Fast noch ungnädiger pflegen es die Herrn aufzunehmen, wenn man gar nichts von ihrer Autorschaft weiß, gar nichts von ihnen gelesen hat, oder wenn man den Mann, eines Buches wegen, das er geschrieben, dennoch im gemeinen Leben nicht anders wie Jeden behandelt, der auf andre Weise der Welt nützlich wird, endlich, wenn man Grundsätze äussert, die nicht in ihr System passen, die mit denen streiten, zu deren Behauptung sie so manchen Bogen Papier mit Buchstaben versehn haben. Hüte Dich vor die¬ sem Allen, wenn Du einen Schriftsteller nicht beleidigen willst! Allein unterscheide auch wohl, welchen Mann Du vor Dir hast, groß, klein, oder mittelmäßig! Alle riechen den Weyhrauch gern, der ihnen gestreuet wird, aber nicht Jeden darf man auf gleich grobe Art einräuchern. Der Eine nimmt vorlieb, wenn Du es ihm grade in den Bart sagst: er sey ein großer Mann; der Andre ist zufrieden, wenn Du nur, ohne Wie¬ derspruch, erlaubst, daß er dies selbst von sich sage; der Dritte verlangt nichts von Dir, als Hiobs Geduld, wenn er Dir seine elenden Pro¬ ducte vorliest; Den Vierten kitzelt eine kleine vortheilhafte Anspielung auf irgend eine Stelle
aus
Faſt noch ungnaͤdiger pflegen es die Herrn aufzunehmen, wenn man gar nichts von ihrer Autorſchaft weiß, gar nichts von ihnen geleſen hat, oder wenn man den Mann, eines Buches wegen, das er geſchrieben, dennoch im gemeinen Leben nicht anders wie Jeden behandelt, der auf andre Weiſe der Welt nuͤtzlich wird, endlich, wenn man Grundſaͤtze aͤuſſert, die nicht in ihr Syſtem paſſen, die mit denen ſtreiten, zu deren Behauptung ſie ſo manchen Bogen Papier mit Buchſtaben verſehn haben. Huͤte Dich vor die¬ ſem Allen, wenn Du einen Schriftſteller nicht beleidigen willſt! Allein unterſcheide auch wohl, welchen Mann Du vor Dir haſt, groß, klein, oder mittelmaͤßig! Alle riechen den Weyhrauch gern, der ihnen geſtreuet wird, aber nicht Jeden darf man auf gleich grobe Art einraͤuchern. Der Eine nimmt vorlieb, wenn Du es ihm grade in den Bart ſagſt: er ſey ein großer Mann; der Andre iſt zufrieden, wenn Du nur, ohne Wie¬ derſpruch, erlaubſt, daß er dies ſelbſt von ſich ſage; der Dritte verlangt nichts von Dir, als Hiobs Geduld, wenn er Dir ſeine elenden Pro¬ ducte vorlieſt; Den Vierten kitzelt eine kleine vortheilhafte Anſpielung auf irgend eine Stelle
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Faſt noch ungnaͤdiger pflegen es die Herrn
aufzunehmen, wenn man gar nichts von ihrer
Autorſchaft weiß, gar nichts von ihnen geleſen
hat, oder wenn man den Mann, eines Buches
wegen, das er geſchrieben, dennoch im gemeinen
Leben nicht anders wie Jeden behandelt, der auf
andre Weiſe der Welt nuͤtzlich wird, endlich,
wenn man Grundſaͤtze aͤuſſert, die nicht in ihr
Syſtem paſſen, die mit denen ſtreiten, zu deren
Behauptung ſie ſo manchen Bogen Papier mit
Buchſtaben verſehn haben. Huͤte Dich vor die¬
ſem Allen, wenn Du einen Schriftſteller nicht
beleidigen willſt! Allein unterſcheide auch wohl,
welchen Mann Du vor Dir haſt, groß, klein,
oder mittelmaͤßig! Alle riechen den Weyhrauch
gern, der ihnen geſtreuet wird, aber nicht Jeden
darf man auf gleich grobe Art einraͤuchern. Der
Eine nimmt vorlieb, wenn Du es ihm grade in
den Bart ſagſt: er ſey ein großer Mann; der
Andre iſt zufrieden, wenn Du nur, ohne Wie¬
derſpruch, erlaubſt, daß er dies ſelbſt von ſich
ſage; der Dritte verlangt nichts von Dir, als
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/97>, abgerufen am 22.11.2024.
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