Schriftsteller, Prediger, Maler, Geisterseher, Schneider, oder Friseur, oft gegen Verdienst und Würdigkeit, vom vornehmen großen Hau¬ fen einerndtet, und es ist verlohrne Mühe, die¬ sem Mode-Geschmacke sich wiedersetzen zu wol¬ len. Am besten ist es da, ruhig abzuwarten, daß eine neue Narrheit die alte verdränge. Es giebt Moden im Gebrauche von Arzeneyen, de¬ nen sich die Vornehmern unterwerfen zu müssen glauben -- sey es, daß sie sich täglich clystieren, oder in ein gewisses Bad und in kein anders reisen, oder sich mit den Pillen oder Pulvern irgend eines Marktschreyers langsam vergiften! Lächle in der Stille darüber! clystiere Dich ohn¬ maßgeblich auch ein wenig, und mache mit, was sich ohne Gefahr und Tollheit mitmachen lässt! Wenigstens mache Dich mit diesen Moden be¬ kannt, um nicht in Deinen Gesprächen dagegen anzustoßen! Du wirst übel anlaufen, wenn Du nach Deiner Empfindung eine Theaternimpfe tadelst, deren Gebrülle grade zu der Zeit in der feinen Welt für Götterstimme gilt, oder wenn Du ein Buch erbärmlich nennst, dessen Verfasser als ein großes Genie anerkannt wird. Du wirst übel anlaufen, wenn Du eine Dame, die grade in
der
Schriftſteller, Prediger, Maler, Geiſterſeher, Schneider, oder Friſeur, oft gegen Verdienſt und Wuͤrdigkeit, vom vornehmen großen Hau¬ fen einerndtet, und es iſt verlohrne Muͤhe, die¬ ſem Mode-Geſchmacke ſich wiederſetzen zu wol¬ len. Am beſten iſt es da, ruhig abzuwarten, daß eine neue Narrheit die alte verdraͤnge. Es giebt Moden im Gebrauche von Arzeneyen, de¬ nen ſich die Vornehmern unterwerfen zu muͤſſen glauben — ſey es, daß ſie ſich taͤglich clyſtieren, oder in ein gewiſſes Bad und in kein anders reiſen, oder ſich mit den Pillen oder Pulvern irgend eines Marktſchreyers langſam vergiften! Laͤchle in der Stille daruͤber! clyſtiere Dich ohn¬ maßgeblich auch ein wenig, und mache mit, was ſich ohne Gefahr und Tollheit mitmachen laͤſſt! Wenigſtens mache Dich mit dieſen Moden be¬ kannt, um nicht in Deinen Geſpraͤchen dagegen anzuſtoßen! Du wirſt uͤbel anlaufen, wenn Du nach Deiner Empfindung eine Theaternimpfe tadelſt, deren Gebruͤlle grade zu der Zeit in der feinen Welt fuͤr Goͤtterſtimme gilt, oder wenn Du ein Buch erbaͤrmlich nennſt, deſſen Verfaſſer als ein großes Genie anerkannt wird. Du wirſt uͤbel anlaufen, wenn Du eine Dame, die grade in
der
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Schriftſteller, Prediger, Maler, Geiſterſeher,
Schneider, oder Friſeur, oft gegen Verdienſt
und Wuͤrdigkeit, vom vornehmen großen Hau¬
fen einerndtet, und es iſt verlohrne Muͤhe, die¬
ſem Mode-Geſchmacke ſich wiederſetzen zu wol¬
len. Am beſten iſt es da, ruhig abzuwarten,
daß eine neue Narrheit die alte verdraͤnge. Es
giebt Moden im Gebrauche von Arzeneyen, de¬
nen ſich die Vornehmern unterwerfen zu muͤſſen
glauben — ſey es, daß ſie ſich taͤglich clyſtieren,
oder in ein gewiſſes Bad und in kein anders
reiſen, oder ſich mit den Pillen oder Pulvern
irgend eines Marktſchreyers langſam vergiften!
Laͤchle in der Stille daruͤber! clyſtiere Dich ohn¬
maßgeblich auch ein wenig, und mache mit, was
ſich ohne Gefahr und Tollheit mitmachen laͤſſt!
Wenigſtens mache Dich mit dieſen Moden be¬
kannt, um nicht in Deinen Geſpraͤchen dagegen
anzuſtoßen! Du wirſt uͤbel anlaufen, wenn Du
nach Deiner Empfindung eine Theaternimpfe
tadelſt, deren Gebruͤlle grade zu der Zeit in der
feinen Welt fuͤr Goͤtterſtimme gilt, oder wenn
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/74>, abgerufen am 30.01.2025.
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