Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

mand mit Gewalt wieder mitten in sein tägli¬
ches Joch hineinschieben zu wollen.

16.

Es giebt kleine gesellschaftliche Unschicklich¬
keiten und Inconsequenzen, die man vermeiden,
und wobey man immer überlegen muß, wie es
wohl aussehn würde, wenn Jeder von den An¬
wesenden sich die nemliche Freyheit erlauben
wollte; zum Beyspiel: während der Predigt
zu schlafen; in Concerten zu plaudern; bey dem
Tanze zugleich die Melodie mit zu singen; in
Schauspielen so hinzutreten, daß man nicht über
uns wegsehn kann; in jede Versammlung spä¬
ter zu kommen, früher wegzugehn, oder länger
zu verweilen, als alle übrigen Mitglieder der
Gesellschaft.

17.

Erzähle nicht leicht Annecdoten, besonders
nie solche, die irgend jemand in ein nachtheili¬
ges Licht setzen, auf bloßes Hörensagen nach!
Sehr oft sind sie gar nicht auf Wahrheit ge¬
gründet; oder schon durch so viel Hände gegan¬
gen, daß sie wenigstens vergrößert, verstümmelt

wor¬
X 2

mand mit Gewalt wieder mitten in ſein taͤgli¬
ches Joch hineinſchieben zu wollen.

16.

Es giebt kleine geſellſchaftliche Unſchicklich¬
keiten und Inconſequenzen, die man vermeiden,
und wobey man immer uͤberlegen muß, wie es
wohl ausſehn wuͤrde, wenn Jeder von den An¬
weſenden ſich die nemliche Freyheit erlauben
wollte; zum Beyſpiel: waͤhrend der Predigt
zu ſchlafen; in Concerten zu plaudern; bey dem
Tanze zugleich die Melodie mit zu ſingen; in
Schauſpielen ſo hinzutreten, daß man nicht uͤber
uns wegſehn kann; in jede Verſammlung ſpaͤ¬
ter zu kommen, fruͤher wegzugehn, oder laͤnger
zu verweilen, als alle uͤbrigen Mitglieder der
Geſellſchaft.

17.

Erzaͤhle nicht leicht Annecdoten, beſonders
nie ſolche, die irgend jemand in ein nachtheili¬
ges Licht ſetzen, auf bloßes Hoͤrenſagen nach!
Sehr oft ſind ſie gar nicht auf Wahrheit ge¬
gruͤndet; oder ſchon durch ſo viel Haͤnde gegan¬
gen, daß ſie wenigſtens vergroͤßert, verſtuͤmmelt

wor¬
X 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0345" n="323"/>
mand mit Gewalt wieder mitten in &#x017F;ein ta&#x0364;gli¬<lb/>
ches Joch hinein&#x017F;chieben zu wollen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>16.<lb/></head>
            <p>Es giebt kleine ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliche Un&#x017F;chicklich¬<lb/>
keiten und Incon&#x017F;equenzen, die man vermeiden,<lb/>
und wobey man immer u&#x0364;berlegen muß, wie es<lb/>
wohl aus&#x017F;ehn wu&#x0364;rde, wenn Jeder von den An¬<lb/>
we&#x017F;enden &#x017F;ich die nemliche Freyheit erlauben<lb/>
wollte; zum Bey&#x017F;piel: wa&#x0364;hrend der Predigt<lb/>
zu &#x017F;chlafen; in Concerten zu plaudern; bey dem<lb/>
Tanze zugleich die Melodie mit zu &#x017F;ingen; in<lb/>
Schau&#x017F;pielen &#x017F;o hinzutreten, daß man nicht u&#x0364;ber<lb/>
uns weg&#x017F;ehn kann; in jede Ver&#x017F;ammlung &#x017F;pa&#x0364;¬<lb/>
ter zu kommen, fru&#x0364;her wegzugehn, oder la&#x0364;nger<lb/>
zu verweilen, als alle u&#x0364;brigen Mitglieder der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>17.<lb/></head>
            <p>Erza&#x0364;hle nicht leicht Annecdoten, be&#x017F;onders<lb/>
nie &#x017F;olche, die irgend jemand in ein nachtheili¬<lb/>
ges Licht &#x017F;etzen, auf bloßes Ho&#x0364;ren&#x017F;agen nach!<lb/>
Sehr oft &#x017F;ind &#x017F;ie gar nicht auf Wahrheit ge¬<lb/>
gru&#x0364;ndet; oder &#x017F;chon durch &#x017F;o viel Ha&#x0364;nde gegan¬<lb/>
gen, daß &#x017F;ie wenig&#x017F;tens vergro&#x0364;ßert, ver&#x017F;tu&#x0364;mmelt<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wor¬<lb/></fw> <fw place="bottom" type="sig">X 2<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0345] mand mit Gewalt wieder mitten in ſein taͤgli¬ ches Joch hineinſchieben zu wollen. 16. Es giebt kleine geſellſchaftliche Unſchicklich¬ keiten und Inconſequenzen, die man vermeiden, und wobey man immer uͤberlegen muß, wie es wohl ausſehn wuͤrde, wenn Jeder von den An¬ weſenden ſich die nemliche Freyheit erlauben wollte; zum Beyſpiel: waͤhrend der Predigt zu ſchlafen; in Concerten zu plaudern; bey dem Tanze zugleich die Melodie mit zu ſingen; in Schauſpielen ſo hinzutreten, daß man nicht uͤber uns wegſehn kann; in jede Verſammlung ſpaͤ¬ ter zu kommen, fruͤher wegzugehn, oder laͤnger zu verweilen, als alle uͤbrigen Mitglieder der Geſellſchaft. 17. Erzaͤhle nicht leicht Annecdoten, beſonders nie ſolche, die irgend jemand in ein nachtheili¬ ges Licht ſetzen, auf bloßes Hoͤrenſagen nach! Sehr oft ſind ſie gar nicht auf Wahrheit ge¬ gruͤndet; oder ſchon durch ſo viel Haͤnde gegan¬ gen, daß ſie wenigſtens vergroͤßert, verſtuͤmmelt wor¬ X 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/345
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/345>, abgerufen am 23.11.2024.