berufen. Sein Weib hingegen hatte einen etwas zweideutigen Ruf, und lebte ſchon ſeit ge- raumer Zeit mit dem Verwalter Eibertsberger in einem Vertrauen, welches die Eiferſucht der Haushaͤlterinn, die die Honneurs ſeiner Tafel und ſeines Bettes machte, mehrmalen erregt hatte. Jn der That, wie lieſſe ſich ſonſt eine ſolche Ge, walttaͤtigkeit ohne zureichenden Grund begreifen. Um der Sache eine andere Wendung zu geben, behauptet der Verwalter, daß ſich der Gefan- gene im Kerker ſelbſt entleibt habe, und um kon- ſequent zu ſein, macht er deshalb dem Leichnam die ehrliche Grabſtaͤtte ſtreitig; Bekkers-Anderle
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Bruͤllen aus; es lechzt wie ein Thier, und ruft
mit Wut und Verzweifelung nach Waſſer. Er
will ſich durch ſeinen eigenen Urin laben. Deſto
ſchlimmer; ach! der Urin erhizt die Eingeweide
noch mehr. Der Durſt wird heftiger, das Blut
kommt in Wallung, und der Gefangene erſtikt
in Konvulſionen, noch ehe zweimal vier und
zwanzig Stunden voruͤber waren. Sein Leich-
nam war kohlſchwarz, zum Zeichen des Brands,
der ihn ergriffen hatte. Dis iſt das Faktum felbſt.
Bekkers-Anderle war immer als ein unbe-
ſcholtener und beliebter Mann in den Gemeinen
berufen. Sein Weib hingegen hatte einen
etwas zweideutigen Ruf, und lebte ſchon ſeit ge-
raumer Zeit mit dem Verwalter Eibertsberger in
einem Vertrauen, welches die Eiferſucht der
Haushaͤlterinn, die die Honneurs ſeiner Tafel
und ſeines Bettes machte, mehrmalen erregt hatte.
Jn der That, wie lieſſe ſich ſonſt eine ſolche Ge,
walttaͤtigkeit ohne zureichenden Grund begreifen.
Um der Sache eine andere Wendung zu geben,
behauptet der Verwalter, daß ſich der Gefan-
gene im Kerker ſelbſt entleibt habe, und um kon-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/161>, abgerufen am 23.11.2024.
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