Brettern herumspringt, ein Tänzer genant wird; dann muß man wohl ein Paar Worte darüber sagen, wie man sich im Umgange mit solchen Leuten zu betragen hat, wenn man nicht für einen Mann ohne Geschmack und Kenntniß angesehn seyn will.
2.
Beurtheile nicht den moralischen Character des Gelehrten nach dem Inhalte seiner Schrif¬ ten! Auf dem Papiere sieht der Mann oft ganz anders aus, als in natura. Auch ist das so übel nicht zu nehmen. Am Schreibtische, wo man die ruhigste Gemüthsverfassung wählen kann, wenn keine stürmische Leidenschaften un¬ sern Geist aus seiner Fassung bringen; da lassen sich herrliche moralische Vorschriften geben, die nachher in der würklichen Welt, wo Reizung, Ueberraschung und Verführung von Seiten der berüchtigten drey geistlichen Feinde uns hin und hertreiben, nicht so leicht zu befolgen sind. Also soll man freylich den Mann der Tugend pre¬ digt, darum nicht immer für ein Muster von Tugend halten, sondern auch bedenken, daß er ein Mensch bleibt, ihm wenigstens dafür dan¬
ken,
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Brettern herumſpringt, ein Taͤnzer genant wird; dann muß man wohl ein Paar Worte daruͤber ſagen, wie man ſich im Umgange mit ſolchen Leuten zu betragen hat, wenn man nicht fuͤr einen Mann ohne Geſchmack und Kenntniß angeſehn ſeyn will.
2.
Beurtheile nicht den moraliſchen Character des Gelehrten nach dem Inhalte ſeiner Schrif¬ ten! Auf dem Papiere ſieht der Mann oft ganz anders aus, als in natura. Auch iſt das ſo uͤbel nicht zu nehmen. Am Schreibtiſche, wo man die ruhigſte Gemuͤthsverfaſſung waͤhlen kann, wenn keine ſtuͤrmiſche Leidenſchaften un¬ ſern Geiſt aus ſeiner Faſſung bringen; da laſſen ſich herrliche moraliſche Vorſchriften geben, die nachher in der wuͤrklichen Welt, wo Reizung, Ueberraſchung und Verfuͤhrung von Seiten der beruͤchtigten drey geiſtlichen Feinde uns hin und hertreiben, nicht ſo leicht zu befolgen ſind. Alſo ſoll man freylich den Mann der Tugend pre¬ digt, darum nicht immer fuͤr ein Muſter von Tugend halten, ſondern auch bedenken, daß er ein Menſch bleibt, ihm wenigſtens dafuͤr dan¬
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Brettern herumſpringt, ein Taͤnzer genant
wird; dann muß man wohl ein Paar Worte
daruͤber ſagen, wie man ſich im Umgange mit
ſolchen Leuten zu betragen hat, wenn man nicht
fuͤr einen Mann ohne Geſchmack und Kenntniß
angeſehn ſeyn will.
2.
Beurtheile nicht den moraliſchen Character
des Gelehrten nach dem Inhalte ſeiner Schrif¬
ten! Auf dem Papiere ſieht der Mann oft ganz
anders aus, als in natura. Auch iſt das ſo
uͤbel nicht zu nehmen. Am Schreibtiſche, wo
man die ruhigſte Gemuͤthsverfaſſung waͤhlen
kann, wenn keine ſtuͤrmiſche Leidenſchaften un¬
ſern Geiſt aus ſeiner Faſſung bringen; da laſſen
ſich herrliche moraliſche Vorſchriften geben, die
nachher in der wuͤrklichen Welt, wo Reizung,
Ueberraſchung und Verfuͤhrung von Seiten der
beruͤchtigten drey geiſtlichen Feinde uns hin und
hertreiben, nicht ſo leicht zu befolgen ſind. Alſo
ſoll man freylich den Mann der Tugend pre¬
digt, darum nicht immer fuͤr ein Muſter von
Tugend halten, ſondern auch bedenken, daß er
ein Menſch bleibt, ihm wenigſtens dafuͤr dan¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/91>, abgerufen am 21.11.2024.
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