zeigt gewis von der feinen Empfindung der Ge- sezgeber dieses Volks. Wir haben ja auch die römi- schen Gesezze angenommen, auf deren Bekant- machung wir so viel Jahre verschwenden, und doch wird niemand einen Kuppler und eine feile Dirne für ehrlos erklären, und ihre Namen brandmarken; wir sehen sie ja als notwendig und unentbehrlich an, haben den harten deut- schen Ausdruk einer Hure, mit dem gefälligen einer Tochter der Freude (fille de joie) ver- tauscht, und sezzen solche moralisch-elende und verworfene Geschöpfe in den Stand ein gemächliches üppiges Leben zu führen, und so viele mit sich in den Schlamm ihrer Lüste hin- abzuziehn. Hat der Staat etwa einen Nuzzen von solcher niedrigen Klasse von Menschen, die ein Gewerbe damit treiben, unbefangne Mäd- gens zu verführen, und sie der Mutter zu ent- reissen -- von solchen elenden Geschöpfen, die mannbare Jünglinge entnerven, und ein schlei- chendes Gift in alle Adern giessen, das den feste- sten Bau des Körpers abspannt, und in einem Nu der Verwesung in die Arme wirft? Nur der Wollüstige wird mir hierin widersprechen, der gröste Teil meiner Mitbrüder wird zugestehen
zeigt gewis von der feinen Empfindung der Ge- ſezgeber dieſes Volks. Wir haben ja auch die roͤmi- ſchen Geſezze angenommen, auf deren Bekant- machung wir ſo viel Jahre verſchwenden, und doch wird niemand einen Kuppler und eine feile Dirne fuͤr ehrlos erklaͤren, und ihre Namen brandmarken; wir ſehen ſie ja als notwendig und unentbehrlich an, haben den harten deut- ſchen Ausdruk einer Hure, mit dem gefaͤlligen einer Tochter der Freude (fille de joie) ver- tauſcht, und ſezzen ſolche moraliſch-elende und verworfene Geſchoͤpfe in den Stand ein gemaͤchliches uͤppiges Leben zu fuͤhren, und ſo viele mit ſich in den Schlamm ihrer Luͤſte hin- abzuziehn. Hat der Staat etwa einen Nuzzen von ſolcher niedrigen Klaſſe von Menſchen, die ein Gewerbe damit treiben, unbefangne Maͤd- gens zu verfuͤhren, und ſie der Mutter zu ent- reiſſen — von ſolchen elenden Geſchoͤpfen, die mannbare Juͤnglinge entnerven, und ein ſchlei- chendes Gift in alle Adern gieſſen, das den feſte- ſten Bau des Koͤrpers abſpannt, und in einem Nu der Verweſung in die Arme wirft? Nur der Wolluͤſtige wird mir hierin widerſprechen, der groͤſte Teil meiner Mitbruͤder wird zugeſtehen
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zeigt gewis von der feinen Empfindung der Ge-
ſezgeber dieſes Volks. Wir haben ja auch die roͤmi-
ſchen Geſezze angenommen, auf deren Bekant-
machung wir ſo viel Jahre verſchwenden, und
doch wird niemand einen Kuppler und eine feile
Dirne fuͤr ehrlos erklaͤren, und ihre Namen
brandmarken; wir ſehen ſie ja als notwendig
und unentbehrlich an, haben den harten deut-
ſchen Ausdruk einer Hure, mit dem gefaͤlligen
einer Tochter der Freude (fille de joie) ver-
tauſcht, und ſezzen ſolche moraliſch-elende
und verworfene Geſchoͤpfe in den Stand
ein gemaͤchliches uͤppiges Leben zu fuͤhren, und
ſo viele mit ſich in den Schlamm ihrer Luͤſte hin-
abzuziehn. Hat der Staat etwa einen Nuzzen
von ſolcher niedrigen Klaſſe von Menſchen, die
ein Gewerbe damit treiben, unbefangne Maͤd-
gens zu verfuͤhren, und ſie der Mutter zu ent-
reiſſen — von ſolchen elenden Geſchoͤpfen, die
mannbare Juͤnglinge entnerven, und ein ſchlei-
chendes Gift in alle Adern gieſſen, das den feſte-
ſten Bau des Koͤrpers abſpannt, und in einem
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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