bey verschiedenen einzelnen Gelegenheiten in die¬ sem Buche gesagt, wie man mit dieser Art Men¬ schen umgehn müsse.
Allein man thut oft den Leuten großes Un¬ recht, wenn man Solche für schwach, dumm, gefühllos oder unwissend hält, die es wahrlich gar nicht sind. Nicht Jeder hat die Gabe, seine Gedanken und Empfindungen an den Tag zu legen, am wenigsten auf unsre Manier. Nach seinen Thaten muß man ihn richten, aber auch das nur mit Rücksicht auf seine Lage, und auf die Gelegenheit die er gehabt, oder die ihm ge¬ fehlt hat, sich auszuzeichnen. Man überlegt selten, daß Der Mensch schon sehr viel Werth hat, der in der Welt nur nichts Böses thut, und daß die Summe dieses negativen Guten zur Wohlfarth des Ganzen oft mehr beyträgt, als der lange Lebenslauf eines thätigen Mannes, dessen heftige Leidenschaften in unaufhörlichem Kampfe mit seinen großen edeln Zwecken stehen. Und dann sind Gelehrsamkeit, Cultur und ge¬ sunde Vernunft wieder sehr verschiedene Dinge. Es herrscht unter Menschen von einer gewissen Erziehung und Bildung so viel Convention, und
wir
bey verſchiedenen einzelnen Gelegenheiten in die¬ ſem Buche geſagt, wie man mit dieſer Art Men¬ ſchen umgehn muͤſſe.
Allein man thut oft den Leuten großes Un¬ recht, wenn man Solche fuͤr ſchwach, dumm, gefuͤhllos oder unwiſſend haͤlt, die es wahrlich gar nicht ſind. Nicht Jeder hat die Gabe, ſeine Gedanken und Empfindungen an den Tag zu legen, am wenigſten auf unſre Manier. Nach ſeinen Thaten muß man ihn richten, aber auch das nur mit Ruͤckſicht auf ſeine Lage, und auf die Gelegenheit die er gehabt, oder die ihm ge¬ fehlt hat, ſich auszuzeichnen. Man uͤberlegt ſelten, daß Der Menſch ſchon ſehr viel Werth hat, der in der Welt nur nichts Boͤſes thut, und daß die Summe dieſes negativen Guten zur Wohlfarth des Ganzen oft mehr beytraͤgt, als der lange Lebenslauf eines thaͤtigen Mannes, deſſen heftige Leidenſchaften in unaufhoͤrlichem Kampfe mit ſeinen großen edeln Zwecken ſtehen. Und dann ſind Gelehrſamkeit, Cultur und ge¬ ſunde Vernunft wieder ſehr verſchiedene Dinge. Es herrſcht unter Menſchen von einer gewiſſen Erziehung und Bildung ſo viel Convention, und
wir
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[250/0272]
bey verſchiedenen einzelnen Gelegenheiten in die¬
ſem Buche geſagt, wie man mit dieſer Art Men¬
ſchen umgehn muͤſſe.
Allein man thut oft den Leuten großes Un¬
recht, wenn man Solche fuͤr ſchwach, dumm,
gefuͤhllos oder unwiſſend haͤlt, die es wahrlich
gar nicht ſind. Nicht Jeder hat die Gabe, ſeine
Gedanken und Empfindungen an den Tag zu
legen, am wenigſten auf unſre Manier. Nach
ſeinen Thaten muß man ihn richten, aber auch
das nur mit Ruͤckſicht auf ſeine Lage, und auf
die Gelegenheit die er gehabt, oder die ihm ge¬
fehlt hat, ſich auszuzeichnen. Man uͤberlegt
ſelten, daß Der Menſch ſchon ſehr viel Werth
hat, der in der Welt nur nichts Boͤſes thut,
und daß die Summe dieſes negativen Guten
zur Wohlfarth des Ganzen oft mehr beytraͤgt,
als der lange Lebenslauf eines thaͤtigen Mannes,
deſſen heftige Leidenſchaften in unaufhoͤrlichem
Kampfe mit ſeinen großen edeln Zwecken ſtehen.
Und dann ſind Gelehrſamkeit, Cultur und ge¬
ſunde Vernunft wieder ſehr verſchiedene Dinge.
Es herrſcht unter Menſchen von einer gewiſſen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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