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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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könnte immer so frey und offen handeln und al¬
les, was im Herzen vorgeht, vor jedermann
sehn lassen; Besser wäre es, man dächte und
redete nichts, als was man laut denken und re¬
den darf; Da dies indessen, besonders bey Män¬
nern, die in öffentlichen Aemtern stehen, oder
sonst fremde Geheimnisse zu verwahren haben,
nicht möglich ist; so muß man freylich vorsichtig
in Mittheilung seiner Heimlichkeiten seyn.

Man findet Menschen, denen es schlechter¬
dings ohnmöglich ist, eine Sache zu verschwei¬
gen. Man sieht es ihnen an, wenn sie ängst¬
lich umherlaufen, daß sie etwas Neues tragen,
und daß sie leiden, bis sie einem andern Plau¬
derer ihre Nachricht heiß mitgetheilt haben.
Andern fehlt es zwar nicht an dem guten Wil¬
len, zu schweigen, wohl aber an der Klugheit,
sich nicht durch Winke, Blicke oder auf andre
Art zu verrathen, oder an der Festigkeit, sich
nicht ausfragen zu lassen, oder sie haben eine
zu gute Meinung von der Ehrlichkeit und Ver¬
schwiegenheit Derer, welchen sie sich anvertrauen
-- Gegen alle Diese muß man verschlossen seyn.

Es
Q 2

koͤnnte immer ſo frey und offen handeln und al¬
les, was im Herzen vorgeht, vor jedermann
ſehn laſſen; Beſſer waͤre es, man daͤchte und
redete nichts, als was man laut denken und re¬
den darf; Da dies indeſſen, beſonders bey Maͤn¬
nern, die in oͤffentlichen Aemtern ſtehen, oder
ſonſt fremde Geheimniſſe zu verwahren haben,
nicht moͤglich iſt; ſo muß man freylich vorſichtig
in Mittheilung ſeiner Heimlichkeiten ſeyn.

Man findet Menſchen, denen es ſchlechter¬
dings ohnmoͤglich iſt, eine Sache zu verſchwei¬
gen. Man ſieht es ihnen an, wenn ſie aͤngſt¬
lich umherlaufen, daß ſie etwas Neues tragen,
und daß ſie leiden, bis ſie einem andern Plau¬
derer ihre Nachricht heiß mitgetheilt haben.
Andern fehlt es zwar nicht an dem guten Wil¬
len, zu ſchweigen, wohl aber an der Klugheit,
ſich nicht durch Winke, Blicke oder auf andre
Art zu verrathen, oder an der Feſtigkeit, ſich
nicht ausfragen zu laſſen, oder ſie haben eine
zu gute Meinung von der Ehrlichkeit und Ver¬
ſchwiegenheit Derer, welchen ſie ſich anvertrauen
— Gegen alle Dieſe muß man verſchloſſen ſeyn.

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Q 2
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[243/0265] koͤnnte immer ſo frey und offen handeln und al¬ les, was im Herzen vorgeht, vor jedermann ſehn laſſen; Beſſer waͤre es, man daͤchte und redete nichts, als was man laut denken und re¬ den darf; Da dies indeſſen, beſonders bey Maͤn¬ nern, die in oͤffentlichen Aemtern ſtehen, oder ſonſt fremde Geheimniſſe zu verwahren haben, nicht moͤglich iſt; ſo muß man freylich vorſichtig in Mittheilung ſeiner Heimlichkeiten ſeyn. Man findet Menſchen, denen es ſchlechter¬ dings ohnmoͤglich iſt, eine Sache zu verſchwei¬ gen. Man ſieht es ihnen an, wenn ſie aͤngſt¬ lich umherlaufen, daß ſie etwas Neues tragen, und daß ſie leiden, bis ſie einem andern Plau¬ derer ihre Nachricht heiß mitgetheilt haben. Andern fehlt es zwar nicht an dem guten Wil¬ len, zu ſchweigen, wohl aber an der Klugheit, ſich nicht durch Winke, Blicke oder auf andre Art zu verrathen, oder an der Feſtigkeit, ſich nicht ausfragen zu laſſen, oder ſie haben eine zu gute Meinung von der Ehrlichkeit und Ver¬ ſchwiegenheit Derer, welchen ſie ſich anvertrauen — Gegen alle Dieſe muß man verſchloſſen ſeyn. Es Q 2

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/265>, abgerufen am 24.11.2024.