Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Das ist ein Leben, das eines weisen Mannes
werth ist! Und in Wahrheit! es steht öfter in
unsrer Macht, als man gemeiniglich denkt, sich
der großen Welt zu entziehn. Menschenfurcht,
elende Gefälligkeit gegen mittelmäßige Leute,
Eitelkeit, Schwäche, Nachahmungssucht, das
ist es, was so manchen sonst nicht schlechten Mann
bewegt, seine schönsten Stunden da zu verschleu¬
dern, wo er im Grunde nicht zu Hause ist, wo
so oft Eckel und Langeweile ihn anwandeln, und
allerley unedle Leidenschaften ihr Spielwerk mit
ihm treiben. Freylich aber muß man, um sich
diesem zu entziehn, nicht nur, seinen Verhält¬
nissen nach, unabhängig seyn, sondern auch nach
festen Grundsätzen zu handeln und sich über das
Geschwätz der Leute hinauszusetzen den Muth
haben, mag auch davon gesprochen werden,
was da will!

3.

Muß oder will man aber in der großen
Welt leben, und man ist nicht ganz sicher, den
Ton derselben annehmen zu können; so bleibe
man lieber der Art von Stimmung und Wen¬
dung treu, die uns Natur und Erziehung gege¬

ben

Das iſt ein Leben, das eines weiſen Mannes
werth iſt! Und in Wahrheit! es ſteht oͤfter in
unſrer Macht, als man gemeiniglich denkt, ſich
der großen Welt zu entziehn. Menſchenfurcht,
elende Gefaͤlligkeit gegen mittelmaͤßige Leute,
Eitelkeit, Schwaͤche, Nachahmungsſucht, das
iſt es, was ſo manchen ſonſt nicht ſchlechten Mann
bewegt, ſeine ſchoͤnſten Stunden da zu verſchleu¬
dern, wo er im Grunde nicht zu Hauſe iſt, wo
ſo oft Eckel und Langeweile ihn anwandeln, und
allerley unedle Leidenſchaften ihr Spielwerk mit
ihm treiben. Freylich aber muß man, um ſich
dieſem zu entziehn, nicht nur, ſeinen Verhaͤlt¬
niſſen nach, unabhaͤngig ſeyn, ſondern auch nach
feſten Grundſaͤtzen zu handeln und ſich uͤber das
Geſchwaͤtz der Leute hinauszuſetzen den Muth
haben, mag auch davon geſprochen werden,
was da will!

3.

Muß oder will man aber in der großen
Welt leben, und man iſt nicht ganz ſicher, den
Ton derſelben annehmen zu koͤnnen; ſo bleibe
man lieber der Art von Stimmung und Wen¬
dung treu, die uns Natur und Erziehung gege¬

ben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0068" n="46"/>
Das i&#x017F;t ein Leben, das eines wei&#x017F;en Mannes<lb/>
werth i&#x017F;t! Und in Wahrheit! es &#x017F;teht o&#x0364;fter in<lb/>
un&#x017F;rer Macht, als man gemeiniglich denkt, &#x017F;ich<lb/>
der großen Welt zu entziehn. Men&#x017F;chenfurcht,<lb/>
elende Gefa&#x0364;lligkeit gegen mittelma&#x0364;ßige Leute,<lb/>
Eitelkeit, Schwa&#x0364;che, Nachahmungs&#x017F;ucht, das<lb/>
i&#x017F;t es, was &#x017F;o manchen &#x017F;on&#x017F;t nicht &#x017F;chlechten Mann<lb/>
bewegt, &#x017F;eine &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Stunden da zu ver&#x017F;chleu¬<lb/>
dern, wo er im Grunde nicht zu Hau&#x017F;e i&#x017F;t, wo<lb/>
&#x017F;o oft Eckel und Langeweile ihn anwandeln, und<lb/>
allerley unedle Leiden&#x017F;chaften ihr Spielwerk mit<lb/>
ihm treiben. Freylich aber muß man, um &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;em zu entziehn, nicht nur, &#x017F;einen Verha&#x0364;lt¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en nach, unabha&#x0364;ngig &#x017F;eyn, &#x017F;ondern auch nach<lb/>
fe&#x017F;ten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen zu handeln und &#x017F;ich u&#x0364;ber das<lb/>
Ge&#x017F;chwa&#x0364;tz der Leute hinauszu&#x017F;etzen den Muth<lb/>
haben, mag auch davon ge&#x017F;prochen werden,<lb/>
was da will!</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>3.<lb/></head>
            <p>Muß oder will man aber in der großen<lb/>
Welt leben, und man i&#x017F;t nicht ganz &#x017F;icher, den<lb/>
Ton der&#x017F;elben annehmen zu ko&#x0364;nnen; &#x017F;o bleibe<lb/>
man lieber der Art von Stimmung und Wen¬<lb/>
dung treu, die uns Natur und Erziehung gege¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ben<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0068] Das iſt ein Leben, das eines weiſen Mannes werth iſt! Und in Wahrheit! es ſteht oͤfter in unſrer Macht, als man gemeiniglich denkt, ſich der großen Welt zu entziehn. Menſchenfurcht, elende Gefaͤlligkeit gegen mittelmaͤßige Leute, Eitelkeit, Schwaͤche, Nachahmungsſucht, das iſt es, was ſo manchen ſonſt nicht ſchlechten Mann bewegt, ſeine ſchoͤnſten Stunden da zu verſchleu¬ dern, wo er im Grunde nicht zu Hauſe iſt, wo ſo oft Eckel und Langeweile ihn anwandeln, und allerley unedle Leidenſchaften ihr Spielwerk mit ihm treiben. Freylich aber muß man, um ſich dieſem zu entziehn, nicht nur, ſeinen Verhaͤlt¬ niſſen nach, unabhaͤngig ſeyn, ſondern auch nach feſten Grundſaͤtzen zu handeln und ſich uͤber das Geſchwaͤtz der Leute hinauszuſetzen den Muth haben, mag auch davon geſprochen werden, was da will! 3. Muß oder will man aber in der großen Welt leben, und man iſt nicht ganz ſicher, den Ton derſelben annehmen zu koͤnnen; ſo bleibe man lieber der Art von Stimmung und Wen¬ dung treu, die uns Natur und Erziehung gege¬ ben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/68
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/68>, abgerufen am 24.11.2024.