Art, das alles hat mich gelehrt, wie nöthig es sey, Denen, die nicht durch wiedrige Erfahrun¬ gen vollends ausgebildet werden, und die so sel¬ ten reine, lautre, unpartheyische Wahrheit hö¬ ren, ohne Heucheley, doch mit Bescheidenheit und ohne Leidenschaft zu sagen, was ihnen so nöthig ist zu hören. Viele von ihnen sind wahr¬ lich herzlich gut; Selbst die Schwächern haben oft manche Temperaments-Tugend, deren Wür¬ kungen für die Welt viel wohlthätiger werden können, als die sanften Aufwallungen ärmerer und ohnmächtigerer Sterblichen. Sie haben von ihrer ersten Jugend an, alle Muße und Ge¬ legenheit, ihren Geist zu bilden, sich Talente zu erwerben, Welt und Menschen kennen zu lernen, haben Veranlassungen in Menge, Gutes zu thun, die Freuden der Wohlthätigkeit zu schmecken. Ihr Character wird nicht niedergedrückt, ver¬ schoben durch Unglück und Mangel, durch die Nothwendigkeit, sich zu schmiegen und zu beugen. Und wenn von einer Seite Schmeicheley sie leicht verderben kann; so ist von der andern der Gedan¬ ke, daß jede ihrer edeln Handlungen bemerkt wird, und ihre Verirrungen oft noch der späten Nachwelt vorerzählt werden, ein Sporn mehr, groß und
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Art, das alles hat mich gelehrt, wie noͤthig es ſey, Denen, die nicht durch wiedrige Erfahrun¬ gen vollends ausgebildet werden, und die ſo ſel¬ ten reine, lautre, unpartheyiſche Wahrheit hoͤ¬ ren, ohne Heucheley, doch mit Beſcheidenheit und ohne Leidenſchaft zu ſagen, was ihnen ſo noͤthig iſt zu hoͤren. Viele von ihnen ſind wahr¬ lich herzlich gut; Selbſt die Schwaͤchern haben oft manche Temperaments-Tugend, deren Wuͤr¬ kungen fuͤr die Welt viel wohlthaͤtiger werden koͤnnen, als die ſanften Aufwallungen aͤrmerer und ohnmaͤchtigerer Sterblichen. Sie haben von ihrer erſten Jugend an, alle Muße und Ge¬ legenheit, ihren Geiſt zu bilden, ſich Talente zu erwerben, Welt und Menſchen kennen zu lernen, haben Veranlaſſungen in Menge, Gutes zu thun, die Freuden der Wohlthaͤtigkeit zu ſchmecken. Ihr Character wird nicht niedergedruͤckt, ver¬ ſchoben durch Ungluͤck und Mangel, durch die Nothwendigkeit, ſich zu ſchmiegen und zu beugen. Und wenn von einer Seite Schmeicheley ſie leicht verderben kann; ſo iſt von der andern der Gedan¬ ke, daß jede ihrer edeln Handlungen bemerkt wird, und ihre Verirrungen oft noch der ſpaͤten Nachwelt vorerzaͤhlt werden, ein Sporn mehr, groß und
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Art, das alles hat mich gelehrt, wie noͤthig es
ſey, Denen, die nicht durch wiedrige Erfahrun¬
gen vollends ausgebildet werden, und die ſo ſel¬
ten reine, lautre, unpartheyiſche Wahrheit hoͤ¬
ren, ohne Heucheley, doch mit Beſcheidenheit
und ohne Leidenſchaft zu ſagen, was ihnen ſo
noͤthig iſt zu hoͤren. Viele von ihnen ſind wahr¬
lich herzlich gut; Selbſt die Schwaͤchern haben
oft manche Temperaments-Tugend, deren Wuͤr¬
kungen fuͤr die Welt viel wohlthaͤtiger werden
koͤnnen, als die ſanften Aufwallungen aͤrmerer
und ohnmaͤchtigerer Sterblichen. Sie haben
von ihrer erſten Jugend an, alle Muße und Ge¬
legenheit, ihren Geiſt zu bilden, ſich Talente zu
erwerben, Welt und Menſchen kennen zu lernen,
haben Veranlaſſungen in Menge, Gutes zu thun,
die Freuden der Wohlthaͤtigkeit zu ſchmecken.
Ihr Character wird nicht niedergedruͤckt, ver¬
ſchoben durch Ungluͤck und Mangel, durch die
Nothwendigkeit, ſich zu ſchmiegen und zu beugen.
Und wenn von einer Seite Schmeicheley ſie leicht
verderben kann; ſo iſt von der andern der Gedan¬
ke, daß jede ihrer edeln Handlungen bemerkt wird,
und ihre Verirrungen oft noch der ſpaͤten Nachwelt
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/52>, abgerufen am 11.12.2024.
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