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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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Ahnenstolz und Dummheit bezeichneten jeden
seiner Tritte, er sperrte seinen Sohn ein, drohte
ihn mit Fluch und Enterbung. Lotte, das
schuldlose Mädchen,
wurde von ihm zum
niedrigsten Geschöpf herabgewürdigt, er wollte
ihr auch die Freiheit nehmen, aber seine würdige
Gattin hintertriebs, doch dies gebar auch all' die
Leiden ihrer Seele, deren Uebermas sie so früh
der Menschheit entzog.

Julius wurde nach C .. zu einem Ver-
wandten gebracht, und hier wurden väterliche
Gewalt, Einkerkerung, Verleumdung,
und
List gebraucht, ihn bundbrüchig zu machen.
Fluch und Drohungen zwangen ihn, sich mit ei-
ner andern Person zu verbinden, und Lotten
zu entsagen. Dies erfuhr sie, ihr Herz litte viel,
denn sie hielt ihren Julius für treulos. Doch die
Zeit hätte vielleicht über ihren Gram gesiegt, wenn
nicht ein Brief ihres unglüklichen Geliebten ihre
Ruhe auf ewig untergraben hätte. Hier entwik-
kelte sich ihr der Betrug und die List, die man auf
Unkosten ihrer Ehre und ihres guten Namens,
gebraucht hatte, zwei Herzen zu trennen, die so
vest verbunden waren. Sie fiel in eine ernste Me-
lancholie, wir waren nicht behutsam genug, über

Ahnenſtolz und Dummheit bezeichneten jeden
ſeiner Tritte, er ſperrte ſeinen Sohn ein, drohte
ihn mit Fluch und Enterbung. Lotte, das
ſchuldloſe Maͤdchen,
wurde von ihm zum
niedrigſten Geſchoͤpf herabgewuͤrdigt, er wollte
ihr auch die Freiheit nehmen, aber ſeine wuͤrdige
Gattin hintertriebs, doch dies gebar auch all’ die
Leiden ihrer Seele, deren Uebermas ſie ſo fruͤh
der Menſchheit entzog.

Julius wurde nach C .. zu einem Ver-
wandten gebracht, und hier wurden vaͤterliche
Gewalt, Einkerkerung, Verleumdung,
und
Liſt gebraucht, ihn bundbruͤchig zu machen.
Fluch und Drohungen zwangen ihn, ſich mit ei-
ner andern Perſon zu verbinden, und Lotten
zu entſagen. Dies erfuhr ſie, ihr Herz litte viel,
denn ſie hielt ihren Julius fuͤr treulos. Doch die
Zeit haͤtte vielleicht uͤber ihren Gram geſiegt, wenn
nicht ein Brief ihres ungluͤklichen Geliebten ihre
Ruhe auf ewig untergraben haͤtte. Hier entwik-
kelte ſich ihr der Betrug und die Liſt, die man auf
Unkoſten ihrer Ehre und ihres guten Namens,
gebraucht hatte, zwei Herzen zu trennen, die ſo
veſt verbunden waren. Sie fiel in eine ernſte Me-
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[110/0118] Ahnenſtolz und Dummheit bezeichneten jeden ſeiner Tritte, er ſperrte ſeinen Sohn ein, drohte ihn mit Fluch und Enterbung. Lotte, das ſchuldloſe Maͤdchen, wurde von ihm zum niedrigſten Geſchoͤpf herabgewuͤrdigt, er wollte ihr auch die Freiheit nehmen, aber ſeine wuͤrdige Gattin hintertriebs, doch dies gebar auch all’ die Leiden ihrer Seele, deren Uebermas ſie ſo fruͤh der Menſchheit entzog. Julius wurde nach C .. zu einem Ver- wandten gebracht, und hier wurden vaͤterliche Gewalt, Einkerkerung, Verleumdung, und Liſt gebraucht, ihn bundbruͤchig zu machen. Fluch und Drohungen zwangen ihn, ſich mit ei- ner andern Perſon zu verbinden, und Lotten zu entſagen. Dies erfuhr ſie, ihr Herz litte viel, denn ſie hielt ihren Julius fuͤr treulos. Doch die Zeit haͤtte vielleicht uͤber ihren Gram geſiegt, wenn nicht ein Brief ihres ungluͤklichen Geliebten ihre Ruhe auf ewig untergraben haͤtte. Hier entwik- kelte ſich ihr der Betrug und die Liſt, die man auf Unkoſten ihrer Ehre und ihres guten Namens, gebraucht hatte, zwei Herzen zu trennen, die ſo veſt verbunden waren. Sie fiel in eine ernſte Me- lancholie, wir waren nicht behutſam genug, uͤber

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/118>, abgerufen am 23.11.2024.